Sanctum and Sigil

"Sanctum and Sigil" befasst sich mit den sozialen Riten und Protokollen, die innerhalb der Gesellschaft der Magi vorherrschen. Weiterhin wird ihre Gesellschaftsstruktur mit dem Magus als Teil einer Kabale und der Kabale als Teil eines Konsiliums analysiert und dem Leser näher gebracht, wobei der Fokus deutlich auf den fünf Orden liegt, die anderen Gruppierungen werden aber immerhin erwähnt. Was hat man von 160 Seiten über dieses Thema zu erwarten? Lohnt sich die Anschaffung? Welche Auswirkungen hat dies auf das Spiel?

von Nicolas Hohmann

 

Zunächst einmal zu den technischen Daten: 160 Seiten im schicken festen Einband. Das Bild auf dem Cover ist zumindest nett, wenn auch nicht besonders aussagekräftig. Die Innenillustrationen sind mittelmäßig bis gut und unterlegen den Text – ärgerlich ist nur, dass man dem Geist/Elementar/Wasauchimmer des Frontcovers im Buch nochmal eine Dreiviertelseite gewidmet hat; ja, für einen Ausschnitt des gleichen Bildes. Die Papierqualität ist im Vergleich zu anderen Magebüchern etwas schlechter, wird aber immer noch einem hohen Standard gerecht. Mal wieder handwerklich einwandfrei gemacht.

Wie immer bei den "World of Darkness"-Büchern beginnt der Inhalt mit einer Kurzgeschichte. Diesmal wird man mit Intrigen, Artefakten und einer verlorenen Liebe in die Welt von "Mage: The Awakening" katapultiert. Nach den obligatorischen zwei Seiten, die der Frage gewidmet sind "Was ist dieses Buch und was ist es nicht?", gelangt man zum eigentlich Interessanten. Vier Kapitel enthält das Buch, die sich alle mit unterschiedlichen Aspekten der Gesellschaft der Magi – Kabale und Konsilium im Besonderen – beschäftigen.

Das erste Kapitel ist das umfangreichste, es nimmt ungefähr die Hälfte der Seitenanzahl des Buches ein. Thematisiert werden zunächst die Kabalen in aller Ausführlichkeit. Man erfährt, unter welchen Umständen eine Kabale zusammenfinden kann, welche gemeinsamen Ziele Magi verschiedener Orden haben können und was passiert, wenn eine solche Gruppierung zerbricht. Es wird auf die mystische Thematik einer Kabale und auf ihr Siegel eingegangen sowie auf die unterschiedlichen ritualisierten Rollen, die ein Magus innerhalb seiner Gruppe einnehmen kann. In früheren Zeiten war es wohl so, dass eine Kabale nur aus Magi eines Ordens bestand, während in moderneren Zeiten Kabalen mit Magi verschiedener Orden populär sind. Eindeutig eine zu begrüßende Anpassung an die Spielrealität, denn die Mehrheit der Spieler wird sich nicht auf einen Orden einigen können. Schade finde ich es dann aber, dass trotzdem die meisten Einstellungen, Posten, Sichtweisen für Kabalen, die nur aus einem Orden bestehen, ausgeführt werden.

Ein weiterer nennenswerter Punkt sind die sozialen Protokolle und Rechte, die sich Magi untereinander gewähren. Eine Art kleinster gemeinsamer Nenner, um das Funktionieren der post-atlantischen magischen Gesellschaft zu sichern. Anschließend wird das Konsilium ebenfalls sehr ausführlich eruiert.  Das Konsilium ist ja eine Art regionale Regierung, der sich die einzelnen Kabalen unterzuordnen haben. Bei Problemen, die Kooperation zwischen Kabalen erfordern oder bei Konflikten zwischen zwei lokalen Kabalen ist ein solcher Rat gefragt. Auch hier wird erzählt, welche Positionen ein Magus innerhalb des Konsiliums, sollte er sich auf diese Ebene der Politik wagen, einnehmen kann. Letztlich finden wir die Lex Magica, das Rechtssystem der Magier. Es werden Straftaten und häufige Richtsprüche erläutert sowie der Prozess der Gerichtsverhandlung, der ebenfalls hoch ritualisiert ist, und die Anwesenheit von Konsiliumsmitgliedern erfordert. Nach diesem Kapitel hat man ein sehr gutes Bild davon, wie die Gesellschaft der Magi auf regionaler Ebene funktioniert.

