Questers of the Middle Realms

"Questers of the Middle Realms" ist ein einfaches generisches Fantasy-Rollenspiel, das auf den bereits vielfach genutzten PDQ-Regeln von Chad Undercoffler basiert. Ob man ein weiteres Spiel im unüberschaubaren Wald der generischen Fantasy-Rollenspiele für nötig erachtet, muss man wohl selbst entscheiden, vielleicht ist "Questers" aber auch genau das Spiel, auf das man immer gewartet hat.

von amel

 

Die 72 Seiten lange pdf-Datei ist bei RpgNow.com (verlinkt von der Homepage des kleinen Verlages) für $ 8.95 zu erstehen. Sie ist mit wenigen Strichzeichnungen verschönert, die weder besonders negativ noch positiv herausragen. Sie erinnern stilistisch an Zeichnungen aus alten "D&D"-Zeiten. Das Layout ist sehr "luftig" mit breiten Rändern und wenig Angst vor weißen Flächen. Abgesehen vom Cover findet man kaum dunkle Flächen, was schonend für Toner oder Tinte ist.

Die PDQ-Regeln (von "Prose Descriptive Qualities") sind einfache Regeln, die mit nur fünf Stufen für Eigenschaften (von "armselig" bis "Meister") und zwei normalen sechsseitigen Würfeln auskommen. Jeder Charakter wird durch mehrere "Qualities" beschrieben, die sowohl klassische Attribute wie "weise" oder "stark" sein können, aber auch Berufe, Charaktereigenschaften, magische Fähigkeiten oder sogar besondere Gegenstände. So könnte eine Figur ein "guter Wikinger" sein, der "meisterlich stark" und ein "Experte im Schwertkampf" aber leider "armselig feige" ist. Die fünf Stufen der Werte reichen von "armseligen" -2 bis hin zu "meisterlichen" +6. Der Zahlenwert wird zu einem Wurf mit zwei Würfeln addiert, womit ein Mindestwurf beziehungsweise der Wurf eines Gegners übertroffen werden muss.

Alle Konflikte laufen gleich ab. Ein Angreifer (egal ob nun in einem Schachspiel, einer Debatte der einem physischen Kampf mit Schwertern) muss mit einem passenden Würfelwurf einen höheren Wert erzielen als der Verteidiger. Schaden – auch hier spielt es zunächst keine Rolle, ob der Schaden den Körper oder vielleicht nur das Ego betrifft – wird von beliebigen "Qualitities" abgezogen. Erst nach dem Kampf  bei der Heilung wird zwischen den einzelnen Arten von Schaden unterschieden (das Ego ist schnell wieder aufgebessert, doch der Arm wächst nur langsam wieder zusammen).

Fast alles ist nach dem gleichen Prinzip geregelt: Jedes erdenkliche Ding bekommt Qualitäten und auf diese kann gewürfelt werden. Das können Gegenstände wie ein "gutes" Schwert sein oder auch Tiere (ein "durchschnittliches" Pferd), und sogar der Umgang mit Geld kann so geregelt werden. Das macht das System übersichtlich und für den Spielleiter extrem einfach zu handhaben.

Die Grundregeln des PDQ-Systems können als 13 Seiten lange pdf-Datei von Chad Underkofflers Homepage (www.atomicsockmonkey.com) heruntergeladen werden. Wer einfache, flexible Systeme mag, dem kann ich nur empfehlen, dies auch mal zu tun.

"Questers" gibt sich aber nicht damit zufrieden, das Grundprinzip auf Fantasy anzuwenden, sondern hat viele kleine und teilweise wegen ihrer Einfachheit erstaunlich gelungene Extras eingefügt (oder aus anderen PDQ-Spielen übernommen). Das Magiesystem, eine Abwandlung von Underkofflers System zur Handhabung von Superheldenkräften (beschrieben in seinem großartigen "Truth and Justice"), ist allerdings etwas knapp geraten. Man muss zunächst ein gutes Gefühl für die Regeln entwickeln, sonst wird man am Anfang viele unnötige Diskussionen und spätere Änderungen der Handhabung am Spieltisch erleben. Als Ausgleich gibt es mehrere Magiesysteme, die für alle klassischen Magieformen im Rollenspiel genügen sollten.

