Star Wars Sonderband 53: Legacy 7: Tatooine

Ein Abstecher nach Tatooine gehört in jeder Epoche des „Star Wars“-Universums zum Pflichtprogramm. In der Wüste lässt sich wahlweise wie im Fall von Anakin Skywalker die mit religiösen Referenzen aufgeladene, erste Versuchung durch die dunkle Seite realisieren, zur Zeit von Luke Skywalker stilisierte Langeweile kultivieren oder wie eine Generation später bei Cade Skywalker sich mit Hilfe der Verwandten ein wenig Orientierung zwischen Sith, Imperium, Allianz und Raumpiraten verschaffen.

von Andreas Rauscher

 

Die Situation in der bekannten, weit entfernten Galaxis gestaltet sich im Expanded Universe längst nicht mehr so übersichtlich, wie man es aus der ersten Trilogie gewohnt war. Der in den Feuilletons der 1980er Jahre populäre Standardvorwurf, die „Star Wars“-Saga würde ihre Protagonisten auf schematische Weise in Gut und Böse aufteilen, lässt sich im Fall der „Legacy“-Comic-Reihe kaum mehr aufrechterhalten. Die komplizierten Machtkämpfe und Intrigen zwischen lädierter Allianz, gelegentlich gutem Imperium, überwiegend bösem Imperium und ausnahmsweise doch wieder einmal richtig schematisch fiesen Sith-Lords würden genügend Stoff für eine ganze Reihe von Rollenspiel-Sourcebooks bieten, ohne dass sich die Fronten eindeutig bestimmen ließen.

Kein Wunder, dass der ohnehin zu apathischen Durchhängern neigende Antiheld Cade sich angesichts dieser diffizilen Lage erst einmal in das Outer-Rim-Territorium zurückgezogen hat und in der intergalaktischen Prärie dem Alltag eines postmodernen Swashbucklers nachgeht. Die Familientradition der dramatischen Verführung durch die dunkle Seite oder des epischen Kampfes gegen diese interessiert ihn nicht weiter. Er hat es sich zwischen allen Stühlen bequem gemacht und überfällt mit seiner Crew als netter Halunke und Good-Bad-Guy von nebenan die Schiffe der echten Bad Guys des in „Shadows of the Empire“ eingeführten Gangstersyndikats Black Sun. Natürlich lassen sich die Epigonen von Jabba und Co derartige Aktionen nicht lange gefallen und setzen Kopfgeldjäger auf ihn an.

Cade und die Crew des Piratenschiffs Mynock fliehen, um ihren Verfolgern zu entgehen, nach Tatooine, jenen Wüstenplaneten, der nach Ansicht einiger seiner Bewohner am weitesten vom Zentrum des Universums entfernt erscheint, in der „Star Wars“-Saga aber einen derart zentralen Schauplatz bildet, dass man langsam den Eindruck bekommt, dass sich regelmäßig die Zukunft der Galaxis zwischen den Feuchtfarmen der Sandwüste und dem Raumhafen Mos Eisley entscheidet.

Nachdem sich auch noch eine imperiale Agentin in den Fall einschaltet, wird Cade wider Willen doch noch in die größeren intergalaktischen Konflikte, denen er entkommen wollte, hineingezogen. Unerwartet ergibt sich daraus sogar ein kleines Familiendrama, als er unter widrigen Umständen seiner Mutter begegnet.

Die Selbstfindung in der Wüste, die in „A New Hope“ mit dem ersten Übertreten der Schwelle zur Heldenreise und in „Attack of the Clones“ mit Anakins Angriff auf die Sandleute eine zentrale Rolle spielt, wird in den „Legacy“-Comics um eine neue Variante erweitert. Cade und die auf ihn angesetzte imperiale Agentin, die ein ausbaufähiges potenzielles Love Interest für zukünftige Folgen ergeben könnte, müssen angesichts eines heraufziehenden Sandsturms einen Waffenstillstand schließen und sich gemeinsam durch die Wüste kämpfen. Vorübergehenden Schutz finden sie auf einer verlassenen Farm, die sich als ehemaliger Sitz der Skywalkers erweist. Cade begegnet in einer Vision seinem Vorfahren Luke, der ihn vor den Gefahren der dunklen Seite zu warnen versucht. Seinem Image als mürrischer Egozentriker entsprechend, zeigt der sture Antiheld jedoch reichlich wenig Interesse an den Belehrungen durch seinen idealistischen Verwandten. Aus der von den gewohnten Standards abweichenden Auslegung der „Star Wars“-Heldenrollen ließe sich genügend dramaturgisches Potenzial für die nächsten zentralen Story Arcs gewinnen.

Wie bereits in den letzten „Legacy“-Folgen vollziehen sich die entscheidenden Schlachten im Konflikt zwischen Sith, Imperium und Allianz ohne den Protagonisten. Im letzten Kapitel des Bandes erfolgt ein weiterer Seitenblick auf das politisch relevante Geschehen an anderen Orten der Galaxis. Dass sich der designierte Held nicht für den Familienbetrieb interessiert und stattdessen seinen Unterhalt lieber als Pirat verdient, bietet ein reizvolles und ausbaufähiges Konzept. Ob es tatsächlich aufgeht, hängt nicht zuletzt davon ab, wie stark in den folgenden Bänden die Nebenfiguren entwickelt werden, die sich anstelle von Cade um die klassischen Skywalker-Aufgaben wie die Rettung des Universums und den Kampf gegen die Sith-Lords kümmern müssen.

Fazit: Ein interessanter Abstecher nach Tatooine, einem der klassischen „Star Wars“-Schauplätze, dessen Besuch zur Selbstfindung sich langsam aber sicher zur Standardsituation für die verschiedenen Skywalker-Generationen entwickelt. Parallel zum Wiedersehen mit aus den Filmen vertrauten Schauplätzen, lanciert der Band einige reizvolle Prämissen für zukünftige Story Arcs, unter anderem die erste Begegnung mit einer eigenwilligen imperialen Agentin und einen weiteren Einblick in Cade Skywalkers dysfunktionales Familienleben.


Star Wars Sonderband 53: Legacy 7: Tatooine
Comic
John Ostrander, Kajo Baldisimo, Jan Duursema u. a.
Panini Comics 2009
ISBN: 978-3-86607-867-3
124 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 12,95

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