von Andreas Loos
Bevor wir uns auf den Inhalt stürzen, sollten zur Aufmachung des Buches (und den Unterschieden zum Kinofilm) noch einige Worte gesagt werden.
Auf Vorder- und Rückseite des rund 330 Seiten starken Romans prangt (zumindest in seiner aktuellesten Ausgabe) jeweils das Bild eines Helms, durch den sich ein Spinnenbein geschlagen hat. Das gleiche Bild zierte damals (1997) die Kinoplakate zu Paul Verhoevens gleichnamigem Film. Der Einband verspricht, da die Auflage gleichzeitig mit dem Film herausgebracht wurde, dass dies hier „Der Roman zum Film von Paul Verhoeven“ sei. Wer den Film kennt, dem schwebt eine Mischung aus blutrünstiger Action, etwas nackter Haut und jeder Menge ekelhafter außerirdischer Arachnoiden vor.
Wer genau das erwartet, wird ziemlich enttäuscht, denn vieles, was man in Heinleins urspünglichem Roman findet, wurde von Verhoeven nur ansatzweise verarbeitet oder abgeändert, um seinen Vorstellungen und vor allem dem Budget des Films zu entsprechen. (Eine teilweise irreführende deutsche Synchronisation trägt ihren Teil dazu bei).
Anders als im Film wird die beschriebene Gewalt wird hier nicht ausgeweidet; der Ton, der hier angeschlagen wird, ist geradezu ekelhaft sachlich und sehr farblos. Sex wird man hier ebensowenig finden – der Roman wurde schließlich in den späten 1950ern geschrieben. Auch ansonsten unterscheidet sich der Roman vom Film so gravierend, dass ich mit ruhigem Gewissen sagen kann, dass Verhoeven sich nur sehr grob an das Buch gehalten hat, und sehr vieles, was den Roman ausmacht, wurde zugunsten der Action gestrichen.
Jetzt aber zum Inhalt:
Der geneigte Leser erhält aus der Ich-Perspektive Einblicke in die militärische Laufbahn von Johnnie Rico – von seiner freiwilligen Verpflichtung über seine Ausbildung zum Mobilen Infanteristen bis hin zu seiner Offizierslaufbahn. Dabei erleben wir eine erstaunliche Metamorphose, denn Rico hat als der verhätschelte Sohn eines reichen Industriellen keinen ersichtlichen Grund, der Armee beizutreten, dennoch meldet er sich freiwillig, geht durch eine Ausbildung, die an Härte wohl kaum noch zu überbieten ist, und wird dadurch zu einem exemplarischen Mustersoldaten (der allerdings auch einige Macken hat und mehr als einmal für sein Fehlverhalten bestraft wird).
Johnnie Rico hat sich gerade rechtzeitig zu den Waffen gemeldet, um am Kampf gegen die Bugs, spinnenartige Außerirdische, die wie ein Ameisenstaat organisiert sind, teilzunehmen. Die Einheit, der zugeteilt wird, nimmt an der ersten Invasion von Klendathu, der Heimatwelt der Bugs, teil und wird fast völlig aufgerieben.
Johnnie wird deshalb auf die Rodger Young zu Rasczaks Rauhnacken versetzt, um in dieser Einheit gegen die Bugs zu kämpfen. Er entschließt sich als Berufssoldat die Offizierslaufbahn einzuschlagen und wird erneut zur Ausbildung geschickt. Seine Ausbildung zum Offizier wird durch einen Kampfeinsatz abgeschlossen, der auf dem unwirtlichen Planeten „P“ stattfindet. Johnnie und seine Kameraden sollen eine Königin der Bugs gefangen nehmen. Mit viel Glück überlebt Rico diesen Einsatz und wird zum Offizier befördert. Schließlich übernimmt er auf der Rodger Young das Kommando über Rasczaks Rauhnacken. Sein endgültiges Schicksal bleibt dem Leser verschlossen, da der Roman in dem Moment aufhört, in dem Rico darauf wartet, zum zweiten Mal über dem Planeten Klendathu abgeworfen zu werden.
So weit, so gut… Dieser Teil des Romans dürfte auch die Fans von Paul Verhoevens Film ansprechen. Der Roman kann außerdem mit einigen Spielsachen aufwarten, die Verhoeven aus Kostengründen außen vor lassen musste. So zum Beispiel die automatischen Kampfanzüge, die Verhoevens Truppe gegen einfache Panzerwesten eintauschen musste. Dafür wurden die Bugs, anders als im Roman, in dem sie unterirdische Städte errichten, Raumschiffe bauen und deren Soldaten Strahlenwaffen verwenden und als politisches Ganzes Bündnisse eingehen können, zu einer Horde Nahkampfkiller ohne Verstand degradiert.
Wie dem auch sei, über einen Mangel an Action kann man sich im Bezug auf das Grundgerüst rund um Johnnie Ricos Werdegang auch im Roman jedenfalls nicht beklagen.
Der andere Teil des Romans, der immer wieder sowohl in der laufenden Handlung als auch in Rückblenden in Erscheinung tritt, befasst sich mit politischen Themen und ist der eigentliche Grund, weshalb das Buch seit seiner Erstveröffentlichung 1959 immer wieder kontrovers diskutiert wird.
Zum einen wird das Militär verherrlicht, vor allem die Soldaten selbst betreiben einen ausufernden Kult, der vorwiegend aus Traditionen besteht. Zivilisten und Militärs leben dabei in getrennten Welten und unwillkürlich wird auch der Leser genötigt, die Zivilisten wie Schafe zu betrachten, die unfähig sind, sich selbst zu verteidigen, und denen das Militär in Gestalt von ausgesuchten idealen Soldaten, die über sie wachen, Schutz gewähren muss. Um die wenigen auserwählten wahren Bürger zu finden, werden die zukünftigen „idealen“ Soldaten durch eine rigorose Grundausbildung gejagt und ganz nebenbei entsprechend indoktriniert. Das politische System, unter dem die Menschen im Roman zu leben haben, ist, gelinde gesagt, ein faschistoider Albtraum.