Ein kleiner Geniestreich ist die Handhabung von Religion und Priestern. Jeder Charakter kann einen Gott für sich arbeiten lassen, wenn er in dessen Gunst steht (simuliert durch Punkte). Priester haben es durch eine bestimmte Qualität leichter. Es gibt ein paar wichtige Götter, doch die vielen Duzend Nebengötter, die auf Fantasywelten so kreuchen und fleuchen, werden während des Spiels von den Spielern erfunden. Auf jedem Charakterbogen ist eine Liste, in die frisch erfundene Götter eingetragen werden. Nach und nach ergibt sich so ein für alle nachvollziehbares Pantheon an Göttern, die vom Spielleiter ins Spiel eingebracht werden können und sollen. Erlangt ein Charakter durch bestimmte Taten die Gunst eines Gottes, so fällt er vielleicht bei einem anderen in Ungnade. Göttliche Intrigen, wenn man denn so etwas in seinem Spiel haben will, sind so nur einen Blick auf den Charakterbogen entfernt. Ähnliches gilt auch für die verschiedenen Organisationen der Welt, die auch teilweise bei der Charaktererschaffung von den Spielern erfunden werden.

"Questers" wirbt damit, weniger ernsthaft zu sein, als andere Fantasysysteme. Sucht man in den Regeln (abgesehen von einigen Formulierungen) noch vergeblich nach "Witzigkeit", so findet man diese aber umso mehr in der Beschreibung der Welt. "Questers" spielt herrlich mit den typischen Klischees. Die Rassen werden überzogen dargestellt und die Weltkarte sieht wie etwas aus, das ich mal zu Schulzeiten gemacht habe: Eine Insel über die gleichmäßig verteilt einige Namen und geografische Merkmale verteilt sind. So sind dann auch alle Klischees vorhanden: alles von der heißen Wüste bis zum unheimlichen Wald.

Die Beschreibungen bringen es immer herzerfrischend deutlich auf den Punkt. Es sind aber auch hier meist die Formulierungen, die den Witz bringen. Wenn man mit Klischees leben kann (wenn man es genau nimmt, tun wir das meist schon mit unserem derzeitigen Fantasyspiel), kann auch hier eine übertriebene Spaßigkeit vermieden werden.

Am Ende kommt ein einfaches, intelligentes Spiel heraus, das nicht allzu ernst genommen werden will. Man mag sich beim ersten Lesen fragen, wo "Questers" denn nun eigentlich hin will. Für eine Parodie fließt zu wenig Witz ins Spielgeschehen, für ein normales Rollenspiel ist die Welt an manchen Stellen einfach zu klischeehaft. Da das Spiel aber sehr stark auf das Baukastenprinzip setzt, bei dem ohnehin von den Eigenschaften bis zu den Göttern alles mögliche von den Spielern und dem Spielleiter selbst gemacht wird, stört es nur wenig, dass "Questers" nicht so recht weiß, wo es hingehört. Sucht man ein einfaches Fantasyregelwerk für eine Abenteueridee zwischendurch, hat man mit knapp 40 Seiten Regelteil alles, was man braucht. Will man auch eine Welt dazu, bekommt man die Grundlagen dafür sehr unterhaltsam und auf den Punkt gebracht dargeboten und kann die zwei oder drei parodistischen Dinge, die im Spiel wirklich vorkommen würden, entweder abändern oder als Spaßfaktor drinlassen. Am eigentlichen Abenteuer wird das wenig ändern.

Fazit: Die Zielgruppe von "Questers of the Middle Realms" besteht wahrscheinlich aus Spielleitern, die eine nette Idee für eine kleine Fantasykampagne (oder ein Abenteuer) haben und einfache Regeln suchen, mit denen sie diese umsetzen können. Sie bekommen sogar eine Welt, in welche die Idee mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit irgendwo hineinpassen wird, und wenn sie jetzt auch noch ein Spiel bevorzugen, das sich selbst nicht so ernst nimmt, können sie praktisch jede Zeile von "Questers" gewinnbringend nutzen.

Questers of the Middle Realms Grundregelwerk Tim Gray Silver Branch Games 2006 ISBN: n.a. 72 S., pdf-Datei, englisch Preis: $ 8,95 bei RPGNow.com kaufen

Links:

 

www.silverbranch.co.uk