von Andreas Rauscher
Eines der reizvollsten Merkmale des „Star Wars“-Expanded Universe bestand von Anfang an nicht nur in der epischen Erweiterung der in den Filmen skizzierten Schauplätze oder der detaillierten Aufbereitung der Biographien der Nebenfiguren. Wie sich sowohl an den Videospielen, wie auch an den verschiedenen „Star Wars“-Comicserien immer wieder zeigt, bietet das Expanded Universe noch stärker als die Filme ausgiebig Gelegenheit zum exzessiven Genre-Crossover. Die Variationsmöglichkeiten reichen von Helden-Epen mit einem hohen Fantasy-Anteil über klassische Abenteuergeschichten um die Schmuggler und Kopfgeldjäger bis hin zu parodistischen Comedy-Ansätzen, die in den Filmen nicht denkbar gewesen wären, oder Ausflügen in das Action-Genre, bei denen die Einsätze der Rebellenflotte einen ganzen eigenen Band umfassen können.
Ein relativ traditionelles, aber ausgesprochen populäres Segment bedienen die ursprünglich als Romane und später auch als Comics veröffentlichten Einsätze der von Michael A. Stackpole konzipierten X-Wing-Einheit „Rogue Squadron“. Ihr wurden bereits mehrere eigene Videospiele gewidmet und ihre Rolle in den „Star Wars“-Romanen außerhalb ihrer eigenen Reihe wurde zunehmend ausgebaut. Im Mittelpunkt der „Roque Squadron“-Serie steht das Geschwader um den Piloten und Rebellenallianz-Commander Wedge Antilles, der unter anderem bei den Schlachten um die beiden Todessterne und bei der Verteidigung der Eisbasis auf Hoth als zuverlässiger Sidekick in Aktion trat. In allen drei Filmen der ersten Trilogie wurde er von dem schottischen Schauspieler Denis Lawson gespielt wurde. Der erfahrene Bühnendarsteller und Onkel von Ewan McGregor rätselt noch heute, weshalb sich „Star Wars“-Fans, die sich nicht weiter für Theater interessieren, in Briefen bei ihm bedanken, dass er ihr Leben verändert hätte.
Diese euphorischen Reaktionen gehen auf das von Lawson nicht mehr weiter verfolgte Eigenleben des von ihm gespielten X-Wing-Piloten zurück. Seit den frühen 1990er Jahren muss Wedge Antilles sich nicht mehr darauf beschränken, Luke Skywalker und Lando Calrissian zu eskortieren, sondern kommandiert sein eigenes Spezialisten-Team, das die Eroberung der imperialen Kernwelt Coruscant vorbereitet hatte und nach dem Ende des Imperiums brisante Aufträge für die Neue Republik in den Outer Rim-Territorien erledigt. Der Erfolg der Geschichten um das Rogue Squadron führte schließlich zu ihrem verstärkten Einsatz quer durch das „Star Wars“-Universum. In den heutigen „Star Wars“-Reihen, in denen Wedge eine zentrale Rolle spielt, wäre es kaum mehr vorstellbar, dass er noch einmal wie zu den Zeiten der ersten „Star Wars“-Comics für fast zehn Bände als Vermisster auf das Abstellgleis für nicht benötigte Nebenfiguren befördert werden könnte.
Unter anderem übernimmt das Rogue Squadron ausgedehnte Gastrollen in den von Schriftsteller Timothy Zahn verfassten „Hand of Thrawn“-Romanen. Zahn, der in den frühen 1990er Jahren mit seiner „ Die Erben des Imperiums“-Trilogie maßgeblich für das Comeback des „Ewoks“-geschädigten Franchises sorgte, erläutert im Vorwort zum Comic-Band „Schlachtfeld Tatooine“ die produktive Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Stackpole. Nach gegenseitiger Absprache leiht man sich gegenseitig die Charaktere aus und stimmt längerfristige Plot-Entwicklungen ab. Dieses Vorgehen erinnert deutlich an die Überschneidungen und obligatorischen gegenseitigen Gastauftritte in den fortlaufenden Superhelden-Serien der Verlage DC und Marvel. Der Leser muss zum besseren Verständnis zwar nicht alle Stränge des erzählerischen Kosmos verfolgen und kann je nach eigenen Vorlieben die Handlungsfäden auswählen, wenn er jedoch tatsächlich alle Entwicklungen im Auge behält, erscheint das Geschehen insgesamt stimmig und bietet amüsante Querverweise. So bahnt sich beispielsweise im auf dem allseits beliebten Wüstenplaneten mit den beiden Sonnen angesiedelten „Schlachtfeld Tatooine“ eine Romanze zwischen dem von Stackpole erfundenen X-Wing-Piloten Tycho und der von Zahn eingeführten, unterkühlten alderaanischen Agentin Winter an, die sich in den späteren Romanen fortsetzt.
Abgesehen von Fan-Trivia dieser Art bedient „Schlachtfeld Tatooine“ natürlich in erster Linie das Action-Genre und könnte über weite Strecken genau so gut das Script für ein weiteres „Rogue Squadron“-Videospiel abgeben. Zwischen den turbulenten Ereignissen vergehen kaum zwei Panels, bevor nicht der nächste Überraschungsangriff erfolgt oder eine weitere Verfolgungsjagd beginnt. Als Aufhänger dient ein typischer McGuffin, wie er in klassischen Hollywood-Filmen oder in „A New Hope“ in Form der geheimen Todesstern-Pläne vorkommt: ein unscheinbarer, nicht näher beschriebener Gegenstand, der für sämtliche Protagonisten von entscheidender Bedeutung ist, ohne dass sich diese für den Zuschauer/Leser wirklich erschließen muss. Wichtig erscheint dabei lediglich, dass sich durch ihn das Genre-Karussell schwungvoll und glaubwürdig in Bewegung versetzen lässt.
