Star Wars – Die kompletten Comicstrips (Band 1)

Ende der 1970er war „Star Wars“ noch jung und unschuldig. Es gab einen Film, einen Roman dazu, eine Fortsetzung, ein paar Marvel-Comics und einen Schwung Merchandise-Produkte – das war's. Kein Vergleich zu heute. In dieser Zeit entschloss sich das L. A. Times Syndicate, „Star Wars“ in der Zeitung zu bringen, je 2 bis 3 Comic-Panels täglich. Heute unvorstellbar, dass man so Comics genießen konnte. Umso erfreulicher, dass es sie nun als Sammelbände gibt.

von Bernd Perplies

Der Gedanke mag für jüngere Fans kaum zu ertragen sein. 2 bis 3 schwarz-weiße Panels einer fortlaufenden Geschichte bekamen die Leser damals Tag für Tag in der Los Angeles Times geboten. In der Wochenendausgabe waren es immerhin 6 bis 7 Panels in Farbe. Trotzdem dauerte es mitunter Wochen, bis ein Abenteuer komplett war. Ein furchtbar fragmentiertes Erleben, auch wenn das launige Vorwort des vorliegenden Bandes das als „tägliche Dosis Star Wars“ feiert, nach der die Fans damals geradezu gierten. Angesichts der Tatsache, dass es ansonsten nicht viel zu lesen gab – zwei Romane in drei Jahren und ein Marvel-Heftchen pro Monat –, mag das sogar stimmen. Wie viel besser geht es uns da heute. Obwohl … immerhin konnte man damals noch alles erfahren und genießen, das mit „Star Wars“ zu tun hatte. Heute kommt man ja bei all den multimedialen Neuerscheinungen kaum noch hinterher. Aber ich schweife ab.

Nun sind also die Zeitungs-Comics, die (zumindest in diesem ersten Band) federführend von Russ Manning verantwortet wurden, in einem schicken Hardcover-Sammelband erschienen, zwei weitere sollen noch folgen. Das ist gleich doppelt erfreulich. Sammler erhalten so die Gelegenheit, diese sonst heutzutage nur schwer zugänglichen Geschichten im würdigen Format in ihr Bücherregal zu stellen. Fans dagegen, vor allem ältere Semester, freuen sich über diese Abenteuer aus der Frühzeit von „Star Wars“, diese „klassische Ära“, als das Expanded Universe noch in den Kinderschuhen steckte und alle Macher, von Marvel über Brian Daley mit seinen „Han Solo“-Romanen bis eben Russ Manning noch in ein weitgehend leeres Universum hineinfabulierten, in dem alles möglich schien.

Entsprechend sind die zehn Comics erzählt, die ursprünglich zwischen dem 12. März 1979 und dem 5. Oktober 1980 erschienen sind. Wir befinden uns in der Zeit nach der Zerstörung des Ersten Todessterns und die Rebellion erlebt die wildesten Abenteuer im Kampf gegen das Imperium. Mal begeben sich Luke und Leia mit den Droiden C-3PO und R2-D2 auf eine galaktische Spielwelt, um dem Imperium diesen Geldhahn zuzudrehen. Dann wiederum versuchen Luke und Han, eine Widerstandskämpferin zu ihrer Heimatwelt zu bringen, damit diese den Kampf gegen das drohende Imperium anführt. Chewbacca und Han besuchen die Wookiee-Heimat Kashyyyk und dringen in die Tiefen des Waldes vor, wo sie über eine imperiale Expedition stolpern. Und Luke kehrt mit den Droiden nach Tatooine zurück, um eine Intrige des Imperiums aufzudecken, das die geheimen Stützpunkte der Rebellion sucht und zerstört.

Das alles sind kleine, in sich abgeschlossene Einzelabenteuer. Die Figuren bekommen kaum psychologische Tiefe, die Logik (etwa dieser Seuche auf Tatooine) ist nicht immer ganz nachvollziehbar, und manche Geschichte wirkt am Ende auch nicht ganz fertig erzählt. Gemessen an heutigen Erzählstandards können die Comics kaum mithalten. Das gilt gewissermaßen auch für die Optik. Russ Manning pflegt zwar einen schönen, klaren Strich, aber zum Beispiel die Gesichter der Figuren sind kaum eindeutig als Luke, Han und Leia zu erkennen. Natürlich machen die Kleidung (Luke trägt bevorzugt sein Feuchtfarmer-Outfit) oder die Haare (vor allem natürlich Leias Haarschnecken) eine Identifizierung leicht, aber schaut man nur auf auf die Gesichter, könnten da auch Sigurd, Tarzan oder andere Recken alter Zeitungs-Comics durchs All fliegen. Die typische Harrison-Ford-Mimik etwa fehlt bei Han völlig. Und auch die Maschinen, egal ob Sternenzerstörer, Tie-Jäger oder von Manning erfundener Rebellenkreuzer wirken eher schlicht bis verzerrt in ihrer Umsetzung.

