Shadowrun 58: Pesadillas

Der Straßensamurai Jaywalker rettet einen sechsjährigen Jungen vor dessen Verfolger, welcher durch schwerste Verbrennungen entstellt ist. Das Kind umgibt ein düsteres Geheimnis, welches sich ein Konzern nur zu gerne zurückholen will. Und so gilt es für Jaywalker und sein Team, das Geheimnis zu lüften und gleichzeitig den Jungen zu beschützen. Doch das ist leichter gesagt als getan, wenn einer absichtlich falsch spielt...

von Chris Sesterhenn

 

Trockene Fakten – die äußeren Werte:

Das Taschenbuch „Pesadillas“ (hier von Heyne; zuvor auch schon bei Fantasy Productions erschienen) umfasst 426 Seiten, verteilt auf 30 Kapitel (29 + Epilog). Glossar, Übersichtskarten oder ein Kurzporträt der Autorin Maike Hallmann sucht man vergeblich. Dafür finden sich eine Danksagung sowie eine Übersicht weiterer „Shadowrun“-Romane am Ende des Buches. Das Titelbild ist zwar futuristisch angehaucht, besitzt aber keine direkt erkennbaren Bezüge zu „Shadowrun“ oder der Geschichte. Aber es geht ja bei einem Roman auch mehr um das Geschriebene...

Um was geht es überhaupt? – zum Inhalt:

Der Straßensamurai Jaywalker rettet den kleinen Michael vor dessen Verfolger. Um einen besseren Schutz zu gewährleisten, sucht Jaywalker Unterstützung bei seinen Teamgefährten. Zu diesen gehören der orkische Rigger Steel, die Katzenschamanin Kike, der Einzelgänger Conquistador sowie die gelähmte Deckerin Phoenix. Schnell wird klar, dass über dem Jungen ein dunkles Geheimnis liegt und entsprechend möchte ein Konzern die damit verbundenen zerstörerischen Eigenschaften erforschen. Da aber das Team den Kleinen schnell in sein Herz schließt, sind alle bereit, gemeinsam mit Jaywalker den Jungen vor dem Zugriff durch den Konzern zu schützen. Nebenbei versuchen sie noch, das Geheimnis um Michael zu lösen. Doch dann muss das Team erkennen, dass einer unter ihnen ganz eigene Ziele mit dem Jungen verfolgt...

Zuckerbrot und Peitsche – Pro und Contra:

„Pesadillas“ nimmt eine ganz besondere Stellung unter den in letzter Zeit erschienenen „Shadowrun“-Romanen ein. Die Autorin Maike Hallmann konzentriert sich sehr stark auf die Darstellung und Ausarbeitung ihrer handelnden Charaktere. So erhält der Leser zu jedem der Charaktere (auch den Nebendarstellern und Akteuren der Gegenseite) einen tieferen Einblick in dessen Privatsspähre. Dieser Blick reicht sogar gelegentlich tief hinab in die Abgründe der Psycho, bis dorthin, wo die ganz privaten Albträume und Ängste schlummern (Anmerkung: Pesadillas ist das spanische Wort für Alpträume). Während der Leser im Verlauf der Handlung mehr über die einzelnen Runner und deren Probleme und Motivationen erfährt, lässt die Autorin zwischen den einzelgängerischen, unterkühlten Profis langsam familiäre Gefühle aufkommen. Und dies nur, weil sich hartgesottene Shadowrunner um einen kleinen Jungen kümmern.

Insbesondere mit dieser Beschreibungstiefe kann Maike Hallmann begeistern und ihre Klasse zeigen. Zudem löst sie sich von den klassischen „Shadowrun“-Mustern und vermag dennoch Spannung zu erzeugen sowie durch geschickt platzierte Überraschungen aufrecht zu erhalten. Sie kommt beispielsweise auch ohne ausschweifende Matrix-Spaziergänge aus oder hebt besonders den unterstützenden Charakter von Kikes Zaubersprüchen hervor. Und dennoch bleibt beim Lesen (zumindest bei mir) immer das Gefühl der Konformität zu den Regeln aus dem Rollenspiel erhalten.
Kombiniert wird dies mit einem sehr flüssigen Erzählstil, bei welchem die Autorin auf den sonst üblichen „Shadowrun“-Slang weitestgehend verzichtet. Aus meiner Sicht ein klarer Gewinn.

Die sehr gute Beschreibung der Charaktere, der angenehme Erzählstil sowie die spannende Geschichte bilden zusammen ein rundum gelungenes Gesamtwerk.

Für wen lohnt es sich? – meine Einschätzung:

„Shadowrun“-Fans, welche auf der Suche nach dumpfer Action, stereotypen Runs und viel Slang sind, werden mit „Pesadillas“ vermutlich ihre Schwierigkeiten haben. Aber wer hingegen einen „Shadowrun“-Roman mit ausgearbeiteten Charakteren und einer gelungenen Handlung lesen möchte (wer beispielsweise die Romane von Nigel Findley zu schätzen weiß), der sollte sich auf das Werk von Maike Hallmann einlassen.

Fazit: Mit „Pesadillas“ präsentiert Maike Hallmann einen rundum gelungenen „Shadowrun“-Roman. Lange gab es im „Shadowrun“-Bereich nur Mittelmaß, aber „Pesadillas“ hat das Potenzial zu einem Vorzeigeroman. Auf meiner eigenen Rangliste hat er sich klar einen Platz an der Spitze verdient. Und daher ist aus meiner Sicht auch nur eine einzige Wertung möglich: absolut lesenswert.


Pesadillas (Shadowrun-Roman Nr. 58)
Rollenspiel-Roman
Maike Hallmann
Heyne 2006
ISBN: 3-453-52225-7
426 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 7,95

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