Rabenkrieg V: Der Preis des Greifen

Nach dem Sieg in der Schlacht gegen die Kemi-Streitmacht zieht die alanfanische Armee an der Küste Traheliens weiter Richtung Herz des Kemi-Reiches. Doch der Fluss Tirob bildet eine unüberwindbare Barriere, die einen langen Umweg durch die Dschungel bedeuten würde. Im mittelreichischen Protektorat Hôt-Alem gibt es Brücke, die das Problem lösen würde. Aber kann man das bisher neutrale Protektorat überzeugen, dem Rabenbanner den Durchmarsch zu erlauben? Die Helden begeben sich auf eine diplomatische Mission, die Gefahren ganz anderer Art für sie bereithält.

von Ansgar Imme

Der vorletzte Band der „Rabenkrieg“-Kampagne konnte den regelmäßigen und adäquaten Erscheinungsrhythmus von etwa 3 Monaten halten, sodass Spieler und Spielleiter nicht lange auf die Fortsetzung warten mussten. Die bisherigen Autoren Armin Abele und David Schmidt sind natürlich auch für diesen Band verantwortlich, der wie üblich in 64 Seiten Vollfarbe erscheint.

Der Aufbau und Inhalt der Einleitung ist eine Kopie der Vorgängerbände. Bezüglich Inhalt wie auch Kritik wird auf die vorherigen Rezensionen verwiesen.

Zur Handlung des Abenteuers

Die alanfanische Streitmacht ist bis kurz vor die Tore der mittelreichischen Stadt Hôt-Alem gelangt. Die Helden bekommen den Auftrag, als Begleitung des alanfanischen Gesandten Decius Paligan aufzutreten, aber hinter den Kulissen die Verhandlung zum Durchmarsch durch die Stadt zu führen. Da flußaufwärts starke kemische Befestigungen sind, würde diese Abkürzung Zeit und weitere Kämpfe ersparen.

Die Helden erhalten umfangreiche Informationen zur politischen Situation und zu wichtigen Personen der Stadt. Da der Fürst-Protektor anscheinend unter einer Geistesschwäche leidet, hat ein Beraterkreis seine Aufgaben übernommen, die es zu überzeugen gilt. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass auch das kemische Reich versucht, Einfluss zu nehmen. Es gilt also, in der Stadt die entsprechenden Kontakte zu knüpfen und Bündnisse zu schließen. Doch die Helden finden schnell heraus, dass die wichtigen Berater des Fürst-Protektors alle kleine Geheimnisse haben, mit denen es umzugehen gilt. Und gleichzeitig scheint noch eine weitere Macht im Hintergrund ihre Bemühungen zu untergraben und ihnen sogar nach dem Leben zu trachten.

Besonderheiten zum Aufbau des Abenteuers

Die Handlung bleibt bei der aus den bisherigen Bänden bekannten Aufteilung in drei Abschnitten, wobei in diesem Band die Handlung nicht klar auf diese drei Kapitel aufgeteilt ist. Im Gegensatz zu den oft vorstrukturierten Abenteuern kann man hier fast von einer Sandbox reden, da die Handlung sehr frei ist. Entsprechend ist auch die Aufteilung der drei Abschnitte etwas anders gestaltet.

Das erste Kapitel enthält den Auftrag für die Rabenkrallen mitsamt Hintergrundinformationen sowie Gestaltung ihrer Ausrüstung, dazu aber auch eine Hintergrundbeschreibung der Stadt sowie eine Vorstellung der alanfanischen Delegationsmitglieder. Diese beinhaltet neben dem Gesandten sieben weitere Personen (zusätzlich zu den Helden), deren Aufgaben von Schutz bis zu göttlicher Begleitung gehen. Alle haben verschiedene Motive, und einer davon spielt gegen die Delegation.

Das zweite Kapitel stellt die wichtigen Personen innerhalb der Stadt vor, beleuchtet ihre Pläne und die Möglichkeit, wie man den Beraterkreis überzeugen kann, die Partei Al?Anfas zu ergreifen und für den Durchmarsch zu stimmen. Ebenso wird auch auf die Gegenspielerin aus dem Kemi-Reich und ihre Lakaien eingegangen und welche Maßnahmen diese ergreifen, um die Delegation und die Helden zu behindern. Zusätzlich erhält man Informationen über einzelne besondere Orte, an denen sich die Handlung in Bezug auf die genannten Personen abspielen kann.

