Splitterdämmerung 1: Schleiertanz

Das Dämonenreich Oron ist vernichtet, und es herrscht Frieden in Aranien. Doch hinter dem Schleier lebt das untergegangene Moghulat weiter: Verderbte Diener Orons huldigen der Erzdämonin Belkelel in blutigen Riten. Die Helden müssen nach lange verschollenen Spuren suchen, die das vergangene Reich hinterlassen hat. Dabei gilt es Verlockungen zu widerstehen und das Rätsel des berüchtigten Magiergrafen von Edas zu lüften. Es ist ihre Aufgabe, zu verhindern, dass der Schatten Orons sich ein zweites Mal wie ein blutiger Schleier über Aranien legt.

von Ansgar Imme

Vor fast 20 Jahren startete im „Das Schwarze Auge“-Universum eine Kampagne, die später zu einer der bekanntesten Kampagnen nicht nur bei „DSA“, sondern generell im deutschen Rollenspielbereich werden sollte – die „Borbarad Kampagne“. Im Zuge der Kampagne wurden einige Gegenden wesentlich umgestaltet und bildeten für längere Zeit die sogenannten „Schwarzen Lande“, die Spielern vor allem Horrorelemente unterschiedlicher Art präsentierten und das Spielen dort ermöglichten. Der Ulisses Verlag startet mit diesem Abenteuer den Zyklus der „Splitterdämmerung“, in dem in verschiedenen Abenteuern, die nur durch das übergeordnete Thema zusammenhängen, die Schwarzen Lande nach und nach zurückgehen. Die namensgebenden Splitter der Dämonenkrone werden den Händen der Heptarchen entrissen, und ihr weiteres Schicksal wird behandelt.

Die beiden Autoren des Startbandes (nur kurz vor „Bahamuths Ruf“, dem nächsten Teil des „Splitterdämmerung“-Zyklus, erschienen) sind keine Unbekannten: Alex Spohr hat seit 2007 an verschiedenen Regelwerken und Themenbänden zu Aventurien und Myranor mitgewirkt. Er hat Anthologie-Abenteuer geschrieben und ist mittlerweile Teil der „DSA“-Redaktion in Waldems. Marc Jenneßen konnte bereits seit 2008 durch ein Anthologie-Abenteuer, danach durch Beiträge zum „Aventurischen Boten“ sowie zu Themenbänden und der „Dunkle Zeiten“-Box auf sich aufmerksam machen, ehe mit dem „Myranor“-Abenteuer „Knochenblei und Schwarzes Blut“ seine erst eigene Veröffentlichung erschien.

Handlungsüberblick

Mit „Schleiertanz“ erwartet den Spielleiter kein eigenes, klar strukturiertes Abenteuer, sondern umfassendes Material für eine kleine Kampagne in Aranien. Diese behandelt letztlich die Hintergründe um einen Teil des sogenannten Frevlergewandes der Erzdämonen. Ähnlich wie schon bei Abenteuern wie „Von eigenen Gnaden“ gibt es große Freiheiten in der Gestaltung und im Ablauf. Nur wichtige Hauptereignisse, zu denen es kommen sollte, beziehungsweise Informationen, die die Helden und Spieler erhalten sollten, werden vorgegeben. So können einzelne Teilabenteuer auch in unterschiedlicher Reihenfolge stattfinden oder entfallen, je nachdem wie es zur eigenen Spielrunde passt. Der Band gliedert sich nach einem längeren Einstieg in drei größere Teilabenteuer und mehrere Szenarien sowie einen abschließenden Epilog. Die beiden Autoren bieten dazu umfassende Texte zu Personen, Orten und Gegenständen sowie etliche Karten, die den Spielleiter im Abenteuer unterstützen sollen.

Das Einstiegsszenario „Der Tanz beginnt“ führt die Helden in die Hauptstadt Araniens: Zorgan. Dort werden sie Zeuge eines Anschlags auf den Rahjatempel und können die Zerstörung durch verirrte Sektierer der Ilaristen verhindern oder begrenzen. Die ehemalige Herrscherin Araniens und heutige Vorsteherin des Handelshauses Mada Basari macht ihnen dafür eine Villa zum Geschenk, die vor Jahrhunderten dem Magiergrafen Donation von Edas gehörte. Hier können sie eine Entdeckung machen, die zu weiteren Nachforschungen hinsichtlich des Geheimnisses eines mysteriösen Bildes führt.

