Star Wars: Labyrinth des Bösen

In Matthew Stovers Romanadaption zu „Revenge of the Sith“ sinniert der Autor an einer Stelle darüber, dass die Klonkriege nie ein epischer Kampf waren und auch keiner sein sollten. Wie sich selbst ohne Spoiler-Warnung leicht vermuten lässt, handelte es sich bei ihnen in erster Linie um einen weiteren Schachzug des Imperators auf dem Weg zu seiner unvermeidlichen Machtergreifung.

von Andreas Rauscher

 

Die Absage an die epischen Schlachten, wie sie die allseits bekannten Kämpfe zwischen dem Imperium und den Rebellen in der alten Trilogie darstellen, lässt sich jenseits der inhaltlichen Bedeutung auch als interessante formale Strategie begreifen. Die Klonkriege bilden eines der exponierten intermedialen Ereignisse im „Star Wars“-Universum. Im Gegensatz zur unmittelbaren Bedeutung der Schlachten um den Todesstern, die über das Schicksal der Galaxis entschieden, geraten die Ereignisse in den Klonkriegen in einen dramaturgischen Leerlauf und dienen in erster Linie dazu, die Jedi-Ritter über die ganze Galaxis zu verstreuen und sie auf diese Weise von den Intrigen um Darth Sidious auf Coruscant abzulenken. In den Filmen kommen die Klonkriege nur kurz vor, ihr Beginn wird am Ende von „Attack of the Clones“ gezeigt und ihr Ende finden sie im ersten Drittel von „Revenge of the Sith“. Die zahlreichen Aufträge und einzelnen Abenteuer, die von den Jedi und den Klontruppen aus den Fabriken auf Kamino bewältigt werden müssen, bieten unabhängig von ihrer dramaturgischen Bedeutung für die Filme ausgiebig Gelegenheit, um Comics, Videospiele, Romane und sogar eine eigene Zeichentrickserie in bester Cliffhanger-Serial-Tradition zu produzieren. Der zynische Hintergrund der Erschaffung der Klonarmee, der in „Revenge of the Sith“ enthüllt wird, fällt in diesem Rahmen noch nicht weiter ins Gewicht und auch die Sinnlosigkeit der Aktionen tritt hinter die Action zurück.

In Romanen wie Stovers „Shatterpoint / Mace Windu und die Armee der Klone“ werden zwar die Abgründe und Ambivalenzen dieses Krieges beleuchtet. In der mit mehreren Emmies ausgezeichneten Trickserie „Clone Wars“ und dem Ego-Shooter „Republic Commando“ geht es hingegen in erster Linie um die Schauwerte. Der „Star Wars“-erfahrene Autor James Luceno hat mit „Labyrinth of Evil“ die schwierige Aufgabe übernommen, die weit verstreuten Handlungsfäden einzusammeln und im Rahmen eines Prologs zu „Revenge of the Sith“ zusammenzuführen. Das Ende wird sowohl durch den spektakulären Auftakt der „Episode 3“, als auch durch die letzten Folgen der „Clone Wars“ vorgegeben. Natürlich erscheint angesichts eines solchen Unternehmens die Gefahr relativ groß, einen reinen Lückenfüller zu verfassen, der als Comicband besser funktioniert hätte.

Glücklicherweise war sich Luceno dieses Risikos durchaus bewusst und wählte für „Labyrinth of Evil“ eine Form, die dem zwangsweise unsicheren Ausgang der Handlung entspricht. Nach dem ganz im Stil der „Clone Wars“-Serie gehaltenen, rasanten Einstieg um Anakin und Obi-Wan begeben sich Mace Windu und ein Sicherheitsteam auf eine neue Fährte im Fall Darth Sidious, die bis in die höchsten Kreise der Republik führt. Ganz im Stil der klassischen „Hardboiled“-Literatur scheinen sie jedoch machtlos gegen die immer weitere Kreise ziehende Verschwörung der Sith zu sein. Luceno nutzt das offene Ende der Geschichte, um seiner eigenen Erzählung einen fatalistischen Unterton zu verleihen, der die sich anbahnende Katastrophe andeutet. Einer der Sicherheitsleute aus Windus Team durchschaut zwar den großen Schwindel um Darth Sidious, aber ganz wie in den düsteren Paranoia-Thrillern der 1970er Jahre bleibt diese Erkenntnis ohne Auswirkung, da er sie niemandem mehr mitteilen kann.

