Auf der Website www.shadowforcearcher.com kann jeder Spieler nach der Lektüre des Kampagnenhintergrundes an der interaktiven Storyline von "Shadowforce Archer" teilnehmen. Der Inhalt des Quellenbuches stellt nur die erste Episode der ersten Staffel einer auf mehrere Folgen angelegten großen Geschichte dar, die von den Spielern weitererzählt wird, nicht von den Autoren. Man kennt das Konzept schon von RPGA-Kampagnen wie "Living Greyhawk" - allerdings nicht so konsequent umgesetzt und im Online-Bereich so gut unterstützt.

Das gesamte Quellenbuch ist für Spieler geschrieben - große Geheimnisse und Rätsel erwatet man vergebens. Diese sollen erst beim Spiel entstehen. Damit hat "Shadowforce Archer" anderen Kampagnenwelten eindeutig etwas voraus. Spielleiter müssen nicht mehr umständlich in die Spielwelt einführen, sondern können ihrer Spielgruppe das Kampagnenbuch zur Lektüre geben, sodass alle Spieler mit dem gleichen Wissensstand beginnen wie er. Damit setzen die Autoren den im Regelbuch "Spycraft" begonnen Trend einer spielerorientierten Produktlinie fort. Ein sehr sympathisches und vor allem vernünftiges Konzept, denn immerhin gibt es ja auch viel mehr Spieler als Spielleiter unter den Rollenspielern.

Dabei muss ein Spieler eigentlich nicht mehr als die ersten 24 Seiten des Buches lesen, auf denen alles Wesentliche zusammengefasst ist. Es gibt eine kurze Einführung in die fiktive Geschichte des Spieluniversums und eine Vorstellung der "Archer Foundation" und ihrer Unterabteilungen, denen die Spielercharaktere angehören können.

Wer mehr Informationen will, liest auch noch den Rest des Buches, in dem er einige wichtige NSCs kennen lernt und mehr über Verschwörungen und über die Ziele und Organisationsformen einzelner Zellen der "Archer Foundation" erfährt. Aber auch andere Organisationen, die nichts mit der "Archer Foundation" zu tun haben, werden beschrieben.

Auch die obligatorischen Regelerweiterungen fehlen natürlich nicht. So kann man nun neue Regeloptionen und Prestigeklassen für seinen Agenten wählen und man erfährt etwas über "Chemical Monsters" und Psi-Fähigkeiten. Auch Magie findet hier wieder seinen Weg ins Regelwerk, zusammen mit magischen Gegenständen und andere Artefakten.

"Shadowforce Archer" ist solides Quellenbuch mit viel Inhalt und spielfertigem Material. Als Hardcover kann das Buch auch von seiner Gestaltung her überzeugen, hat einige sehr schöne Illustrationen, die den comichaften, satirisch-überzogenen Stil der ganzen "Spycraft"-Reihe unterstreichen. Einzig die Farbtafeln sind leider nur mittelmäßig. Auf diese hätte man eher verzichten sollen, weil sie den professionelle Eindruck, den das restlichen Buch vermittelt, trüben und eher für ein Fanprodukt angemessen sind.

Trotz der neuen Konzepte, die "Shadowforce Archer" verfolgt, und trotz der soliden Gestaltung, kann das Buch nicht überzeugen, denn es fehlt die Inspiration. Man gewinnt schnell den Eindruck, alles schon mal irgendwie woanders gelesen zu haben. Nach Spielen wie "Conspiracy X", "Delta Green", "GURPS Black Ops" und "Feng Shui" wirkt "Shadowforce Archer" wie eine "Best of"-Sammlung anderer Agenten-Rollenspiele, gewürzt mit einer (sehr, sehr kleinen) Prise Satire und einer großen Portion Comic-Action. Während "Spycraft" zum Teil wirklich innovative Regeln und Ideen zum d20-System beisteuerte, wartet "Shadowforce Archer" eher mit soliden, bereits bekannten Ideen auf. Das geht so weit, dass man bei der Liste der Artefakte einige Déjà-vu-Erlebnisse hat, wenn man "GURPS Warehouse 23" kennt.

Übel stößt auch der Preis der gesamten Produktlinie auf. Immerhin muss man für "Spycraft" und "Shadowforce Archer" zusammen rund 90 Euro hinlegen! Das ist schon ein starker Einstiegspreis. Ärgerlich ist dieser hohe Preis vor allem deswegen, weil beide Bücher sehr viele Wiederholungen beinhalten. Diese sind zwar didaktisch sehr gut und erhöhen den Komfort des Spielsystems, treiben aber auch den Preis in die Höhe. Die Informationen aus den beiden Büchern hätten auch locker in ein Buch gepasst, das dann vielleicht 50-60 Euro gekostet hätte.

Fazit: "Shadowforce Archer" ist bestimmt für Neulinge in dem Agenten- und Verschwörungs-Genre ein lohnenswertes Buch, für Rollenspieler, die das Milieu bereits kennen, ist es eher wie die 10. Wiederholung eines James-Bond-Films im Fernsehen: Es macht Spaß, aber man weiß immer schon vorher, was als nächstes passiert.