Star Wars Marvel Comics-Kollektion 43: Doktor Aphra – Liebe in Zeiten des Chaos

Doktor Chelli Lona Aphra – das dunkle „Star Wars“-Pendant zu Indiana Jones – hat’s erwischt! Sie sitzt in einem imperialen Gefängnis, einem Schrottplatz mitten im All, in dem die Insassen zur Zwangsarbeit verurteilt sind und von dem es kein Entrinnen gibt. Kein Entrinnen? Für Aphra gilt: „Nichts ist unmöglich, man darf nur keine Skrupel haben.“ Und so mischt sie den Knast ordentlich auf, während sie versucht, ihren eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

von Frank Stein

Der vorliegende, 146 Seiten umfassende Hardcoverband versammelt die US-Comic-Bände „Star Wars: Doctor Aphra #20-25“, die zwischen Mai 2018 und Oktober 2018 erschienen sind und den in sich abgeschlossenen Sechsteiler mit dem im Englischen deutlich nüchterneren Titel „The Catastrophe Con“ erzählen. Auf Deutsch ist die Sammlung bei Panini bereits im Juli 2019 als Softcover- und limitierter Hardcover-Sonderband herausgekommen. Autor der Story ist erneut Simon Spurrier, gezeichnet wurde das Ganze von Kev Walker.

Die Handlung setzt zeitnah nach dem Ende von „Star Wars Marvel Comics-Kollektion 36: Doktor Aphra – Umgekehrte Vorzeichen“ ein und nimmt – vor allem das Personal betreffend – eng darauf Bezug. Es gilt also auch hier direkt, was für die vorherigen „Aphra“-Comics galt: Ein Quereinstieg ist nicht zu empfehlen. Man sollte schon vorn anfangen (also mindestens bei „Star Wars Marvel Comics-Kollektion 22: Doktor Aphra“), wenn man verstehen will, was es mit der imperialen Offizierin Magna Tolvan, der Rebellin Sana Starros, dem Kopfgeldjäger auf Rachemission Tam Posla und den psychopathischen Droiden Triple-Zero (0-0-0) sowie Beetee (BT-1) auf sich hat.

Sie alle verschlägt es, mehr oder minder, durch Aphras Einwirken zum Accresker-Gefängnis, einem riesigen Klumpen Raumschiffschrott, der von einem imperialen Kreuzer durchs All gezogen wird und als „offene“ Gefangenenkolonie dient. Die Häftlinge dort werden durch keine Zäune oder Gitter festgehalten, allerdings existieren auch keinerlei Fluchtmöglichkeiten. Unter schwersten Umweltbedingungen sind sie, im Wesentlichen bewacht von ein paar Droiden, dazu gezwungen, die Wracks auszuschlachten, die durch künstliche Gravitation zusammengehalten werden. Abwechslung gibt es hier und da, wenn ein neues Wrack – bevorzugt von der imperialen Flotte zerschossene Rebellenschiffe – aufgebracht wird. Dann müssen die Häftlinge auch mal zur Waffe greifen und den „Feind“ entern. Wer nicht spurt oder sich dabei zu weit weg von seinem Aufseherdroiden entfernt, bei dem wird der Sprengsatz im Hals ausgelöst – und Ende.

An diesem netten Ort nun sitzt Aphra, eingebuchtet von ihrer Ex-Geliebten Tolvan, einer Imperialen, mit der sie eine schwierige Vergangenheit irgendwo zwischen Liebe und Verrat verbindet. Selbstredend setzt sie alles daran, um zu fliehen – auch zum Schaden anderer, wenn es nötig ist. Mehr denn je wird Aphra dabei von Autor Simon Spurrier zur tragischen Gestalt entwickelt. Viele ihrer Handlungen sind absolut unmoralisch, aber irgendwie scheint sie es nicht wirklich böse zu meinen. Sie handelt halt bloß egoistisch und die Folgen haben für sie keine Bedeutung – meistens zumindest. Gerade gegen Ende des Comics werden die Opfer, die Aphra auch persönlich bringen muss, größer. Außerdem wird der Spiegel, den man ihr vorhält, unübersehbar. Und so scheint es, als zerbreche sie mehr und mehr an ihren eigenen Taten, an dem, was sie glaubt, tun zu müssen, nur um ihre eigene Haut zu retten. (Die ihr übrigens in anderen Momenten, wenn es etwa um die Entdeckung seltener Artefakte geht, erstaunlich egal ist.) Das wird von Spurrier wirklich eindrucksvoll inszeniert und macht gerade diesen Comic, so brutal und düster und herzzerbrechend er sein mag, für mich zum aktuellen Highlight der ohnehin schon sehr starken „Aphra“-Serie.

Das Visuelle von Walker bleibt dagegen leider zurück. Maschinen beherrscht er absolut (erneut stark: seine Interpretation von Triple-Zero), auch mit Aliens kommt er klar. Die menschliche Mimik dagegen ist nicht seine Stärke – oder formulieren wir es so: Wie er sie umsetzt – auf einen gewissen rauen, ruppigen Stil –, das gefällt mir einfach nicht sonderlich. Tolvan wirkt kantig wie ein Mann, Aphra großäuigg und zerzaust wie ein Straßenkind. Dabei haben seine Motive und auch der Seitenaufbau durchaus visuelle Kraft. Wäre ich nicht immer wieder durch den Gedanken abgelenkt worden: „Puh, die Figur sieht jetzt aber gerade wieder hässlich aus.“, dann wäre mein Urteil vermutlich noch besser ausgefallen.

Das Drumherum entspricht der „Star Wars Marvel Comics Kollektion“. Das Vorwort lässt den Vorgängerband Revue passieren, um den Einstieg in diesen hier zu erleichtern. Begleitet wird der Text von einem Cover von „Doctor Aphra #22“. Die Cover-Galerie am Ende bietet alle 6 schicken Comic-Cover von Ashley Witter im Großformat auf 6 Seiten – ein echter Hingucker! Auf schöne Variants hofft der Leser aber weiter vergeblich.

Fazit: „Liebe in Zeiten des Chaos“ setzt die „Doktor Aphra“-Reihe auf eindrucksvolle Weise fort. An einem einzige Ort versammeln sich alle Freunde und Feinde Aphras zu einem Reigen tragischer Gewalt, der Opfer von (fast) allen erfordert und Aphra emotional zu zerschmettern droht. Autor Simon Spurrier ist hier ein echtes Highlight gelungen! Die „Aphra“-Reihe ist wirklich jedem „Star Wars“-Fan zu empfehlen, der bereit ist, sich auf die dunkle Seite des Universums zu begeben. (Für jüngere Leser ist das Ganze übrigens schon seit Band 1 eher nichts; dafür sind Tod, Gewalt und amoralisches Handeln zu präsent!)

Star Wars Marvel Comics-Kollektion 43: Doktor Aphra – Liebe in Zeiten des Chaos
Comic
Simon Spurrier, Kev Walker u. a.
Panini Comics 2022
ISBN: 978-3-7416-3067-5
146 S., Hardcover, deutsch
Preis: 16,99 EUR

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