von Bernd Perplies
Nichts ist mehr, wie es war, in dem von Wim Vandemann verfassten, vierten Band der sechsteiligen „Ara-Toxin“-Reihe des Heyne Verlags. Glaubte man bis zum Ende von „Nekrogenesis“ noch, man habe es mit einer tödlichen Seuche zu tun, die es zu bekämpfen gelte, wird plötzlich klar, dass das Ara-Toxin viel mehr ist, als nur ein alles Leben vernichtender Supervirus.
Denn irgendwie ist der Planet Remion am Ende der wütenden Plage nur auf den ersten Blick eine tote, graue Schlackekugel. Auf den zweiten beginnt sie zu völlig neuem Leben zu erwachen, einer fremdartigen, kristallinen Lebensform, die Perry Rhodan zu seinem Schrecken nicht zum ersten Mal in seinem Leben erblickt. Bereits 2402 alter Zeitrechnung trafen die Terraner in der Galaxie Andro-Beta auf die planetengroßen Energiefresser, Moby getauft, die – wenn entfesselt – furchtbare Zerstörung anrichten können. Und nun ist ein neuer Moby am Entstehen. Natürlich muss dies verhindert werden. Eine gefährliche Expedition in den Proto-Moby hinein soll dabei helfen.
Unterdessen kommt der festgenommene Ara Trantipon, der Schöpfer des Ara-Toxins, bei einem Kampf gegen seine Bezwinger ums Leben, wird aber von seinem genialen Kollegen Plob Arnoyn in einer komplizierten Prozedur wiederbelebt. Kurz darauf flieht er zum nahen Planeten Oyloz. Julian Tifflor setzt sich auf seine Fährte. Was folgt, ist eine Jagd über eine öde, von wandernden Feuern und lebendigen Schienensträngen durchzogene Welt. Hier leben die Borloomer, schildkrötenartige Wesen, die mit ihren „eisernen Karawanen“ – riesigen Zugungetümen – den Schienensträngen von Karawanserei zu Karawanserei folgen – immer auf der Flucht vor dem Feuer, das sie alle verbennen könnte.
Und weil dies noch nicht genug Handlung ist, bringt Wim Vandemaan noch zwei weitere Perspektiven ins Spiel: zum einen die von Trantipon selbst, der nach der Wiederbelebung mühevoll sein Bewusstsein wieder zusammensetzt (was teils zu eigenwilligen stilistischen Experimenten des Autors führt) und dabei Einblick in seine Vergangenheit als Medizinstudent gewährt. Zum anderen wäre da Orontiu Pleca, ein Borloomer, der seltsame Träume hat, die auf ein uraltes Übel hindeuten, das auf seiner Welt ruht. All das – der Moby, Trantipons Wiederbelebung, Orontius Träume und der noch namenslose Schrecken – gehören irgendwie auf irritierende Weise zusammen. Wie? Das enthüllt sich erst auf den letzten paar Seiten.
Wim Vandemaans Beitrag zur „Ara-Toxin“-Reihe ist zweifellos der bislang sperrigste Teil – im Guten wie im Schlechten. Sehr schön ist das exotische Volk der Borloomer beschrieben, und regelrecht faszinierend sind seine eisernen Karawanen zu nennen. Gerne hätte man als Leser noch mehr Zeit auf dieser Welt verbracht und versucht zu verstehen, warum es dort wandernde Feuer, lebendige Schienenstränge und mysteriöse Schachtmeere gibt. (Man kann sich das eine oder andere denken, aber explizit werden keine Antworten gegeben.)
Sehr spannend, um nicht zu sagen: drastisch, stellt sich auch Trantipons Vergangenheit als Medizinstudent dar. An der Seite des ebenso genialen wie wahnsinnigen Studenten Meharro erlebt er eine Zeit als Teil eine Elite-Studentengruppe, in der sich immenses Wissen mit vulgärer Dekadenz paart. Es gibt ein paar wirklich fiese Szenen in dieser Vergangenheit und insbesondere Meharro zeichnet Vandemann faszinierend als völlig amoralisches Monster – wenn er sich auch nach außen hin sanft gibt.
Bei allen tollen Ideen ist der Stil des Autors jedoch etwas sperrig zu lesen. Mitunter wirft Vandemaan regelrecht mit wissenschaftlichen Formulierungen um sich – das mag zwar der realistischen Verankerung dienen, fühlt sich aber eher gezwungen an. Auch die Stilexperimente im Zusammenhäng mit Orontius Träumen und Trantipons Bewusstseinsfindung legen dem Lesefluss immer wieder leichte Stolpersteine in den Weg. Nennt mich einen Literaturbanausen, aber von einem „Perry Rhodan“-Roman erwarte ich einfach nur gute Unterhaltung, keinen durch fehlerhafte Synapsen zerhackten stream of consciousness.
Zudem ist das Ende, das ich hier natülich nicht verraten, etwas seltsam. Wie aus dem Nichts taucht eine völlig neue Partei galaktischer Größenordnung auf der Spielfläche auf, nur um nach einem kurzen, hektischen Zerstörungslauf wieder zu verschwinden (und ich habe das Gefühl, sie kommt auch nicht wieder). Dieser Einbruch in die normale Handlung wäre nicht nötig gewesen. Er wirkt meines Erachtens wie ein Fremdkörper innerhalb des Zyklus, denn hier wird ein gewaltiger Konflikt angedeutet – und dann auf einer Handvoll Seiten im Keim erstickt. Wozu das Ganze also? Um dem Roman ein eigenständiges, vom Ara-Toxin unabhängiges Drama zu verleihen?
Im Kontext des gesamten Zyklus stören mich zu guter Letzt noch zwei Kleinigkeiten: So werden die umgewandelten Körper von Perry Rhodan und Julian Tifflor, die mittlerweile wirklich hinfällig geworden sind, kaum noch erwähnt. Das Gleiche gilt für die geheimnisvolle Killerin Zhana, die in Band 1und 2 noch eine vollwertige Nebenfigur war, mittlerweile aber zur unwichtigen Statistin degradiert wurde – ohne dass das Geheimnis ihrer Phiolen im Körper oder der induzierten Liebe zu Tifflor geklärt worden wäre. Hier lässt die Reihe zwei angefangene Handlungsstränge auf sträfliche Weise in der Luft baumeln.
Als Bonus befindet sich diesmal eine Kurzgeschichte von Andreas Eschbach im Anhang, die kurzweilig zu lesen ist und eine nette Pointe hat. Aber auch hier taucht ein Ara nur peripher auf – entgegen dem erklärten Ziel, in diesen Stories mal Aras vorzustellen, die keine galaktischen Mediziner sind.
Fazit: Wim Vandemaan gibt dem Leser in „Die eiserne Karawane“ einiges zu knabbern. Fantastische Entwicklungen, wie die Geburt eines Moby aus der Schlacke von Remion, und eine exotische Welt Oyloz stehen Seite an Seite mit der erschreckenden Vergangenheit Trantipons und dem Erwachen einer völlig neuen Bedrohung. Dramaturgisch verknoten sich diese Handlunsgsstränge mitunter etwas ungeschickt, wie man vor allem gen Ende bemerkt, und auch die eine oder andere stilistische Klippe gilt es zu umschiffen. Trotzdem eine faszinierende Lektüre, die viel Stoff auf ihren 415 Seiten unterbringt.
Perry Rhodan: Ara-Toxin 4: Die eiserne Karawane
Science-Fiction-Roman
Wim Vandemaan
Heyne 2008
ISBN: 978-3-453-52389-0
415 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 6,95
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