Im Einzelnen handelt es sich bei den Abenteuern um Plots von mittlerer Komplexität, die an der Piratenküste, in Al'Anfa und im Horasreich in neuerer Zeit angesiedelt sind und ebenso für unerfahrene wie für erfahrene Charaktere eine Herausforderung darstellen. Hintergrund aller Abenteuer ist das Wirken des Bösen – und damit natürlich auch des Dreizehnten Gottes – in all seinen Facetten. Um aber nicht zu viel zu verraten, sei im Folgenden nur eine grobe Einführung und Übersicht gegeben:

„Wenn zwei sich streiten“ (Uli Lindner): Selbst im Herzen der Schwarzen Lande, an der Piratenküste, sind nicht alle Tempel der Zwölfgötter verboten. Aber trotz der hohen Steuern an den mendenischen Potentaten ist ein Haus der Herrin Hesinde in ernsten Schwierigkeiten – und die Helden bald mittendrin. In dem Örtchen Sardosk streiten ein Tempel der wehrhaften Schlange und ein Kloster des heiligen Borbarad um die Zuwendungen der Einwohner, während gleichzeitig versucht wird, den Blicken des despotischen Herrschers zu entgehen. Als der Erzwissensbewahrer zu Gareth aber die Nachricht erhält, dass der Tempel in Sardosk Ziel mehrerer Anschläge geworden ist, schickt er die Spielercharaktere dorthin, um das Mysterium genauer zu untersuchen. In Sardosk angekommen, sieht man sich aber einer unangenehmen Konkurrenz gegenüber, die von der Prophetin Borbarads aus Mendena geschickt wurde. Die Konflikte zwischen den Parteien sind also vorprogrammiert, und während beide Seiten versuchen, Beweise für die Anschläge zu finden und die andere Partei damit in Verbindung zu bringen, stellt sich heraus, dass eine dritte Partei ihre Hände im Spiel hat und sich die Helden bald einem überlegenen Gegner gegenübersehen.

„Im Schoße der Mutter“ (Patrick Gouder, Stephan Frings): Wahnsinn hat Methode für die Diener des Namenlosen. Und wenn aus Wahn und Raserei ein neuer, mächtiger Diener für ihre unheiligen Zwecke entsteht, umso besser. Und auch blaues Blut bietet keinen Schutz vor den Umtrieben des Dreizehnten. Gouder und Frings bieten mit diesem Abenteuer ein Horrorfest für Hartgesottene. Die Autoren führen die Charaktere im Auftrag einer hohen Dame auf die Burg Arondriella in der Nähe von Kuslik, um bei der Tochter der Dame mal nach dem Rechten zu sehen. Gerade angekommen, bereiten marodierende Thorwaler der beschaulichen Reise jedoch ein harsches Ende, außerdem steht die Tochter aufgrund eines Mordfalls am Rande des Wahnsinns. Nachforschungen ergeben schnell eine obskure Hexe als Verdächtige, doch kaum ist diese aus dem Weg geräumt worden, gibt es auch schon neue Verdachtsmomente. Darüber hinaus häufen sich die mysteriösen und blutigen Ereignisse, denen auch die Charaktere selbst zum Opfer fallen können, und wenn sie schließlich das schreckliche Geheimnis hinter diesen Vorgängen aufdecken sollten, wird sich herausstellen, wie stark im Glauben die Helden wirklich sind.

„Der Hölle Rache“ (Simon Bertold): Ein Mord an der Universität von Al'Anfa ist vielleicht keine Alltäglichkeit, aber auch noch kein Grund, unabhängige Ermittler zu Hilfe zu holen. Wenn aber eine weitere Bluttat damit in Verbindung gebracht werden kann und Lehrpersonal wie auch Schüler alle etwas zu verbergen haben, wird es Zeit für intensivere Untersuchungen. Die Charaktere werden also damit beauftragt, einem Mord in akademischen Kreisen auf den Grund zu gehen. Bald erfahren sie, dass der Fall ein weiterer in einer Serie vergleichbarer, kurz hintereinander begangener Morde in kurzer Zeit ist, und schon wenig später schlägt der geheimnisvolle Serienmörder wieder zu. Es drängt nun also nicht nur die Zeit, sondern auch der typische Intrigantenstadl in dieser Metropole zu einem schleunigen Handeln. Und was die Charaktere am Ende entdecken, kann über das Schicksal vieler Menschen entscheiden.

Alle Abenteuer sind spannend zu lesen und bieten, wie man es von „DSA“ zum Glück gewöhnt ist, sehr viel Inhalt und nur wenig Regeltechnisches und Werteklauberei. Man kann also davon ausgehen, dass man für den wohlfeilen Preis reichlich Spielzeit bekommt. Die Autoren haben viel Herzblut in ihre Abenteuer gesteckt und punkten mit originellen Ideen und durchdachten, intelligenten Geschichten, welche auch erfahrene Spieler durch Zeitdruck, Knobelei und ganz überraschende Wendungen ins Schwitzen bringen. Der intensive Bezug auf das Böse, den Namenlosen und die Fäden, die allerorten in seinem Namen gesponnen werden, erinnert zwar zeitweise sehr an „Cthulhu“, aber das ist bei der hohen Qualität der meisten (deutschen) „Cthulhu“-Produkte und -Geschichten ein Vergleich, der stets zur Ehre gereicht. Auch die von Nachwuchskünstlern stammenden Illustrationen und Karten sind überwiegend gut gelungen und unterstützen, wie auch die gute Materialsammlung am Ende des Sammelbandes, die Atmosphäre der einzelnen Abenteuer. In inhaltlicher und technischer Hinsicht sowie beim Preis-/Leistungs-Verhältnis gibt es also wirklich nichts Gravierendes zu bemängeln.

Fazit: Obwohl ich persönlich kein Freund von „DSA“ (4) und Aventurien bin, greife ich immer wieder gerne auf die für dieses Rollenspiel herausgegebenen Abenteuer zurück. Gerade die Sammelbände haben mich bisher nicht enttäuscht, wenn es darum ging, spannende, gut ausgearbeitete und inhaltsreiche Plots zu bekommen, die sich fernab des sonst so häufigen reinen Totschlagens und Ausraubens aller herumlaufenden Gegner und Bösewichte bewegen. Auch „Seelenschatten“ wird diesem Anspruch mit seinen modularen Abenteuern wieder einmal gerecht und ist ein lohnenswerter Kauf für alle Spielleiter und Spieler, die Nachforschungen, Mystik, Horror und ein gehöriges Maß an Knobelei schätzen und dennoch einem gefährlichen Kampf nicht aus dem Wege gehen.