Star Wars Marvel Comics-Kollektion 78: Krieg der Kopfgeldjäger

In „Das Imperium schlägt zurück“, sammelte Kopfgeldjäger Boba Fett den in Karbonit eingefrorenen Han Solo auf Bespin ein, in „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ hing dieser in Jabbas Palast an der Wand. Dazwischen ist also nichts Nennenswertes passiert? Mitnichten! Das Comic-Mega-Cross-Over-Event „Der Krieg der Kopfgeldjäger“ erzählt von dem Ärger, den Fett auf der Reise nach Tatooine hatte. Denn Han Solo ist nicht irgendein Gefangener …

von Frank Stein

Das Comic-Event „Krieg der Kopfgeldjäger“ brachte 2021 alle vier laufenden Marvel-Comic-Reihen zusammen: „Star Wars (2020)“, „Darth Vader (2020)“, „Doktor Aphra (2020)“ und „Kopfgeldjäger“. In drei vorherigen Ausgaben der „Star Wars Marvel Comic-Kollektion“ haben wir uns den Geschehnissen bereits in mehr oder weniger lückenhaften Geschichten aus Richtung der Rebellen, der Kopfgeldjäger und Doktor Aphra genähert. Mit dem 78. Band liegt nun endlich die Hauptstory vor, die das Ganze aus der Perspektive von Boba Fett selbst erzählt. Auch wenn das einen Teil des Fazits schon vorwegnimmt: Eigentlich hätte dieser Band der erste in der Veröffentlichungsreihenfolge sein sollen. Dann wäre einiges zuvor verständlicher gewesen.

Worum es im Kern bei allem geht, zeigt sehr schön ein Bild gegen Ende der ersten Hälfte des Hardcoverbandes. Im Zentrum des 2-seitigen Panels ist der Kopf des grinsenden Han Solos zu sehen. Der schaut in Wahrheit natürlich gerade ganz anders, nämlich etwas verkrampft aus einem Block Karbonit heraus, aber man soll das eher symbolisch verstehen. Auf dem Bild ist Solo umgeben von seinen Rebellenfreunden Luke, Leia, Chewie und Lando, außerdem Vader, den Kopfgeldjägern Dengar und Valance, Jabba und den zwei unangepassten Antiheldinnen Doktor Aphra und Sana Starros. „Sie alle lieben ihn, hassen ihn, haben Schulden oder Ansprüche an ihn“, heißt es dort vielsagend.

Wobei es nur auf den ersten Blick dieser Konflikt ist, auf den es ankommt. Ja, Boba Fett ist kaum von Bespin gestartet, als er Probleme kriegt, die darin gipfeln, dass ihm Solo abhanden kommt – gestohlen von einer Verbrecherorganisation, die niemand mehr auf dem Schirm hatte, die aber hier ihre große Rückkehr feiert. Und da es bereits in drei anderen Rezensionen Thema war, spoilere ich auch kaum, wenn ich ihren Namen nenne: Crimson Dawn (bekannt aus dem Kinofilm „Solo – A Star Wars Story“). Jabba findet diesen Verlust nur bedingt gut, weswegen er Fett mit einem offenen Steckbrief alle Kopfgeldjäger-Kollegen der Galaxis auf den Hals hetzt. Auf einer großen Party, auf der Solo als Attraktion zum Verkauf angeboten wird, stößt Fett dann mit all den Parteien zusammen, die aus dem ein oder anderen Grund ein großes Interesse an Solo haben. Das Ganze endet in einem deftigen Chaos!

Viel mehr soll zum Inhalt gar nicht verraten werden. Wobei es tatsächlich auch gar nicht viel mehr zu sagen gibt. Der zentrale Sammelband des Events, der die auf Deutsch auch schon in Heftform („Star Wars #74-79“) erschienenen Original-Geschichten „War of the Bounty Hunters, Prelude: „Precious Cargo“ (Mai 2021) und „War of the Bounty Hunters #1-5“ (Juni bis Oktober 2021) enthält, setzt vor allem auf Action. Boba Fett kämpft. Gegen Gladiatoren. Gegen Zuckuss und 4-LOM. Gegen Bossk. Gegen Dengar und Valance. Gegen Rebellen. Gegen Imperiale. Und er zeigt dabei immer wieder, was für ein Ausnahmejäger er ist. Nicht falsch verstehen! Das ist von Autor Charles Soule absolut unterhaltsam inszeniert und von Steve McNiven auch hervorragend sowie von Luke Kent sehr solide gezeichnet. Von einer rasanten Achterbahnfahrt abgesehen, gibt der Teil der Story aber nicht so wahnsinnig viel her. Fett verliert Solo und hechelt ihm dann hinterher, wieder und wieder, ähnlich wie Indiana Jones dem Gegengift in der legendären Club-Obi-Wan-Intro-Sequenz des Films „Indiana Jones & der Tempel des Todes“.