Als McGuffin dient in „Schlachtfeld Tatooine“ eine Diskette mit wichtigen Informationen, die im Kampf um die politische Vormachstellung auf Tatooine entscheidend sein könnten. Während einer Party der angesehenen Darklighter-Familie, aus der auch Wedges in „A New Hope“ verstorbener Kollege Biggs stammte, versuchen unterschiedliche Fraktionen von der Allianz-Agentin Winter und den Rogue-Squadron-Vertretern über imperiale Handlanger bis hin zu einem eigene Interessen verfolgenden Twi’lek-Gangster in den Besitz der Daten zu gelangen. Ein unfreiwilliger Abstecher auf die Twi’lek-Heimatwelt Ryloth inklusive Duell erscheint ebenso vorprogrammiert wie das abschließende Gefecht mit einem imperialen Schlachtschiff.
Der Reiz des Comics besteht weniger in der konventionellen Handlung und den für das Action-Genre typischen, auf knappe One-Liner begrenzten Dialogen, sondern in der Umsetzung und gezielten Variation von vertrauten Standardsituationen. Im Stil der Zeichnungen erinnert „Schlachtfeld Tatooine“ an die ersten „Star Wars“-Marvel-Comics der späten 1970er und frühen 1980er Jahre. Im Comic-Format erscheinen die Abenteuer des Rogue Squadron dynamischer und kurzweiliger als in den Romanen. Die Charaktere werden wie in einem Film von Tony Scott, zu dessen gelackter Mobilmachungs-Gurke „Top Gun“ (USA 1985) das Rogue Squadron in seinen unsympathischeren Momenten gewisse Parallelen aufweist, überwiegend über ihr Verhalten in Krisensituationen und nicht über ihre biographischen Hintergründe definiert. Von handelsüblichen Fliegerdramen unterscheidet sich das Rogue Squadron angenehmerweise durch die für „Star Wars“ typische Genre-Mixtur. Bevor Wedges Team Gefahr läuft, die Äquivalente zu Tom Cruises Maverick und Val Kilmers Iceman aus einer weit, weit entfernten Galaxis vor langer, langer Zeit aufzunehmen, kommen schon wieder Motive des Agenten-Thrillers oder an „Star Trek“ angelehnte Holodeck-Simulationen ins Spiel. Entgegen dem aktuell in dem Buch „Star Wars on Trial“ (Bellabooks, Dallas, 2006) verhandelten Vorwurf, im „Star Wars“-Universum würden sich keine starken Frauenfiguren finden, zeichnet sich das Rogue Squadron zudem gerade durch solche aus.
In einem Subplot kommt es außerdem zu einer ersten Annäherung zwischen Imperium und Rebellen, die Timothy Zahn in seinen Romanen „Schatten der Vergangenheit“ und „Blick in die Zukunft“ weiter ausarbeitete. Der von Respekt geprägte, aber dennoch distanzierte und vorsichtige Dialog und die anschließende Team-Arbeit mit imperialen Soldaten, die von ihren Vorgesetzten verraten wurden, erinnert an vergleichbare Joint Ventures zwischen amerikanischen und russischen Cops, Agenten und Piloten im amerikanischen Actionkino der späten 1980er Jahre, dessen Varianten der internationalen Zusammenarbeit von sehenswerten Cop-Thrillern wie Walter Hills „Red Heat“ (USA 1988) bis hin zur fliegenden Action-Gülle von „Iron Eagle 2“ (USA 1988) reichen.
Wie in den klassischen Science-Fiction-Serials bleibt am Ende des Bandes die Hintertür natürlich weit für die Wiederkehr eines semi-prominenten Schurken geöffnet. Unabhängig davon bietet „Schlachtfeld Tatooine“ jedoch auch als eigenständige Lektüre ein solides, nostalgisches Genrevergnügen ohne besondere Überraschungen.
Fazit: Eine routinierte Mischung aus Actionsequenzen, Agenten- und Abenteuergeschichte, die in ihrer an die alten Marvel-„Star Wars“-Comics erinnernden Optik auch Fans ansprechen könnte, die mit der eklektizistischen Ästhetik der Prequels und ihrer Spin-Offs nichts anfangen können. Der erfahrene Romanautor Michael A. Stackpole und das Zeichner-Team um John Nadeau verstehen das Expanded Universe nicht wie manche andere „Star Wars“-Autoren als komplexes Geflecht aus Hintergründen und epischen Enthüllungen, die ganze Rollenspiel-Sourcebooks füllen, sondern als Spielfeld für eine solide Genre-Variation, die kurzweilige Unterhaltung und eine nette Ergänzung zur populären „X-Wing“-Romanserie bietet.
Star Wars Sonderband 30: X-Wing – Rogue Squadron: Schlachtfeld Tatooine
Comic
Michael A. Stackpole, John Nadeau u. a.
Dino 2006
ISBN: 3-8332-1350-7
124 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 12,95
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