Ruinen des verlorenen Reiches

Zu der zweiten Edition des beliebten Fantasy-Rollenspiels „Der Eine Ring“ („DER 2E“) ist endlich ein vollwertiger Quellenband erschienen. Er widmet sich bisher nicht behandelten Regionen von Nordwest-Mittelerde (Eriador), nämlich dem Westen und vor allem dem Süden dieser Großregion. Schwerpunkt liegt dabei auf der Flussstadt Tharbad. Was hat der Band sonst noch zu bieten, und wie gut fügt er sich eigentlich in die von J. R. R. Tolkien kreierte Welt ein?

von Markus Kolbeck

Der Quellenband erschien 2024 auf Deutsch beim Verlag Truant Spiele als Hardcover und umfasst 122 Seiten. Der Originalband erschien 2023 auf Englisch beim schwedischen Verlag Fria Ligan, der bekannter unter seinem internationalen Namen ist: Free League. Autoren sind u. a. Gareth Hanrahan, Francesco Nepitello und Sara Gianotto. Der Band ist durchgehend mit Zeichnungen versehen, die in Brauntönen und Schwarz gestaltet sind.

Inhalt

Wenn man den Quellenband aufschlägt, fällt einem sofort der farbige Stadtplan von Tharbad ganz am Anfang auf, und dann ist man auch geneigt, gleich am Ende nachzuschauen und findet dann dort eine farbige Landkarte von Eriador für den*die Spielleiter*in. Nach einer kurzen Einführung (es wird davon ausgegangen, dass man das Jahr 2965 D. Z. schreibt, also das Jahr, an dem auch das Grundregelwerk angesiedelt ist) geht es mit dem ersten Kapitel von Dreien los:

Kapitel 1: „Nebel über Eriador“: Hier werden verschiedene Örtlichkeiten und Regionen vorgestellt, nämlich die Stadt Tharbad, Schwanenfleet, Lond Daer, die Zwergenhallen von Harmlet, die Ruinen von Cardolan, der Wald Eryn Vorn und die einsamen Lande von Minhiriath. Das Auenland, Bree, Bruchtal, die Grauen Anfurten, die Wetterspitze und die Städte Annúminas und Fornost werden hier nicht berücksichtigt. Das Auenland wird im „Starterset“ und Bruchtal im „Spielleiterschirm & Bruchtal-Kompendium“ beschrieben, sodass man darauf in diesem Band eigentlich verzichten kann.

Kapitel 2: „Ein Sturm zieht auf“: Hier werden unter vier Punkten die Machenschaften von verschiedenen Interessengruppen in der relevanten Region geschildert. Die Schwarzen Númenórer dringen zwecks Spionage in das Gebiet ein, und sie tragen sich mit Eroberungsplänen. Die Weiße Hand Sarumans ist zu Gange; der Zauberer und Anführer des Rates der Weisen von Mittelerde hat seine eigenen Pläne. Natürlich bleiben auch die Häuptlinge aus Dunland und ihr finsteres Ansinnen nicht unerwähnt. Unter dem vierten und letzten Punkt werden noch andere Gefahren aufgeführt.

Kapitel 3: „Landmarken“: In diesem Kapitel werden Besonderheiten verschiedener Örtlichkeiten beschrieben, die die aus dem Grundregelwerk bekannten Landmarken darstellen. Es werden insgesamt zwölf davon aufgeführt, die komplett mit Gerüchten, Alten Wissen, Lageplänen, Daten der Nichtspielercharakere etc. aufwarten. Die bekanntesten Landmarken dürften „Die Weißen Türme“, „Die Wetterspitze“ und „Der Gramberg“ sein.

Anhang: Im Anhang finden sich optionale Regeln zu Beratungen und Langfristigen Aufgaben; Regeln, wie man sich Gegenstände von Überlegenem Wert borgt und Regeln zu subtiler Magie und dem Auge von Mordor. Zum Abschluss ist noch ein knapper Index aufgelistet.

Kritik

Auffallend ist, dass vieles des Quellenmaterials sich gut in die gegebene Welt von Mittelerde einfügt, jedoch ansonsten fiktiv ist. Die beschriebenen Regionen und Geschehnisse wurden anhand der eher dürftigen Faktenlage ausgeschmückt und erweitert. Die Zeit zwischen den Handlungen in „Der Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“ wurde von Tolkien höchstens skizziert, sodass den Autoren genug Raum für ihre eigene Fantasie und ihre eigenen Ausgestaltungen bleibt. Sie müssen dann aber auch darauf aufmerksam machen, dass laut Tolkien im Jahr 2965 D. Z. Tharbad zerstört und aufgegeben war. Die Autoren haben der Stadt im Gegensatz dazu eine Restbesiedlung  zugebilligt, die wohl noch einige Zeit andauern könnte. Dadurch entstehen neue Handlungsstränge und die Stadt erhält mehr Spielwert, als wenn sie komplett verlassen wäre. So kann man dann wohl auch über diese Diskrepanz zu Tolkiens Werk hinwegsehen.

Der Band ist ausreichend umfangreich für den Preis von knapp 40,- Euro, außerdem muss man berücksichtigen, dass er als Hardcover gestaltet ist und auf den inneren Umschlagseiten und der ersten beziehungsweise letzten Seite einen Farbstadtplan von Tharbad beziehungsweise eine Landkarte von Eriador enthält. Obendrein ist ihm ein separater, farbiger und großformatiger Stadtplan von Tharbad beigefügt, den man gut als Handout an die Spieler*innen überreichen kann beziehungsweise in der Räumlichkeit, in der die Spielsitzungen stattfinden, aufhängen kann. Man bekommt also durchaus etwas für den Kaufpreis geboten! Rechtschreibfehler sind selten, und mir ist nur ein vermutlicher Regelfehler aufgefallen: Auf Seite 112 fehlt bei einer Kreatur der numerische Wert bei einer der beiden Angriffsarten.

Wenn ich einen Wunsch hier frei hätte, würde ich mir einen Quellenband wünschen, der ganz Eriador behandelt und dafür auf die Abenteueraufhänger im zweiten Kapitel verzichtet. Insbesondere Bree und die Grauen Anfurten würden eine nähere Behandlung verdienen, aber auch Bruchtal  könnte einen zweiten, ausführlicheren Blick verdienen (nach der etwas knappen Behandlung als Beilage zum Sichtschirm). Auf spezifische Quellenbände zu jedem dieser Orte im Rahmen der zweiten Edition kann man aber getrost verzichten, da man die darin enthaltenen Informationen in ihrer Fülle kaum erspielen könnte.

Fazit: Der Quellenband hält das Versprechen, das durch den hohen Standard des neuen Grundregelwerks vorgegeben wurde, ein! Die Ausstattung, insbesondere der großformatige Stadtplan, ist den Anschaffungspreis wert. Wer mit „DER 2E“ Abenteuer in Eriador leiten will, kommt kaum um den Band herum. Auch wenn er nicht ganz perfekt ist, ist er doch eine lohnende Anschaffung!

Ruinen des verlorenen Reiches
Quellenbuch
Gareth Hanrahan, Francesco Nepitello, Sara Gianotto u. a.
Truant 2024
ISBN: 978-3-949089-43-5
122 S., Hardcover, deutsch
Preis: 39,95 EUR

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