von Christian Humberg
Noch einmal stürmt
Der Abgesang auf Ikonen der Popkultur kann mitunter ganz schön lange dauern. War Captain James Tiberius Kirk eigentlich schon 1997 im Kinofilm „Star Trek: Treffen der Generationen“ heroisch verstorben, brachte ihn Darsteller William Shatner schon kurz danach wieder ins Reich der Lebenden zurück – nämlich in Romanform. Seit dem immens erfolgreichen Erstling „Die Asche von Eden“ sind einige Jahre vergangen, in denen sich der kanadische Mime, unterstützt (ähem) von den „Star Trek“-Buchgrößen Judy und Garfield Reeves-Stevens, auf die belletristische Fortschreibung des Lebens seines wackeren Raumschiffkapitäns konzentrierte. Drei Trilogien sind es geworden, die das ungleiche Trio vorgelegt hat, und sie alle handeln vom wiederbelebten und durchaus agilen Kirk, der als rüstiger Rentner durchs All schippert, alte und neue Freunde trifft und der guten alten Föderation so manches Mal den Allerwertesten rettet. Also alles wie gehabt.
Es spricht für die wirklich beachtliche Zugkraft von Shatners Romanen, dass sie – im Gegensatz zu den vielen anderen monatlich in den USA erscheinenden „Star Trek“-Büchern – regelmäßig auch in Deutschland erscheinen. Obwohl sich der deutsche Lizenznehmer Heyne seit der Übernahme durch Random House doch eher bedeckt hält, was die Veröffentlichung der Trekliteratur betrifft. Es ist wirklich traurig, wie viele gute und verdiente US-Autoren dem deutschen Publikum nach wie vor vorenthalten bleiben! Ohne den Namen des bekannten Darstellers auf dem Cover und dem Autorenfoto auf dem Buchrücken – übrigens ein Bonus, den Heyne im Bereich „Star Trek“-Taschenbuch nur Shatner gewährt – wären auch diese Romane sicher nicht auf Deutsch erschienen. Und das wäre sehr schade.
The Search For Spock
Wieder mal ist der spitzohrige Vulkanier an allem schuld. Denn wie wir aus dem vorigen Band dieser Reihe wissen, dem nicht minder guten „Sternennacht“ (Originaltitel: „Captain’s Blood“), verschwand der ehemalige Weggefährte Kirks in der Totalität, einer galaktischen Bedrohung aus den Tagen der Classic-Serie, und wird seitdem für tot gehalten. Doch Kirk glaubt nicht daran, dass sein alter Freund wirklich nicht mehr existiert. Nacht für Nacht suchen ihn Träume heim, in denen der alte Captain Hinweise auf den Verbleib Spocks vermutet.
Doch auch seine Tage sind aufschlussreich. Von Admiral Janeway mit einem kleinen Schiff ausgestattet, schippert Kirk mit Sohnemann Joseph und den anderen beiden Relikten aus seiner Generation, Pille McCoy und Scotty, durchs All. Als Bezahlung für ihr Schiff übernimmt diese interstellare Männer-WG Gelegenheitsjobs – meist Aufträge von der Sorte, die Starfleet offiziell nie durchführen würde. Aktuell gehen sie der Frage nach, warum der Warpantrieb der meisten Starfleet-Schiffe plötzlich Probleme macht. Bei ihren Ermittlungen stoßen sie erneut auf die Totalität und einen alten Bekannten…
Jack Bauer in Space
Kirk kann alles. Diese Regel muss man schlucken, wenn man an den Shatnerverse-Romanen Gefallen finden möchte. Doch fällt das erstaunlich leicht, denn die Bücher sind a) sehr gut recherchiert und b) mörderspannend. Den Reeves-Stevenses merkt man auf wirklich jeder Seite ihr immenses Trekwissen an, auch „Sternenflucht“ quillt fast über vor Querverweisen und Team-Ups, die jedem auf Chronologie und Intertextualität setzenden Fan die Freudentränen in die Augen treiben: Kirks alte Tage, Picards Enterprise-E (mit Worf als erstem Offizier? Was wurde denn bitte aus Madden?), die U.S.S. Titan der Familie Riker (in den USA längst mit eigener, sehr erfolgreichen Romanserie unterwegs), Captain Archer… sie alle spielen mal mehr, mal weniger direkt in die Handlung von „Sternenfluchten“ ein und machen den Roman zu einem wahren Fanfest. Der Plot ist sehr dicht und durchgehend spannend, der Schreibstil so knackig und fettfrei, wie man es von den Büchern dieser Serie gewohnt ist. Die Reeves-Stevenses haben sich für die Shatnerverse-Bücher eine wirklich eigene Stimme erarbeitet, die sich auch vom Stil ihrer sonstigen, unter eigenem Namen publizierten Romane absetzt. Wer „Shatner“ liest, bekommt anständig was an Action, angenehme Melancholie und eine Story geboten, die sich sicher und versiert durch die immens umfangreiche Historie des „Star Trek“-Universums bewegt.
Fazit: Glaubt man dem Internetbuzz, dann war’s das. Dann endet die Shatnerverse-Buchreihe mit diesem, ihrem neunten Band. Das liegt nicht an den Verkaufszahlen (die sind in Deutschland wie in USA beachtlich), sondern an Danny Crane, dem von William Shatner in „Boston Legal“ verkörperten Anwalt mit BSE. Der Kirk-Mime erlebt beruflich derzeit seinen dritten Frühling und ist so angesagt und gefragt, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Klar, dass diese Situation wenig Zeit für Trek-Romane lässt. (Gut: Ebenso klar ist, dass er die ohnehin nicht selbst geschrieben hat, aber lassen wir das.) „Sternenfluchten“ ist ein gutes Ende, wenn es denn eines ist. Der Roman ist spannend, emotional und… naja, faszinierend eben. Den Autoren gelingt es abermals, aus ihrem immensen Fachwissen zu schöpfen und eine Geschichte zu erzählen, die – obwohl nicht zur offiziellen Chronologie der Trek-Romane zählend – vor Querverweisen und Cameos nur so strotzt. Und die Lust auf mehr macht, noch mehr. Gut zu wissen, dass Shatner bereits für zwei neue Trek-Romane unterschrieben hat. Die werden die laufende Handlung aber nicht fortsetzen, sondern von Kirks Tagen an der Starfleet Academy berichten. Passenderweise also von der Episode seines Lebens, von der auch J. J. Abrams kommender Kinofilm erzählen soll. Man muss ja mit der Zeit gehen.
Sternenfluchten
Film/Serien-Roman
William Shatner
Heyne 2007
ISBN: 3453521080
350 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 7,95
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