Der Krieg hat sich, wie Yoda an einer Stelle des Romans bemerkt, zu einem Labyrinth des Bösen entwickelt. Ausgehend von dieser Ausweglosigkeit entwirft Luceno eine Momentaufnahme des „Star Wars“-Universums, die um einiges spannender ausfällt als die eigentliche „Revenge of the Sith“-Novelization von Stover. Gerade die Übergangssituationen vor oder nach entscheidenden Wendepunkten der Handlung bieten immer wieder Ansätze für eigenständige originelle Szenarien im „Star Wars“-Universum, von Mara Jades vergeblichem Versuch, Luke in Jabbas Palast zu überwältigen, über die Begegnung eines Schmugglers mit Yoda auf Dagobah kurz vor dem Beginn von Lukes Ausbildung in „Vision of the Future“ bis hin zu den „Tales of the Bounty Hunters“, die unter anderem Boba Fetts Flucht aus dem Sarlacc schildern. „Labyrinth of Evil“ konzentriert sich auf die letzten Tage der Republik kurz vor der neuen Weltordnung des Imperiums. Jene Stimmung des Zwielichts, die Stover in blumigen Metaphern zu umschreiben versucht, findet bei Luceno in Alltäglichkeiten Ausdruck und wirkt in dieser Form umso stärker.

Ereignisse aus den Comics von Dark Horse und der „Clone Wars“-TV-Serie integriert der Autor beiläufig, ohne sie in den Mittelpunkt zu stellen oder seine eigene Geschichte davon abhängig zu machen. Den Roman hat er seinen Vorbildern Thomas Pynchon und Ian Fleming gewidmet und zeigt damit, dass er die Überwindung der Grenze zwischen Hoch- und Popkultur, die der amerikanische Literaturwissenschaftler Leslie Fiedler in den 1960er Jahren einforderte ebenso ernst nimmt wie George Lucas. Tatsächlich kombiniert „Labyrinth of Evil“ die beiden denkbar unterschiedlichen Einflüsse auf eine originelle Weise, die den Rahmen eines gewöhnlichen Merchandising-Produkts sprengt. Von Pynchon, dem seit 40 Jahren untergetauchten Großmeister des postmodernen Romans, der sich lediglich vor zwei Jahren einmal kurz für einen geheimen Auftritt als Synchronsprecher bei den „Simpson“s aus seinem selbst gewählten Exil begab, übernimmt Luceno die paranoide Grundstimmung und die verschlungenen Labyrinthe, die auf eine nicht mehr auflösbare Verschwörung verweisen. James Bond-Erfinder Ian Fleming stand hingegen deutlich Pate für die Einsätze von Obi-Wan und Anakin im Outer Rim-Territorium, bei denen sie im Unterschied zum Cartoon-Geballer der „Clone Wars“-Zeichentrickserie wie Geheimagenten taktisch und gelegentlich auch unerkannt operieren müssen.

Angenehmerweise verzichtet „Labyrinth of Evil“ auf die handelsübliche Campbellsche Heldenreise und nutzt die Ausweglosigkeit des Plots zu einem dynamischen, düsteren Spionagethriller, der mit einem vergleichsweise harmlosen McGuffin beginnt und schließlich ins Zentrum der Korruption selbst führt. Bevor jemand die wahren Hintergründe der Intrige um die Separatisten und die damit verbundenen imperialen Ermächtigungsgesetze erahnen kann, ist der vom angehenden Imperator eingefädelte „Double Cross“ auch schon perfekt.

Luceno versteht es sorgfältig auf das Tempo seiner Erzählung zu achten. Spektakuläre Action-Standardsituationen, wie eine Verfolgungsjagd im Schnee oder ein Schlagabtausch auf einem fahrenden Zug, wechseln sich mit atmosphärischen Einblicken in die Mentalität der Figuren ab. Die Gedanken der Protagonisten beschränken sich nicht auf bedeutungsschwangere Manierismen, sondern verstärken ihre Motivation so zu handeln, wie es später im Film der Fall sein wird. General Grievous wird vom lustigen, Laserschwerter mit vier Krallen schwingenden Monster zum betrogenen Erfüllungsgehilfen der New Galactic Order. Die Assoziationen Bail Organas zum politischen Alltag auf Coruscant vermitteln hingegen auf unaufdringliche Weise einen politischen Subtext, der sich im Gegensatz zu den konfusen Debatten in „The Phantom Menace“ auf ganz konkrete Vorkommnisse konzentriert. Die Beobachtungen des Senators im Alltag Coruscants über den eskalierenden Rassismus und die rigiden Sicherheitsgesetze erreichen einen Level, wie man ihn sonst in erster Linie aus dem politischen Mythen- und Metaphern-Patchwork der „Star Trek“-Serien kennt.