Damit wären wir nochmal bei dem Punkt, dass es in „Krieg der Kopfgeldjäger“ wirklich um den „Krieg der Kopfgeldjäger“ geht. Nach all den Begleitbänden möchte ich behaupten: nein. Die ganzen Kämpfe sind nur der Action-Teil. Die eigentlich wichtige Story-Entwicklung betrifft die Rückkehr von Crimson Dawn auf der Bildfläche und ihre umfangreiche Intrige, die neben der Unterwelt auch Rebellenallianz und Imperium umfasst. Dass diese Einschätzung nicht falsch ist, wissen wir mittlerweile schon, denn 2022 und 2023 folgten mit „Crimson Reign“ und „Hidden Empire“ Folgeprojekte, die weiter Crimson Dawn im Fokus hatten und zusammen mit „Krieg der Kopfgeldjäger“ eine Art Trilogie bildeten.

Nur der Vollständigkeit sei es auch hier noch einmal erwähnt: Die Jagd auf Han Solo ist in „Krieg der Kopfgeldjäger“ übrigens nicht zum ersten Mal ausführlich zelebriert worden. Schon 1996 gab es mit „Star Wars: Shadows of the Empire“ ein ganzes Multimedia-Projekt mit Roman, Comic, Videospiel, Soundtrack-CD, Actionfiguren und mehr, das sich der Zeit zwischen „Episode V“ und „Episode IV“ widmete – und speziell der Suche nach beziehungsweise Jagd auf den in Karbonit eingefrorenen Han Solo. Auch damals spielte interessanterweise mit der Black Sun und ihrem Anführer Prinz Xizor eine neu eingeführte Verbrecherorganisation eine nicht unwichtige Rolle, damals überhaupt der Beginn einer komplexeren Unterweltstruktur im „Star Wars“-Universum. Im Vergleich kann „Krieg der Kopfgeldjäger“ (vor allem dieser Kernsammelband) nicht mithalten. Das Event damals war schon noch deutlich aufwändiger. Mit der Auslöschung des alten Expanded Universe ist jenes natürlich hinfällig geworden. Aber wer neugierig ist, wie Han Solo schon einmal alle Parteien der Galaxis auf Trab hielt, der sollte sich zumindest den Roman von Steve Perry und den Comic von John Wagner mal anschauen. Auch der Soundtrack ist hörenswert.

Das Drumherum des vorliegenden Bandes entspricht der „Star Wars Marvel Comics Kollektion“. Das Vorwort sorgt für Kontext, ohne zu viel Rückblende zu bieten. Begleitet wird der Text passend von einem Cover von „War of the Bounty Hunters #2“. Die Cover-Galerie ist gefühlt zum allerersten Mal im Rahmen der „Star Wars Marvel Comics-Kollektion“ rundum perfekt. Nicht nur wurden alle Heftausgabencover abgedruckt, es finden sich obendrein diverse Variant Cover. Insgesamt 13 ganzseitige Motive wurden abgedruckt. Hier hat sich Panini echt nicht lumpen lassen. Ein spätes Geschenk, aber ein willkommenes.

Fazit: Der Sammelband „Krieg der Kopfgeldjäger“ ist das Kernstück des größeren Comic-Cross-Over-Events gleichen Namens. Protagonist ist hier Boba Fett, der darum kämpfen muss, damit er seine Beute, den in Karbonit eingefrorenen Han Solo, erfolgreich bei Jabba abliefern kann. Action steht im Vordergrund, komplex ist die Handlung eher nicht. Unmengen an namhaften Figuren grüßen mehr oder weniger kurz von den Panels, wirkliche Tiefe erhält ihr Auftritt aber erst, wenn man die Begleit-Sammelbände auch liest. Das sollte man, ich sagte es schon an anderer Stelle, tunlichst nach der Lektüre dieses Bandes machen, weswegen es etwas ungeschickt von Panini war, diesen Band so spät in der „Star Wars Marvel Comics Kollektion“ zu bringen. Spannend ist die Rückkehr von Crimson Dawn. Wer mehr wissen will, kann direkt die entsprechenden Sonderbände einkaufen gehen, die ja bereits seit ein bis zwei Jahren existieren. Im Rahmen der „Kollektion“, die kurz vor dem Abschluss steht, wird dieses Thema nicht mehr abgeschlossen.

Star Wars Marvel Comics-Kollektion 78: Krieg der Kopfgeldjäger
Comic
Charles Soule, Luke Ross u. a.
Panini Comics 2024
ISBN: 978-3-7416-3791-9
162 S., Hardcover, deutsch
Preis: 16,99 EUR

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