Die beiden nächsten Abschnitte und Teilabenteuer können zu Nachforschungen „Im wilden Yalaiad“ führen oder zu einem Besuch „Im Schatten der Weißen Stadt“ Elburum. Die beiden Abenteuer können flexibel in der Reihenfolge gestaltet werden, je nachdem was die Helden im Einstieg herausgefunden und wen sie kennengelernt haben und welchen Spuren sie jetzt folgen wollen. Führt der Weg sie zunächst in den zerrütteten Landstrich des Yalailads, können sie mehr über Gelüste und Geheimnisse des Belkelel-Kultes herausfinden und Indizien für die große Schleierverschwörung entdecken, in die eine Hexe und ein Herrscher verwickelt sind, denen sie schließlich ein Artefakt des Magiergrafen von Edas entreißen können. „Im Schatten der Weißen Stadt“ hingegen bekommen es die Helden gleich mit mehreren Mächtegruppen zu tun, die in Elburum auch nach den Hinterlassenschaften des Magiergrafen suchen und sogar verhindern wollen, dass diese jemand anders in die Hände bekommt. Hier gilt es herauszufinden, welchen der Gruppen getraut werden kann. Im Pfauenpalast, der Residenz der Sultana der Stadt, können sie schließlich eine geheime Kammer mit Hinweisen auf einen längst vergangenen Ort entdecken sowie ein göttliches Artefakt als Schutz gegen dämonische Mächte erringen.

Zwischen den beiden obigen Abenteuern und vor dem letzten Teilabenteuer (siehe unten) sind zudem weitere Kurzabenteuer eingearbeitet, bei denen die Helden weiteren Hinweisen nachgehen und Spuren entdecken können, die aber nicht unbedingt für den Verlauf der Handlung entscheidend sind.

Mit dem letzten größeren Teilabenteuer, wenn die Helden vermeintlich alle Rätsel gelöst und Hinweise gefunden haben, werden die Helden in die „Ruinen von Yerkesh“ gelockt. Sie werden eine oder mehrere der Hinterlassenschaften Donations erbeutet haben und können allein oder mit Hilfe einer der anderen Parteien den Ort des Geheimnisses des Magiergrafen finden. Schnell müssen sie feststellen, dass der gesuchte Ort heute nicht mehr an dieser Stelle ist und nur durch einen Dämonen im wahrsten Sinne des Wortes an die Oberfläche gebracht werden kann. Hier beginnt schließlich der Kampf um ein mächtiges erzdämonisches Artefakt, deren Macht selbst die Helden widerstehen müssen oder verführt werden. Ein letztes Szenario bietet die Möglichkeit, offene Fäden zu schließen oder Antagonisten auszuschalten.

Kritik: Aufmachung, Layout, Inhalt

Das Gesamtpaket ist sehr, sehr lobenswert: ein tolles Cover, zwei komplett neu gestaltete Farbkarten (!) im vorderen (Elburum) und hinteren Einband (Zorgan), dazu weitere Stadt- und Regionskarten sowie ein umfangreicher Anhang mit Nichtspielercharakteren, eine ausführliche Namensliste zu unwichtigen Nebenpersonen und vieles mehr. Die Illustrationen sind im genau ausreichenden Maße vorhanden und von hoher Qualität, allerdings waren entweder die Vorlagen bereits zu dunkel, oder die Druckerei hat nicht optimal gearbeitet, da fast alle Bilder zwischen einem dunklen Grau und Schwarz schwanken.

