Star Wars: Dunkler Lord – Der Aufstieg von Darth Vader

Anakin Skywalker ist tot – diese Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer durch die Galaxis, die unter der Schreckensherrschaft des neuen Imperators Palpatine erbebt. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn aus dem edlen Jedi-Ritter ist Darth Vader geworden, der mächtigste Gefolgsmann des neuen Imperators. Da erhält der Dunkle Lord die Nachricht, dass versprengte Jedi-Trupps die Vernichtung ihres Ordens überlebt haben…

von Ye Olde Jedi Master

So weit, so gut, möchte man sagen, wenn man den Klappentext des neuen „Star Wars“-Romans von Stammschreiber James Luceno liest. Doch, hoppla, da ist noch ein Nachsatz: „… – und dass sie Luke und Leia verbergen, seine Zwillingskinder…“ Wie bitte?! Das kann doch wohl nicht wahr sein! Ist es die Möglichkeit, dass James Luceno, einer der Männer, die wirklich die „Star Wars“-Saga in all ihren Facetten des Expanded Universe kennen (man muss nur einmal seine Beiträge zur Reihe „Das Erbe der Jedi-Ritter“ lesen, die gespickt sind von cleveren Verweisen), dass also dieser James Luceno einen derart unverfrorenen Kanonbruch begangen hat? Ich meine, es ist ja nicht so, dass es nicht bereits Dutzende von mosaikartig ineinandergreifenden Geschichten gäbe, die sich mit der Suche von Darth Vader nach dem machtbegabten Piloten, der den Todesstern zerstört hat, beschäftigen würden, wie auch der damit einhergehenden, schrittweisen Entdeckung von Luke Skywalker, seinem Sohn. Schön und gut, wenn sich George Lucas selbst immer mal wieder über scheinbare Wahrheiten des „Star Wars“-Universums hinwegsetzt (Stichwort „Midichlorianer“), aber Luceno?

Mit diesem gepfefferten Vorurteil habe ich also den neuen, jüngst bei Blanvalet erschienen Roman zu lesen begonnen. 336 Seiten habe ich darauf gewartet, dass der Dunkle Lord schon jetzt, just nach dem Aufstieg des Imperiums, die ganze Geschichte seiner Familie erfährt (und mich dabei gefragt, wie Luceno das wieder hinbiegen will… Gedächtnislöschung?). In der ersten Hälfte schien mir die Gefahr noch recht gering – Enthüllungen dieser Art finden sich ja normalerweise erst gegen Ende. Und so las ich noch recht entspannt über den Jedi-Meister Roan Shryne, der das Glück hat, der Kumpel eines Republic-Commando-Teams zu sein, das nicht ganz so blind Befehle befolgt wie alle anderen Klone und dem Jedi, seiner Kollegin Chatak und deren Padawan Olee Starstone auf Murkhana aus persönlicher Verbundenheit die Möglichkeit zur Flucht gewährt. Ein bisschen verwirrt, dass Darth Vader, der doch in bedrohlicher Pose das Cover schmückt, in diesem ersten Teil des Buches (immerhin 50 Seiten) keine Rolle spielt. Es geht nur um die Flucht der Jedi und wie sie letztlich doch gefasst werden. Zweiter Akt.

Endlich tritt Vader in Erscheinung. Doch auch in diesem zweiten Teil (nochmal 50 Seiten) fällt er vor allem durch Zweierlei auf: Er ist zum einen in die Rolle des unbekannten Bösen gedrängt („Vader? Wer ist Vader?“, fragt sich nicht nur Twi’lek-Hehler Garrulan.), der Fokus liegt nach wie vor bei den Jedi, einem unbekannten Trio, das einen doch gar nicht wirklich interessiert, wenn man einen „Schlüsselroman“ über den Dunklen Lord zu lesen erwartet. Irritierend zudem, dass auch in Jude Watsons parallel erscheinender „Der letzte Jedi“-Jugendromanreihe ein Roan eine prominentere Rolle spielt. Zum anderen fällt Vader durch seine bemerkenswerte Weinerlichkeit auf, na gut, nennen wir es brütende Introspektion. Er jammert über seinen unpraktischen Anzug, in dem er sich wie lebendig begraben fühlt, und hängt seiner Vergangenheit als Anakin Skywalker nach. Wollen wir den vielleicht eindrucksvollsten Bösewicht, den die Science-Fiction jemals hervorgebracht hat, wirklich so privat erleben? Ich weiß ja nicht…