Immer wieder wird das System, in dem Rico lebt, mit den westlichen Demokratien verglichen. Dabei lässt Heinlein kaum ein gutes Haar an den heutigen Demokratien. Bei Heinleins „Starship Troopers“ ist das aktive und passive Wahlrecht kein Recht, sondern ein Privileg, das nur so genannte „Vollbürger“ ausüben dürfen, die ihren Wehrdienst abgeleistet haben. Nur wer bereit ist, für die menschliche Rasse zu kämpfen, und das Risiko eingeht, im Verlauf seines Wehrdienstes sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit zu verlieren, kann die Rechte eines Vollbürgers erwerben. Ungediente Zivilisten genießen zwar einen relativ hohen Lebensstandard, haben aber keinerlei politisches Mitbestimmungsrecht. Nach Heinleins Roman interessieren sich auch nur wenige für die Vorzüge der Vollbürgerschafft. Und diejenigen, die sich dafür interessieren, müssen durch die Hölle gehen.
Als kleiner Seitenhieb bekommt auch der Kommunismus sein Fett weg. Zum einen wird Marx als realitätsfremder Träumer bezeichnet, zum anderen wird den Bugs attestiert, dass sie in einem funktionierenden Kommunismus leben. Das Fazit ist eindeutig und vernichtend – Lebwesen, die als Individuen ihr Dasein führen, können keinen funktionierenden Kommunismus aufbauen.
Ein weiterer Themenkreis, der immer wieder angesprochen wird, ist das Strafrecht. Hier bietet Heinlein ein anderes System, als das von uns gewohnte: Drakonische Maßnahmen stehen auf allen Vergehen. Diese reichen vom öffentlichen Auspeitschen für kleinere Delikte, bis hin zur Universalstrafe für Verbrechen wie Erpressung, Vergewaltigung und Mord: Tod durch öffentliche Hinrichtung, vorzugsweise durch Hängen. Die Prügelstrafe an Schulen ist Gang und Gäbe, wird jedoch nur selten angewandt, da nach Heinleins Ansicht bereits die Aussicht „übers Knie“ gelegt zu werden dafür sorgt, dass die Schüler sich benehmen.
„Jugendliche Kriminelle“ werden hier als Beispiel für eine versagende Gesellschaft genannt. Da den Jugendlichen die notwendigen Verhaltensregeln nicht eingebläut wurden, konnten sie nichts anderes tun, als Jugendbanden zu gründen und straffällig zu werden, wobei ein inkonsequentes Rechtssytem mit Bewährungsstrafen und milden Urteilen zum Zwecke der Resozialisierung alles nur noch verschlimmert. All das wird natürlich pauschalisiert und furchtbar vereinfachend dargestellt, etwa in der Art von Stammtischargumentationen, die man überall hören kann und die nicht sehr aussagekräftig sind.
Das Gemeine an Heinleins politischem System ist dennoch, dass alles so plausibel präsentiert wird, dass man als Leser dazu verführt wird, den beschriebenen gesellschaftlichen Veränderungen teilweise Recht zu geben. In dem verführerischen Gedanken, gerade Schlupflöcher im Rechtssystem zu schließen, die man heute mehr denn je als normaler Bürger unter dem Eindruck tagtäglich geschilderter, furchtbarer Verbrechen zu sehen glaubt, liegt nach wie vor der Zündstoff, der „Starship Troopers“ zu einem kontroversen Roman macht.
Die politischen Theorien, die Heinlein dem Leser entgegenschleudert, habe ich mir mit Freude zu Gemüte geführt, erlauben sie einem doch einen anderen Blickwinkel auf unser eigenes bestehendes politisches System. Über den unverhohlenen Militarismus und vor allem die faschistoiden Attitüden, die sich hier zeigen, kann man geteilter Meinung sein, allerdings untermauert Heinlein über Zitate bekannter Personen die hier präsentierte Weltsicht.
Wenn Thomas Jefferson mit den Worten zitiert wird: „Der Baum der Freiheit muss von Zeit zu Zeit mit dem Blut von Patrioten gedüngt werden…“ und wenn man weiß, dass Heinlein selbst 1929 die Marineakademie der US-Marine absolvierte und lediglich durch eine Tuberkuloseerkrankung von einer Kariere beim Militär ausgeschlossen wurde, dann kann man sich denken, von wo ungefähr seine Inspirationen für „Starship Troopers“ kamen.
Fazit: „Starship Troopers“ ist zweifelsfrei ein Klassiker, der an Aktualität im Bezug auf seine Gesellschaftskritik in der heutigen Zeit nichts eingebüßt hat. Wer hier tatsächlich das Buch zum Film erwartet, wird ziemlich enttäuscht werden, da der Film dem Buch nur sehr grob folgt. Ansonsten bietet „Starship Troopers“ futuristische Technik und grauenhafte Aliens und schließlich eine militaristisch-faschistoide Gesellschaftsform, die unserem politischen System provokant gegenübergestellt wird. Das alles wird hübsch in die Geschichte um Johnnie Rico verpackt, der als hochgerüsteter Soldat im Kampf gegen die Bugs bestehen muss.
Starship Troopers
Science-Fiction-Roman
Robert A. Heinlein
Bastei Lübbe 998
ISBN: 3404141598
334 S., Taschenbuch, deutsch
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