Das Szenario verspricht Kurzweil und Action, verkörpern die Spieler doch Ratten in einem vom Menschen verlassenen Kaufhaus. Auf sich allein gestellt, haben die Nager sich zu Clans zusammengeschlossen, Religion und Philosophie für sich entdeckt und so eine eigene kleine Welt aufgebaut.

Das Regelwerk ist preisgünstig, schnell gelesen und die Charaktere schnell zusammengebaut, sodass man auch an einem Abend ein lohnendes Spiel hat. Gleichzeitig ist es ausgefeilt genug, damit die Chance für eine kleinere Kampagne gegeben ist. Mittlerweile gibt es zu diesem Zweck ja bereits die erste Erweiterung in Form eines Kompendiums („Ratten!!“ – mit zwei Ausrufezeichen). Trotzdem ist das Ziel wohl eher das kurzfristige Spaßspiel, als jahrelange Kampagnen.

Man schlägt das Buch auf – und schon geht es los. Während Menschen, die mit Rollenspielregelwerken Erfahrung haben, sich schnell zurechtfinden werden, lässt es für Einsteiger ein wenig Anleitung vermissen. Noch bevor ein Wort über Dinge wie Charakterblatt und -erschaffung verloren wird, steht man in einer breiten Übersicht an Attributen – alphabetisch sortiert, was es zwar im Spielverlauf leicht, für den Einstieg aber zu Teil etwas unintuitiv wirken lässt.

Hat man dieses Hindernis aber überwunden oder gar nicht bemerkt, dann ist der Charakter schnell gebaut und das Spiel kann beginnen. Moment, es braucht noch ein Abenteuer! Hierzu gibt es einerseits ein paar Ideen, die sich an einen fortgeschrittenen Leser wenden, der daraus ein schickes Abenteuer strickt. Im letzten Teil des Büchleins findet sich aber auch ein vollständiges Abenteuer, „Der Kasten des Lebens“, mit dem man praktisch sofort losspielen kann.

Mit Informationen, wie es zu dieser Rattenwelt kam, hält sich das Buch bewusst zurück. Krieg, Leerstand, Umweltkatastrophe – es bleibt dem Leiter überlassen, denn die Ratten verlassen „ihr“ Kaufhaus nicht. Dies wiederum ist detailliert beschrieben, Stockwerk für Stockwerk, sodass man sich nicht in komplizierte Überlegungen zur Lage der einzelnen Bereiche verliert.

Wie das Spiel sich dann gestaltet, liegt, wie beim Rollenspiel üblich, vor allem an den Mitspielern. Ein wenig erinnert das Ganze in seiner Ausprägungsvielfalt sogar an das (fast) Rollenspiel „Tribes“: von Quicksprache bis hin zu völliger Vermenschlichung. Das alles kann man erleben.

Und hier liegt auch der Charme (neben der schnellen Spielbarkeit): „Ratten!“ Ist ein kleines, feines Regelwerk mit großem Potenzial. Und sicherlich in der Lage, einen ähnlichen Kultstatus zu erreichen, wie „Power, Plüsch & Plunder“.

Fazit: Sicherlich ist „Ratten!“ nicht ideal für Rollenspielanfänger, denn die Kenntnis grundlegender Mechanismen wird vorausgesetzt, und die nur überblicksartig beschriebene Welt muss vom Spielleiter mit Leben gefüllt werden. Dafür eignet sich das Spiel unbedingt für eine unterhaltsame und schnell zusammengestellte Abwechslung zur regelmäßigen Rollenspielrunde. Und es ist eine super Geschenkidee, wenn man einem Rollenspieler mal was anderes mitbringen möchte, als eine der zahlreichen „Munchkin“-Versionen. ;-)