Ab Seite 110 wird es besser. Mit Teil drei kommen wir ins Imperiale Zentrum und der Einsatz erhöht sich langsam. Während Shryne und Co, von einer Bande Schmugglern aus dem Griff des Imperiums errettet, überlegen, wie sie mit den geänderten Verhältnissen in der Galaxis umgehen sollen, und Darth Vader sich mit Palpatine auf Coruscant den Beginn eines Katz-und-Mausspiels liefert, das bis zur Schlacht um Endor viele Jahre später andauern soll, hat Bail Organa auf Alderaan gleich drei Probleme auf einmal: Er hat die Tochter von Anakin Skywalker adoptiert, ein geflohener Senator logiert unter dem Dach seines Palasts und vor seiner Tür protestieren die Menschen gegen das Imperium. Und dann tritt auch noch der neue, schwarz gewandete Häscher des Imperators auf den Plan – und ein paar dreiste Schurken treiben in seinem Palast ihr Unwesen. Kein besonders ruhiger Tag für den König von Alderaan, aber Vader erhält seinen ersten richtig guten Auftritt.

Teil vier, Kashyyyk, Seite 238. Langsam werde ich nervös. Jetzt muss er eigentlich bald kommen, der inhaltliche Lapsus, der einem alten Fan des Expanded Universe und der Super-Continuity des „Star Wars“-Franchises die Tränen in die Augen treibt. Doch stattdessen reibt man sich vielmehr verwundert selbige Augen und kann sie kaum noch von den Seiten lösen. Das ist gut, das ist richtig gut, was Luceno da bietet. Die Schlacht um Kashyyyk, die wir alle in „Episode III“ so vermisst haben, hier wird sie aller gebotenen Action und Dramatik heraufbeschworen. Okay, es ist natürlich nicht die Schlacht um Kashyyyk, die gegen Ende der Klonkriege ausgefochten wurde – geht ja chronologisch gar nicht. Aber ein adäquater Ersatz und nett begründet in der Anfrage eines uns nicht unbekannten Mufti nach Arbeitskräften für ein „Geheimprojekt“.

Hier endlich entfaltet die Figur Darth Vader ihr volles Potenzial. Endlich akzeptiert der Bursche seine Rolle als Diener der Dunklen Seite der Macht und sofort wird er zu einer eindrucksvollen Gestalt überhöht, die wir erwarten, wenn wir das röchelnde Atmen hinter unserem Rücken vernehmen. Und das Wunder geschieht… Der Roman endet – und Vader hat absolut aber auch nicht das Geringste über irgendwelche Kinder, die er haben könnte, erfahren. Verdammt, war ich froh. James, du hast mich doch nicht enttäuscht! Und was lernen wir aus der ganzen Angelegenheit? Glaube bloß nicht, was auf dem Klappentext eines Buchumschlags geschrieben steht! (Hier habt ihr euch nicht mit Ruhm bekleckert, ihr kreativen Menschen bei Blanvalet – egal, wer diesen Text verfasst hat. Wobei, ich sehe es gerade, bereits in der US-amerikanischen Originalausgabe war ein etwas übereifriger Redakteur zugange…)

Fazit: Regel Nummer 1: Glaubt nicht dem Klappentext. Vader kümmert sich einen Scheiß um Kinder, die er gar nicht kennt. Sein Problem sind die letzten Jedi, die in der Galaxis umherstreifen. So. Nachdem das geklärt wäre, muss ich ganz ehrlich gestehen, dass James Luceno mit „Dunkler Lord – Der Aufstieg des Darth Vader“ ein durchaus spannender Roman gelungen ist. Am Anfang hat die Geschichte noch ein wenig Anfahrschwierigkeiten, aber im Laufe der Seiten wird sie besser und besser. Zunehmend kunstvoll schlüpft Luceno in erzählerische Lücken des bisherigen Kanons und füllt diese aus und nicht weniger kunstvoll weiß er Action und Dramatik zu erzeugen. Nur die Protagonisten bleiben ein bissl blaß, aber was soll’s, es geht ja sowieso um den Antagonisten: Darth Vader!


Dunkler Lord - Der Aufstieg von Darth Vader
Film/TV-Roman
James Luceno
Blanvalet 2006
ISBN: 3-442-36609-7
336 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 12,00

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