Dass „Star Wars“ über ein vergleichbares Potential zur allegorischen Vertiefung verfügte, war indirekt von Anfang an klar. Im Unterschied zum Episodenformat von „Star Trek“, das ständig aktuelle Issues wie Diskriminierung, diplomatische Vermittlung in Krisensituationen und die Begegnung mit dem Fremden im Alltag in den Mittelpunkt rückte, ereigneten sich diese Anspielungen im episch angelegten „Star Wars“-Universum jedoch eher am Rande und verteilten sich auf verschiedene Medien. In dem Videospiel „Knights of the Old Republic“ (2003) wird der Spieler mit den perfiden Ausgrenzungsmechanismen auf einem von den Sith eroberten Planeten konfrontiert. In den Romanen von Timothy Zahn werden die manipulativen ideologischen Strategien des Imperiums deutlich und die Psychologie der ideologisch Geblendeten auf eine Weise erkundet, die das simple Gut-Böse-Schema der klassischen Space-Opera auf den Kopf stellt.

Das bedeutet nicht, dass „Labyrinth of Evil“ explizit als politische Metapher angelegt wäre. Dennoch weiß James Luceno ziemlich genau, wann er welche Karte geschickt ausspielen muss, um sich vom Backlash der Bush-Ära und der Mobilmachung im Mainstream abzugrenzen. In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ erklärte George Lucas neulich, dass niemand aus seinem San Franciscoer Umfeld, der noch halbwegs bei Verstand ist, jemals die Republikaner unterstützen würde. Bereits in den 1970er Jahren nannte er Richard Nixon als Vorbild für den Imperator. Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen und Rückschläge bieten diese Bezüge eine ideale Grundlage für weitere Aktualisierungen. Immer wieder finden sich in „Revenge of the Sith“ Seitenhiebe auf den aggressiven Pathos und das Schwarz-Weiß-Denken der Neokonservativen. Der zukünftige Imperator wettert gegen die so genannte „Triade des Bösen“ und besteht missionarisch darauf, den eigentlich schon weitgehend entschiedenen Krieg im Outer Rim-Territorium weiter zu führen, obwohl nicht wirklich klar wird, weshalb davon die Sicherheit und Zukunft der Republik abhängen sollte. Beiläufig finden Gerüchte über die brutale Auflösung von Antikriegsdemonstrationen, Maßnahmen zur „aggressiven Friedenssicherung“ und die ständige Verschärfung der Sicherheitsgesetze Erwähnung. Im Unterschied zu „Star Trek“ stellt Luceno diese politischen Anspielungen nicht in den Vordergrund, sondern fädelt sie geschickt in das labyrinthische Geflecht seines Romans ein. Auf diese Weise entsteht eine ausgewogene Mischung aus Actionpassagen und Stimmungsbildern der „Star Wars“-Galaxis, für die in den Filmen kaum Zeit bleibt.

Fazit: „Labyrinth of Evil“ bietet nicht nur eine gute Einstimmung auf „Revenge of the Sith“, er gehört auch zu den in letzter Zeit gelungensten „Star Wars“-Romanen. Die Überleitung der Ereignisse aus den multimedial abgehandelten „Clone Wars“ in den dritten und letzten Teil der Prequel-Trilogie nutzt James Luceno auf einfallsreiche Weise als Grundlage für einen ebenso düsteren wie rasanten Spionagethriller. Die gelegentlichen, präzise lancierten Seitenhiebe gegen die Schwarz-Weiß-Malerei des neokonservativen Backlashs erinnern im positiven Sinne an „Star Trek“.


Star Wars: Labyrinth des Bösen
Film/TV-Roman
James Luceno
Blanvalet 2005
ISBN: 3-442-36226-1
352 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 10,00

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