Professor Zamorra: Crestfallen Point

„Ein Buch, wenn es so zugeklappt daliegt, ist ein gebundenes, schlafendes, harmloses Tierchen, welches keinem was zuleide tut. Wer ihm die Nase nicht gerade zwischen die Kiefern steckt, den beißt es auch nicht.“ So soll Wilhelm Busch einst geurteilt haben. Wer Simon Borners „Crestfallen Point“ aufschlägt, bekommt es bald mit gemeingefährlichem Schriftgut zu tun.

von Simon Ofenloch

 

Crestfallen Point, eine Inselsiedlung in der kanadischen Provinz British Columbia. Die Sommersaison ist vorüber, und eigentlich will das dösige „Bücherdorf“ in der Nähe von Vancouver nur noch in den winterlichen Dornröschenschlaf fallen. Da geschieht Übernatürliches. Abgeschnitten vom Festland und der Zivilisation wird die kleine kanadische Insel zum Schauplatz eines grausamen Spiels, dessen Regeln der Tod diktiert. Opfer dämonischer Attacken werden auch die Mitglieder eines Filmteams, die nach Crestfallen Point gekommen sind, um dort die neueste Folge einer ebenso miesen wie unglaublich erfolgreichen Serie mit Vampir-Elementen zu drehen. Professor Zamorra weilt ebenfalls auf der Insel. Ein wohlhabender Psychologe, der dort ein Privatsanatorium betreibt, hat ihn um Hilfe gebeten im Fall eines amerikanischen Fernsehpredigers, der von seltsamen Albträumen geplagt wird: Riesige Engel aus Stein verfolgen den unaufrichtigen Geistlichen und wollen ihn töten. Als die Träume wahr werden, nimmt Professor Zamorra den Kampf gegen das Grauen auf, dessen Ursprung in den staubigen Regalen der Antiquariate von Crestfallen Point lauert. Und sieht sich dabei mit den Geistern seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert. Es kommt zu einem Gefecht, das der Professor alleine nicht gewinnen kann ...

„Crestfallen Point“ ist Simon Borners erster Beitrag zur Hardcover-Edition des Zaubermond Verlags. Dabei ist Simon Borner kein Anfänger im Schreibgewerbe und kein Neuling im „Professor Zamorra“-Universum. Der Autor hat schon mehrere Heftromane verfasst, arbeitete und arbeitet als Journalist, Übersetzer und Lektor. Die Handlung des vierunddreißigsten Hardcover-Bandes zur Heftromanreihe „Professor Zamorra – Der Meister des Übersinnlichen“ spielt laut vorangestellter „historischer Einordnung“ nach Nicole Duvals Trennung von Professor Zamorra sowie während jener Phase, in welcher Merlins Stern zur Reparatur bei Asmodis ist. Es ist Simon Borner hoch anzurechnen, dass er Professor Zamorras persönliche Probleme nicht überdramatisiert oder zu sehr in den Vordergrund stellt. Ein von Selbstzweifeln geplagter, trauernder Strohwitwer hätte sicherlich niemandem zur Unterhaltung gedient. Die Abwesenheit von Nicole Duval wird nur in ganz kurzen Passagen thematisiert. Ansonsten geht es um die Geheimnisse von Crestfallen Point.

Für seinen ersten Hardcover-Roman mit dem „Meister des Übersinnlichen“ hat Simon Borner einen reizvollen Schauplatz gewählt. Die Abgeschiedenheit einer Insel mit dem Phänomen eines „Bücherdorfes“ zu paaren, ist ein origineller Ansatz. Auch die Figur des ungläubigen Gläubigen, des Fernsehpredigers, dessen Gott der schnöde Mammon ist, ist durchaus interessant und für die Reihe erfrischend ungewöhnlich. Der Arbeitsrahmen des Filmteams gemahnt an die US-amerikanische Serie um den Reporter Carl Kolchak, den „Night Stalker“, der auch in den beiden Spielfilmen „The Night Stalker“ und „The Night Strangler“ auftrat. Eine nette Hommage an einen Klassiker des Genres.

Doch dann gibt es immer wieder Klischees und Standardsituationen, übliche Handlungsverläufe, welche die Originalität konterkarieren, die Lesefreude bremsen und den Gesamteindruck des Romans belasten. Vor allem in der Beschreibung des Drehteams und den einzelnen Charakterisierungen der Filmemacher – sowohl vor wie hinter der Kamera – wird Stereotyp an Stereotyp gereiht. Man scheint beinahe jede Personen- und Handlungsbeschreibung schon zu kennen. Die Figuren werden so wenig plastisch, wenig überzeugend, ihre Verhaltensweisen und Schicksale leidlich fesselnd.

Den größten Ausrutscher leistet sich Borner auf Seite 91. Dort gibt es einen sich einnässenden Helden. Hier verfährt der Autor geradezu frevelhaft mit dem „Professor Zamorra“-Franchise. Es gibt diese Stellen, an denen dem Autor wohl die Pferde durchgehen, wo er im Schreibwahn ein Klischee ans andere reiht, Standardsituationen mit den altbekannten Phrasen beschreibt, auch ohne Rücksicht auf Verluste. Ein Held, der sich in die Hose uriniert...?! Na ja. – Eine Bloßstellung, mit der alle „Professor Zamorra“-Autoren fortan zu leben und zu arbeiten haben werden. Hier ist ein Makel, ein Fleck entstanden, der sich nicht so schnell auswaschen lassen wird.

Am Ende von „Crestfallen Point“ geht alles etwas hoppladihopp. Reichlich unvorbereitet und daher arg konstruiert kommt es zu einer Deus-Ex-Machina-Auflösung – und zu einem Epilog, dem es dann doch wieder etwas zu versöhnen gelingt.

Fazit: Von der Pinkelpanne abgesehen ist der Roman durchaus unterhaltsam. Das Grundszenario ist originell. Mehrere Handlungsstränge verlaufen zunächst parallel und finden dann zur Auflösung zusammen. Einige atemberaubende Monsterattacken mögen für manch klischeelastige Passage entschädigen.


Professor Zamorra: Crestfallen Point
Horror/Mystery-Roman
Simon Borner
Zaubermond-Verlag 2010
ISBN: n.a.
256 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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