Das nächste Kapitel widmet sich den privaten Zufluchten der Magie. Dieses Kapitel ist sehr regellastig und dient dazu, das Sanctum eines Magus genau zu definieren. Prinzipiell ist es ein Vorteil, der von einem oder mehreren Magi erworben werden kann. Die Punkte des Vorteils können dann auf spezifische Aspekte, wie die Sicherheit der Fenster, die Dicke der Mauern oder Wachkreaturen ausgegeben werden. Weiterhin werden noch Manaquellen und Leylinien sowie ihre Ausbeutung erläutert und vertieft, die ja durchaus der Grund sein können, an einer besimmten Stelle sein Sanctum aufzubauen. Hier findet man dann noch ein paar Zaubersprüche und Artefakte, um Verlauf, Ort oder Eigenschaften einer Leylinie oder Manaquelle zu verändern. Vorangestellt an das Kapitel ist auch eine Erläuterung, wie man das Sanctum ohne große Regellast durch reines Storytelling leitet – mir sind definierte Regeln zwar lieber, aber es werden ja beide Gruppen bedient.

Das leider zu kurze Kapitel drei beschäftigt sich mit Kulten und Pylonen, was einfach nur die alternativen Bezeichnungen für die Kabalen der Verbanner respektive die Seher des Throns sind. Im Prinzip folgt man dem Muster aus dem ersten Kapitel, nur wird alles nicht so ausführlich erläutert. Für mich ist es das beste Kapitel, wahrscheinlich weil die Kürze der Darstellung wirklich ausreichend für das Wesentliche ist und weil über diese Gruppierungen weniger Informationen bekannt sind.

Die letzten 35 Seiten sind dem Kapitel "Storytelling" gewidmet. Es fasst den Inhalt nochmal zusammen und gibt konkrete Tipps dazu ab, wie man nun die Fülle an Informationen in einer bestehenden oder neuen Chronik nutzt. Noch ein kurzes, aber gutes Beispiel dafür, wie man für eine sehr politische Kampagne seine NSC-Magi und -Kabalen aufbaut und ineinander in Beziehung setzt sowie 20 Seiten Beispiel Charaktere und Kabalen, von denen ich persönlich ein Freund bin, da ich oft schon ausgearbeitete NSCs einsetze.

Fazit: "Sanctum and Sigil" ist ein informatives aber leider etwas uninspiriertes Buch. Man wird sehr genau über gesellschaftliche Strukturen und das Verhalten der Magi untereinander aufgeklärt, doch leider liest sich der Text streckenweise sehr schlecht, weil er langatmig oder gar langweilig ist. Vieles sind ausführliche Erläuterungen zu dem, was aus dem Grundregelwerk logisch zu folgern ist, und man kann auch ohne das Buch auskommen. Mit dem Buch hat man allerdings ein sehr detailliertes Bild der Funktionweise von Kabale und Konsilium sowie die offizielle Version der Dinge zur Hand. Dies kann vor allem bei politischen Chroniken von Vorteil sein und eine Menge Arbeit ersparen. Positiv erwähnen möchte ich noch die kleinen Informationskästchen, die einem Abenteueraufhänger zu bestimmten Themen liefern. Seitens der Regeln vermisse ich in diesem Buch definitiv Mechanismen zur Macht- und Ressourcenverwaltung von NSC-Kabalen. Gerade das finde ich bei einer politischen Chronik wichtig, um konsistent die Handlungsmöglichkeiten handhaben zu können. Letztlich ist "Sanctum & Sigil" also ein "kann man, muss man aber nicht kaufen"-Buch.


Sanctum and Sigil
Quellenbuch
B. Campbell, G. Glass, B. Maxwell
White Wolf 2005
ISBN: 1588464202
160 S., Hardcover, englisch
Preis: $ 26,99

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