Der Band hält sich trotz des eher freieren Spielstiles an den klassischen „DSA“-Aufbau. Die grundsätzliche Struktur ist sogar sehr übersichtlich, die Einzelabenteuer klar voneinander abgetrennt. Die umfangreiche Einleitung informiert über Vergangenheit und Hintergründe, was vor dem Beginn des Abenteuers passierte und welche mögliche Verläufe die Kampagne/das Großabenteuer nehmen kann. Dabei wird auch ausführlich auf passende Helden und deren Herkunft eingegangen. Positiv hervorzuheben ist auch die fast sieben Seite lange Beschreibung zum Magiergrafen von Edas und seinen damaligen Plänen, die auch das Erkennen und Lösen seiner Rätselkette beinhaltet. Leider hakt die Rätselkette an manchen Stellen, sodass der Spielleiter noch stark nacharbeiten und sich Gedanken machen muss (der Rezensent fühlte sich ein wenig an das alte Abenteuer „Bastrabuns Bann“ aus der „Borbarad“-Kampagne erinnert). Eine Rätselkette sollte dem Begriff nach von einem Rätsel zum nächsten führen. Hinweise sind hier mehr durch Recherche und weniger durch eigenes Rätseln zu finden, zwei Teile der Rätselkette mehr durch Zufall oder mit Hilfe des Spielleiters zu lösen.

Die einzelnen Abenteuer führen an unterschiedliche Orte und bieten mit Stadt, Wildnis und klassischen Dungeons viel Abwechslung. Der Ablauf ist meistens sehr offen gehalten, der rote Faden gibt eine gewisse Richtung vor, die aber über verschiedene Wege erreicht werden kann. Eine Gängelung der Spieler nur in eine Richtung ist fast nie zu erkennen. Das macht es für den Spielleiter sicherlich nicht einfach, allerdings werden diesem immer wieder Hinweise gegeben, was wichtige Szenen sind, was passieren könnte und wohin es führen kann. Jedes Abenteuer enthält am Ende eine Zusammenfassung, was die Helden (und Spieler) am Ende jedes Abschnitts wissen sollten oder erfahren haben könnten. Zudem kann der Spielleiter auch über fast alle Antagonisten sehr frei verfügen und muss für späteres Spielen in Aranien nicht alle überleben lassen. Speziell in Malqis ist die Freiheit in der Gestaltung des Abenteuers, der Umgang mit Nichtspielercharakteren und mögliche Konsequenzen derart hoch, dass der Spielleiter seiner Laune freien Lauf lassen kann. Dort lassen sich etliche Spielstunden verbringen.

Der Einbau der gegnerischen Parteien und deren Wissen sowie mögliche Bündnisse zwischendurch und zum Ende des Abenteuers lassen unterschiedlichste Spielabläufe zu und ermöglichen es den Helden zudem, an noch nicht vorhandene Hinweise zu gelangen. Aber auch hier erfordert es vom Spielleiter eine gehörige Arbeit, dies angemessen einzubauen und realistische Aktionen und Reaktionen darzustellen. Es ist daher empfehlenswert, den Band wirklich wie eine Kampagne zu spielen und die einzelnen Passagen mit noch mehr Inhalt zu füllen, was vom Spielleiter zusätzlich einiges an Arbeit verlangt. Gerade die Beziehungen der Helden zu den verschiedenen Parteien und Nichtspielercharakteren sollte gut verfolgt und beachtet werden, da unterschiedlichste Bündnisse möglich sind und auch wieder gelöst werden können.

Neben der schon erwähnten Rätselkette gibt es einige Stellen, die etwas konstruiert wirken (Verhalten Sybias und Übergabe des Hauses, Situation im Heerlager), aber im Großen und Ganzen wirkt der Band recht „rund“. Kämpfe können umgegangen oder ausführlich ausgelebt werden. Auch die Werte und Sonderfertigkeiten wirken realistisch und ordentlich berechnet.

Fazit: Ein umfassender Auftakt für Abenteuer im lange vernachlässigten Aranien, der durch den zweiten Band sicherlich noch intensiver wird. Mit Ausnahme von Kleinigkeiten liegen etliche Stunden freies Spiel vor den Spielern, die ihnen unzählige Optionen offen lassen. Einzig der Spielleiter wird noch etwas Zeit investieren müssen. Für 25 Euro erhält man einen sehr umfangreichen Band mit tollen Farbkarten, sehr gut ausgearbeiteten Nichtspielercharakteren und vielen tollen Ideen, die für spannende Spielabende sorgen werden!


Schleiertanz (DSA-Abenteuer Nr. 187)
Abenteuerband
Alex Spohr, Marc Jenneßen
Ulisses Spiele 2012
ISBN: 3940424181
174 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 25,00

bei amazon.de bestellen