von Andreas Rauscher
Der ausgesprochen empfehlenswerte, dieses Jahr unter anderem auf dem Münchner Filmfest aufgeführte Dokumentarfilm „The People vs. George Lucas“ (USA 2010) von Alexandre O. Philippe verdeutlicht wieder einmal den grundlegenden Widerstreit zwischen den Auteur-Ambitionen des „Star Wars“-Architekten und diversen Fan-Fraktionen. Mit einigem Recht bestehen die Anhänger der ersten Trilogie darauf, dass diese in der ursprünglichen Fassung, ohne digitale Verschlimmbesserungen restauriert werden sollte. Deren Regisseur beansprucht hingegen nach wie vor die künstlerische Deutungshoheit und will lediglich die höchstpersönlich überpinselte Special Edition als autorisierte Variante anerkennen. Vielleicht sollte er bei Gelegenheit den einen oder anderen Blick auf die eigenen Publikationen werfen, denn die von Lucasfilm lizensierten Comics, Romane und Videospiele veranschaulichen nachhaltig, wie das „Star Wars“-Expanded Universe als eigendynamisches kulturelles Phänomen mit einer Vielzahl von Autoren und diversen Auslegungen der fiktionalen Mythologie funktionieren kann, ohne dass es eine alles entscheidende Master Storyteller-Instanz gibt.
Einen der spannendsten aktuellen Beiträge zum „Star Wars“-Universum bildet die von Tom Taylor verfasste und von Colin Wilson gezeichnete „Invasion“-Reihe. Deren Autor praktiziert eine interessante Kombination aus sehr unterschiedlichen Jobs, die beispielhaft für die zunehmende Auflösung zwischen High Brow- und Pop Culture erscheint. Einerseits verfasst er als mehrfach preisgekrönter Nachwuchsautor Theaterstücke, die unter anderem am Sydney Opera House aufgeführt wurden, und zugleich arbeitet er als Comic-Autor für verschiedene „Star Wars“-Reihen. Wie bereits an den ebenfalls von Taylor verfassten „Star Wars Adventures“ um Luke Skywalkers Erlebnisse auf Dagobah deutlich wurde, konzentrieren sich seine Comics auf die populärste Epoche der weit entfernten Galaxis während und kurz nach den Auseinandersetzungen zwischen Imperium und Rebellen-Allianz. „Invasion“ entwickelt die in den „Star Wars Adventures“ skizzierten Background Stories um bekannte Figuren aus der ersten Trilogie konsequent weiter und bildet zugleich nach den Brüchen der „Legacy“-Comics und dem selbstironischen Pulp der „Knights of the Old Republic“ -Reihe eine Rückkehr zur klassischen Form.
Im Mittelpunkt des ersten „Invasion“-Bandes stehen vertraute Standardsituationen serieller Space Operas, die in der für „Star Wars“ charakteristischen Weise modernisiert werden.
Den Ausgangspunkt für die neue Reihe bildet der im fünfundzwanzig Jahre nach „A New Hope“ angesiedelten „New Jedi Order“-Romanzyklus geschilderte Angriff der biomechanischen Yuuzhan Vong. Im Vergleich zu den ausufernden Handlungsfäden der Romane konzentriert sich der Plot auf die Schlacht um den friedlichen Planeten Artorias, der sich unerwartet einer gewaltigen außerirdischen Streitmacht gegenübersieht. In einer im positiven Sinne geradlinigen, das heißt zugänglichen und pointierten Parallelhandlung schildert der erste Band die Abenteuer der Geschwister Finn und Kaye Galfridian. Letztere organisiert als Gefangene der Yuuzhan Vong den Aufstand gegen die Invasoren, während ihr von Artorias entkommener Bruder prominente Unterstützung zur Hilfe ruft. Als Schüler der Jedi-Akademie auf Yavin IV trifft er auf Luke Skywalker, und es dauert nicht lange, bis er auf der Suche nach einem Schmuggler mit brisanten Informationen auf den Rest der Solo-Skywalker-Sippe trifft.
Tom Taylor und der unter anderem für die britische Kultreihe „2000 A.D.“ tätige Illustrator Colin Wilson kombinieren sowohl dramaturgisch als auch visuell auf raffinierte Weise den Stil der ersten Trilogie mit ihren eigenen Einfällen. Das Team-Up zwischen neuen Charakteren und den in ausgedehnten Gastspielen auftretenden bekannten „Star Wars“-Protagonisten schafft reizvolle Situationen, die vergleichbar den Romanen von Timothy Zahn die Helden der Rebellen-Allianz neue Abenteuer erleben lassen und dennoch durch die seit den Filmen vergangene Zeit bedingte Veränderungen zulassen. Außerdem nutzt „Invasion“ effektvoll die Möglichkeiten des Mediums Comic, indem bisher lediglich literarisch beschriebene Settings wie die biomechanische Invasionsflotte bildverliebt umgesetzt werden. Ein vielversprechender Start, der auf angenehme Weise in Erinnerung ruft, dass sich das kulturelle Phänomen „Star Wars“ glücklicherweise nicht auf die leidigen Diskussionen über dessen Urheberschaft beschränkt.
Fazit: Die ideale Lektüre für alle Fans der klassischen Trilogie und des Expanded Universe, denen die Lust und Zeit fehlt sich in die weit verzweigten Spin-Off-Romane der „New Jedi Order“-Serie einzulesen. „Invasion“ setzt im Rahmen einer typischen Space Opera-Geschichte visuell effektvoll den Angriff der biomechanischen Aliens um. Das Wiedersehen mit Luke, Leia, Han und Co erleichtert außerdem den Einstieg, wenn Namen wie Cade Skywalker und Zayne Carrick nur irritiertes Schulterzucken hervorrufen.
Star Wars Sonderband 55: Invasion 1: Angriff der Yuuzhan Vong
Comic
Tom Taylor, Colin Wilson, Wes Dzioba
Panini / Lucasbooks / Dark Horse 2010
ISBN: 978-3-86607-969-4
148 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95
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