Shadowrun 66: Gefallene Engel – Die Kellan-Colt-Trilogie

Kellan Colt zieht es in die große Stadt, weg von Kansas City, ihrer ständig besoffenen Tante und den schlecht bezahlten Jobs als Kellnerin, hin zu dem coolen Leben als Shadowrunner. Ein geheimnisvolles Päckchen, dessen Inhalt angeblich ihrer Mutter gehörte, ermöglicht ihr den Trip nach Seattle. Seattle ist das Zentrum für die Shadowrunner Nordamerikas – die naive Kellan Colt weiß zumindest das. Eine Menge weitere lehrreiche Lektionen über das Leben als Runnerin bietet der vorliegende Sammelband.

von Samurai Soloman

 

Kaum ist Kellan Colt im Runnermekka Seattle angekommen, trifft sie nicht nur ein paar nette Chummer, die sie mit auf einen Run nehmen, sondern sie entdeckt auch ihr magisches Talent und findet in dem Trollmagier Lothan einen Mentor. Ihren Werdegang von der blutigen Anfängerin zu einer mehr oder minder erfahrenen Shadowrunnerin kann man in dem drei Romane umfassenden Sammelband „Gefallene Engel“ verfolgen.

Gleichzeitig erfährt man hier alles, was nötig ist, um sich zumindest grob im Universum von „Shadowrun“ zurechtzufinden. Das gesamte Konzept der Trilogie spricht vor allem unerfahrene Neulinge an, die keinen blassen Dunst von der coolen Verquickung von Fantasy und Dark Future haben. Die Handlung der einzelnen Romane ist nicht übermäßig kompliziert und bringt fast ausschließlich klassische „Shadowrun“-Themen, wie einzelne Runs und das übliche Intrigenspiel, aber sie ist ausreichend, um die Vielschichtigkeit des Lebens in den Schatten ansatzweise zu verdeutlichen.

Der erste Band – „Born to Run“ – dient weitestgehend als Exposition, um dem Leser die Personen und das Setting näherzubringen. Im zweiten Band – „Giftmischer“ – versucht Kellan auf eigenen Füßen zu stehen und ihre eigenen Runs zu organisieren. Dabei zahlt sie kräftig Lehrgeld für ein paar wertvolle Erfahrungen. Im dritten Band – „Gefallene Engel“ – wird die Katze aus dem Sack gelassen und alle Puzzlesteinchen in Bezug auf Kellans Herkunft fallen im Rahmen eines zünftigen Showdowns an ihren Platz.

Die thematischen Schwerpunkte liegen auf der der Verwendung von Magie und den Läufen in der Matrix. Mit Cyberware aufgemotzte Straßensamurais oder Rigger spielen dagegen nur eine Nebenrolle. Zwischenmenschlich werden vor allem die Themen Vertrauen und Verrat in den Mittelpunkt gestellt, wobei die gute Kellan und auch etliche andere Protagonisten ein wenig zu vertrauensselig daherkommen. Zudem scheint sich Kellan nicht so ganz sicher zu sein, was sie überhaupt will. Besonders auffällig war das für mich in „Giftmischer“, wenn Kellan auf der einen Seite darauf brennt, einen eigenen Run durchzuziehen, aber in fast allen Situation sich an den erfahreneren Runnern orientiert und doch lieber Befehle entgegennimmt, als selber welche zu geben. Kellan übernimmt so lange die Verantwortung, wie sie das Gefühl hat, alles unter Kontrolle zu haben. Sobald dies nicht mehr der Fall ist, gibt sie die Verantwortung sehr rasch ab.

Das Stephen Kenson ein Kenner des Genres ist, merkt man der Trilogie an. Die Handlung und die Personen fügen sich nahtlos zusammen. Ein Wehrmutstropfen war für mich allerdings der generelle Sprachgebrauch, wobei ich nicht einschätzen kann, ob nun die Übersetzung daran Schuld trägt oder es bereits im englischsprachigen Original so stand. Wenn man sich in den Niederungen einer Gesellschaft bewegt, sollte man mit einer gehörigen Portion umgangssprachliche Begriffe konfrontiert werden. Stattdessen bekommt man Hochdeutsch – garniert mit ein paar Slangbegriffen –; aber das war es dann. Wenn der berüchtigte Auftraggeber „Mr. Johnson“ als aalglatter Konzernvertreter oder der eingebildete Trollmagier Lothan ausgefeiltes Deutsch verwenden, mag das noch angehen. Gangmitglieder ohne ausgeprägte Schulbildung sollten allerdings nicht so parlieren. Ein paar eingestreute Begriffe wie „Drek“ und „erste Sahne“ verdeutlichen noch lange nicht die (sprachlichen) Niederungen einer Gesellschaft.

Fazit: Als Sammelband lohnt sich die Trilogie um Kellan Colt allemal, besonders für Neulinge des Genres eröffnet sich hier eine wahre Schatztruhe an Hintergrundwissen. Die Story an sich ist handwerklich gut geschrieben, aber nicht überragend. Sprachlich ist wird für meinen Geschmack zu viel Hochdeutsch verwandt. So etwas erwarte ich vom Bodensatz der Gesellschaft nicht. Ein Glossar habe ich vergeblich gesucht, dafür ergibt sich fast alles aus dem unmittelbaren Zusammenhang. Von mir gibt es eine Kaufempfehlung mit dem Prädikat „Für Neulinge besonders geeignet“.


Gefallene Engel – Die Kellan-Colt-Trilogie (Shadowrun-Roman Nr. 66)
Rollenspiel-Roman
Stephen Kenson
Heyne 2007
ISBN: 978-3453524330
715 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 10,00

bei amazon.de bestellen