Etwas eigenwillig, aber natürlich der ursprünglichen Erscheinungsweise in Zeitungen geschuldet, ist der Umstand, dass alle paar Seiten ein großes „Star Wars“-Logo vor den Panels prangt. Das betrifft vor allem die farbigen Wochenendausgaben. Hier werden auch häufig Panels der letzten Woche wiederholt, so als wollte man auch die Leser auf Stand bringen, die nur sonntags zu einer Zeitung greifen. Entsprechend fehlt dann an dieser Stelle der Platz, um die eigentliche Handlung nennenswert voranzutreiben. Für Zeitungsleser mag dieses „Was bisher geschah“ nicht so augenfällig gewesen sein, liest man die Comics in einem Rutsch wie hier, holpert der Lesefluss durchaus spürbar. Da muss man drüber hinwegsehen können. In heutigen Comics kennt man so etwas zum Glück nicht mehr.

Aber man darf und sollte bei der Bewertung dieses Werks auch nicht auf Vergleiche setzen. Denn das verkennt den eigentlichen Wert. Als Schaufenster in eine „Star Wars“-Zeit, die mittlerweile mehr als vier Jahrzehnte zurückliegt, funktioniert der Sammelband nämlich schlicht hervorragend. Und es liegt auch ein unbestreitbarer Reiz in diesen naiveren, auf Exotik und Action setzenden Geschichten, die noch völlig ohne EU-Ballast, Kanon und Selbstreferenzen auskommen. Witzig dabei sind für den Kenner oft die Kleinigkeiten, etwa wenn Manning Fakten schaffen will, die heute völlig überholt sind. So erzählt C-3PO beispielsweise, er wäre mehrere hundert Jahre alt. Lukes Vater erhielt den Namen Tan Skywalker (Tan wurde später zu einem Titel für Veteranenpiloten korrigiert). Und es wurde ein absolut schräger Kalender eingeführt, der später nie wieder eine Rolle spielen sollte. Solche Momente lassen einen schmunzeln, wenn man ihnen begegnet. Es gibt aber auch positive Überraschungen, wenn einem etwa in einer Story aus dem Juni 1980, keine vier Wochen nach dem Kino-Release von „The Empire Strikes Back“, Boba Fett plötzlich begegnet, hier noch als klassischer Bösewicht, der – unter anderem – Han Solo auf der Spur ist. Da sieht man, wie eng am Puls des Franchises Manning mit seinen Comics war.

Als Bonusmaterial ist den Comics ein Artikel über das Projekt der Zeitungs-Comics sowie ein Porträt von Russ Manning vorangestellt. Beide sind sehr interessant zu lesen und verleihen dem Folgenden den nötigen historischen Rahmen, um sich ganz auf diesen Ausflug in die Jahre 1979 und 1980 einlassen zu können. Vorbildlich!

Fazit: Wer moderne, psychologisch ausgefeilte und eindrucksvoll gezeichnete Comics sucht – der ist hier fehl am Platze. „Star Wars – Die kompletten Comicstrips (Band 1)“ ist ein nostalgischer Trip in die Frühzeit von „Star Wars“, in der das Franchise noch einfacher war, aber in der umso hemmungsloser und ideenreicher fabuliert wurde. Russ Manning nimmt uns mit auf actionreiche Abenteuer von Luke, Leia, Han, Chewie, D-3PO und R2-D2. Das macht großen Spaß zu lesen, wenn man sich des historischen Kontexts bewusst ist. In Band 2 betreten dann zwei weitere Urgesteine des „Star Wars“-Comics, Archie Goodwin und Al Williamson, das Parkett. Man darf gespannt sein.

Star Wars – Die kompletten Comicstrips (Band 1)
Comic
Russ Manning, Alfredo Alcala u. a.
Panini Comics 2021
ISBN: 978-3-7416-2525-1
272 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 49,00

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