Star Wars Sonderband 52: Legacy 6: Visionen der Dunklen Seite

Nachdem im Finale des Generationen übergreifenden „Star Wars“-Crossover-Comics „Vector“ die Spielaufstellung der „Legacy“-Reihe maßgeblich verändert wurde, werden im sechsten Band der hundert Jahre nach den Abenteuern von Luke, Han und Leia angesiedelten Geschichten um den ambivalenten Cade Skywalker die Karten neu gemischt.

von Andreas Rauscher

 

Im Finale des zweibändigen „Vector“-Events musste der heimtückische Darth Krayt vorzeitig seine Rüstung an den Nagel hängen. Doch wie es sich für einen guten Serienschurken gehört, bleibt die Hintertür für weitere Aktivitäten offen. Sein komatöser Zustand erweist sich als Pulp-Variante des Vorruhestands, den seine ehemaligen Schergen, die wie entfernte Cousins des „Phantom Menace“-Derwischs Darth Maul aussehen, zur Sicherung ihrer eigenen Vormachtstellung unter den Sith-Lords mit allen Mitteln zu vertuschen versuchen. Gleichzeitig bietet der Rückzug Krayts auf die Reservebank natürlich eine gute Gelegenheit, um neue Gegner ins Spiel zu bringen. Auffällig erscheint jedoch, dass die Auseinandersetzungen um die brüchige Allianz zwischen Rebellen und Imperium gegen die Sith nahezu vollständig ohne den ursprünglichen Protagonisten des „Legacy“-Universums auskommen. Der Held wider Willen ist momentan zu sehr mit seinen eigenen, selbst geschaffenen Problemen beschäftigt

Während die Sith-Lords eine neue Strategie zur Unterwerfung der Galaxis ausknobeln, kämpft Cade Skywalker erneut mit seinen inneren Abgründen. Nachdem seine Jugendfreundin Azlyn im entscheidenden Kampf gegen Krayt schwer verletzt wurde, wächst seine Bereitschaft sich auf die Mächte der dunklen Seite einzulassen, um sie zu heilen. Cades Konflikt verdeutlicht auf beispielhafte Weise, wie im Expanded Universe mit aus den Filmen vertrauten Situationen gespielt wird. Sein Dilemma erinnert an die Lage seines Vorfahren Anakin in der Prequel-Trilogie, allerdings mit dem Unterschied, dass nicht er selbst durch eine lebenserhaltende Rüstung zum biomechanischen Cyborg wird. Stattdessen ereilt auf Cades Anweisung seine Freundin Azlyn gegen ihren Willen dieses Schicksal. Die daraus resultierende melodramatische Konstellation bietet eine interessante Grundlage für zukünftige Handlungsbögen.

Wenn die gut gelaunte Retro-Space-Opera der „Knights of the Old Republic“-Reihe einem Easy-Listening-Album gleicht, dann lässt sich die auf seelische Abgründe und systematische Zweifel spezialisierte „Legacy“-Reihe am besten als schwermütiger Indie-Rock beschreiben. Auch wenn das mit Tribal-Tattoos geschmückte Sith-Ensemble sich gut auf dem Cover einer Grindcore-Platte machen würde, erinnern die zentralen Protagonisten des „Legacy“-Universums an die von Selbstzweifeln und Selbstbezogenheit geplagten Vertreter des lethargischen Gitarrenrocks. Wenn sie es gelegentlich vor lauter inneren Konflikten nicht schaffen, die gesamte Handlungszeit über auf der Bühne zu stehen, springen professionelle Hilfskräfte ein. Sobald Cade in Selbstmitleid versinkt und die ganze Galaxis zum Teufel wünscht, wechselt die Handlung zu Nebenfiguren, die den Konflikt zwischen Imperialer Allianz und Sith-Lords vorantreiben.

Zwei Episoden aus dem intergalaktischen Bürgerkrieg bilden den Rahmen des sechsten „Legacy“-Bandes, in dessen Zentrum die neuen Leiden des Cade Skywalkers stehen. Das erste Kapitel schildert den Kampf eines Imperialen Ritters und der Mon Calamari gegen einen besonders grausamen Sith-General. Die unter Wasser ausgetragene Konfrontation bietet als Kontrast zu den nachdenklichen Grunge-Jedis einen unterhaltsamen Ausflug auf das Terrain traditioneller Space Operas, inklusive dynamischer Schlachten und monströser Unterwasserkreaturen, irgendwo zwischen dem James Bond-Film „Thunderball“ und „Flash Gordon“. Das letzte Kapitel wirft hingegen einen Seitenblick auf eine strategisch entscheidende Raumschlacht, deren Umsetzung mit ausgedehnten Erläuterungen in den Text-Unterzeilen jedoch zu stark an die Cutscenes eines Echtzeit-Strategiespiels erinnert. Doch abgesehen vom etwas schwerfälligen Ausklang wird die „Legacy“-Reihe auch in diesem Band ihrem erzählerischen Potential gerecht.

Fazit: Nachdem der Konflikt mit Darth Krayt zu einem vorläufigen Ende gekommen ist, versäumt es Cade Skywalker ein weiteres Mal, sich in Bescheidenheit zu üben. In einer Mischung aus arroganter Sturheit und fehlgeleiteter Hilfsbereitschaft schafft er eine Situation, die eine gute Grundlage für zukünftige Dramen abgibt. Abgerundet wird der Band durch zwei qualitativ solide Episoden aus dem Konflikt zwischen Sith und Imperium. Die von Selbstzweifeln und fragwürdigen Entscheidungen bestimmten Abenteuer des launischen Cade Skywalker bieten eine interessante Variation der klassischen „Star Wars“-Motive. Der düstere Ansatz verfügt einerseits über genügend Wiedererkennungswert, um den Anschluss an die bisherigen „Star Wars“-Reihen zu realisieren, andererseits ergeben sich durch die Zurücknahme der Hauptfigur genügend Anschlussstellen für neue Erzählperspektiven.


Star Wars Sonderband 52: Legacy 6: Visionen der dunklen Seite
Comic
John Ostrander, Omar Francia, Jan Duursema
Panini Comics 2009
ISBN: 978-3-86607-866-6
124 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 12,95

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