Im dritten und letzten Abschnitt werden dann mögliche Lösungswege skizziert. Zunächst wird ein Ablauf ohne Mitwirken der Helden dargestellt, an dem man mögliche kritische Momente ersehen kann. Ergänzend werden dann von den Autoren Zwischenfälle und Hindernisse vorgestellt, in die die Helden verwickelt werden können und welche Folgen dies für die weitere Handlung hat. Auch ein ganz besonderer Feind aus den Vorbänden wird wieder aufgegriffen, an dem sich die Helden abarbeiten können. Zuletzt gibt es Vorschläge für den Aufbau des Spannungsbogens und des Finales.

Kritik

Dieser Band ist aus Sicht des Rezensenten mit Abstand der Höhepunkt der Kampagne. Thematisch durch den gesellschaftlichen Teil gar nicht so gut zur Kriegskampagne passend und eher ein inhaltlicher Ausreißer, entfaltet das Abenteuer vielleicht gerade deswegen seinen Reiz. Im Gegensatz zu den vorherigen Abenteuern wird dieser Teil viel weniger in einer Handlung vorgegeben, sondern lässt den Spielern und dem Spielleiter sehr viel Freiraum.

Die Szenerie mit Stadtbeschreibung, wichtigen Orten und vor allem den entscheidenden Personen und ihren Motiven und Hintergründen ist vorgegeben und bietet eine sehr gute Grundlage. Doch der Verlauf hängt entscheidend vom Vorgehen der Spieler ab. Dies ermöglicht dem Spielleiter damit auch, das Tempo und die Herausforderungen schnell anzupassen, je nachdem ob die Spieler schnell vorankommen oder im Dunklen tappen. Allerdings erfordert dies auf beiden Seiten auch Aktivität und Flexibilität. Die Spieler dürfen sich nicht ausruhen und darauf bauen, dass man ihnen alles vorsetzt. Sie entscheiden selbst, in welche Richtung es geht und mit wem sie wie verhandeln. Und der Spielleiter muss eben in der Lage sein, auf die unvorhergesehenen Handlungen viel intuitiver als sonst zu reagieren. Dazu ist er gefordert, die Gegenmaßnahmen und Bedrohung durch sowohl die Kemi als auch die unvorhergesehene weitere Partei immer wieder anzupassen. Er muss sich überlegen, ob diese Aktionen der Helden von den Gegenspielern erkannt werden und und wie diese dann handeln. Auch wenn die Autoren hierzu Hinweise geben, bietet es sich an, vorab verschiedene Optionen bereits auszuarbeiten.

Die Bandbreite der Zwischenfälle und Herausforderungen als Erweiterung der Handlung ist durchaus gelungen und bietet zusätzliche Ablenkungen. Für die eigentliche Handlung sind diese nicht wichtig und können weggelassen, wenn die Spieler nicht vorankommen.

Verbesserungswürdig scheint bei vielem Lob aber insgesamt die Strukturierung des Abenteuers. Die anscheinend unbedingt gewünschte Aufteilung auf drei Kapitel und zum Teil willkürliche Verteilung der Inhalte erschwert dem Spielleiter die Vorbereitung und das Spielen des Abenteuers. Warum wird etwa die Stadtbeschreibung im ersten Kapitel aufgeführt, der Zeitablauf aber erst im dritten Kapitel? Die Mission findet sich im ersten Kapitel, vieles zum Ablauf dann wieder im dritten Kapitel. Eine Aufteilung auf ein Handlungskapitel und ein Hintergrundkapitel (Orte, Personen) hätte besser gepasst.

Unbefriedigend ist weiter die Platzverschwendung, wenn auch bei Weitem nicht so negativ wie in den vorherigen Bänden. Hier handelt es sich vor allem um die mehrseitige Einleitung sowie Glossar und Zeittafel der Vergangenheit, die bekannt sind und immerhin 8 von 64 Seiten ausmachen.

Zum Ende aber auch noch ein großes Lob (an den Illustrator Steffen Brand): Die beiliegende farbige Stadtkarte ist wie alle Stadtkarten der fünften Edition sehr gelungen.

Fazit: Auch wenn die Strukturierung hätte besser sein können und die Platzverschwendung ein Dauerthema ist, ist das Abenteuer wirklich sehr gelungen. Es bietet viele Freiheiten für die Helden und Spieler, ein interessantes Grundproblem, schöne und spannende kleine Herausforderungen und interessante Gegenspieler. Selbst ohne die Kampagne könnte man das Abenteuer mit wenigen Anpassungen gut spielen. Das bisher beste Abenteuer der Kampagne!

Rabenkrieg V: Der Preis des Greifen
Abenteuerband
Armin Abele, David Schmidt
Ulisses Spiele 2021
ISBN: 978-3-96331-175-8
64 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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