Pagan: Fate of Roanoke (Kickstarter-Preview)

Die Hexe steht an ihrem Kochtopf, denn ein Trank will vollendet werden. Dieser wird es ihr endlich erlauben, die Eindringlinge zu vertreiben. Doch plötzlich erschallt die schrille Warnung ihres Raben. Ein Mann beobachtet das Haus. Er hat geschworen, die Menschen dieses Ortes zu schützen, und muss die Hexe finden. Eine Faust trifft auf die Tür der Hütte. Zwischen aufeinander gepressten Lippen kämpfen sich ein paar dürre Worte den Weg ins Freie: „Tretet ein, was wünscht ihr?“

von KaiM

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Dies ist eine Vorschau auf ein Spiel, welches derzeit im Rahmen einer Kickstarter-Kampagne finanziert wird.

Einleitung

Bereits zur „SpielDigital 2020“ habe ich einen ersten Blick auf das Spiel geworfen und war sofort interessiert. Ein Deduktionsspiel für zwei Personen, welches zwar auf den ersten Blick an diverse Produkte aus dem Hause Fantasy Flight Games erinnert, aber es sollte sowohl kompetitiv als auch mehr als nur ein wenig asymmetrisch sein. Der zweite Blick offenbarte, dass es sich deutlich von den typischen kampforientierten Spielen unterschied, bei denen es hauptsächlich darum geht, dem Gegner Schaden zuzufügen, bis man den Kampf gewonnen hat. Vielmehr verfolgen die Spieler unterschiedliche Ziele, die es zu verhindern beziehungsweise zu erreichen gilt.

Dieses ambitionierte Projekt wird zudem von einem kleinen Verlag aus Norddeutschland mittels Crowdfunding realisiert. Ich bin zwar inzwischen kein großer Freund dieser Art von Vorfinanzierung von Brettspielen mehr, aber hier hat mich das wenig abgeschreckt. Ich wusste, dass ich das Spiel unbedingt testen wollte, was dank virtueller Spieleplattformen auch problemlos möglich war.

Die Geschichte

Die Ortschaft Roanoke ist ein einsamer Ort an der Westküste von Nordamerika. Tatsächlich gibt es eine Legende, dass Pioniere diesen Ort eine Weile bewohnten, aber irgendwann einfach spurlos verschwanden. Niemand hat jemals wieder etwas von seinen Bewohnern gehört oder gesehen. Ein Kapitän, der dort für kurze Zeit gelebt hat, fand nur noch verlassene Ruinen und hat trotz intensiver Suche niemals jemanden finden können.

Hier setzt das Spiel an und ersinnt die Geschichte einer Hexe, die mit ansehen muss, wie die Dorfbewohner die Natur ausbeuten und zerstören. Sie selbst lebt zwar unter den Menschen, bereitet aber ein Ritual vor, um das Land zu reinigen und es der Natur zurückzugeben, indem sie die Bewohner vertreibt. Ihre Aktivitäten bleiben aber nicht unbemerkt, und daher wird ein Jäger entsandt, der die Hexe finden und ausschalten soll. Da die Hexe unter den Dorfbewohnern wohnt, ist jedoch nicht einfach herauszufinden, wer sie ist. Also werden Menschen befragt, Untersuchungen gestartet, Verbündete gesucht und mit allen Mitteln versucht, das Ritual zu verhindern. Die Hexe muss indes das Ritual vorbereiten und versuchen, so lange ihre Spuren zu verwischen, bis sie es durchführen kann.



Spielprinzip

Die Ziele der beiden Kontrahenten sind sehr unterschiedlicher Natur. Während der Jäger Hinweisen von einzelnen Dorfbewohnern nachgeht und Beweise sammelt, redet die Hexe mit den Menschen und entlockt ihnen ihre kleinen Geheimnisse, damit sie ihr irgendwann einen Gefallen tun. Dafür interagieren die beiden abwechselnd mit den neun Verdächtigen, indem sie ihre Helfer zu ihnen schicken. Der Jäger nutzt die Beweise, um die Dorfbewohner einen nach dem anderen zu entlasten. So grenzt er die Anzahl der Verdächtigen immer weiter ein und zwingt die Hexe dazu, selbst aktiv zu werden.

Denn wenn die Hexe, die sich hinter einem der Bewohner verbirgt, genug Gefallen angesammelt hat, kann sie ihr Ritual durchführen und das Land so für die Natur zurückgewinnen. Hat der Jäger einen konkreten Verdacht, hinter welcher Figur sich die Hexe verbirgt, kann er einen Dorfbewohner exekutieren, was natürlich kein besonders feiner Zug ist. Insbesondere dann nicht, wenn er daneben liegt und einen Unschuldigen hinrichtet. Daher toleriert das Dorf dieses Verhalten auch nicht. Spätestens sobald er den dritten Dorfbewohner exekutiert hat und die Hexe immer noch lebt, hat sie das Spiel gewonnen.

Die Hexe bedient sich ihrer Zauber und Tränke, die ihr zu einem ausgewählten Zeitpunkt eine mächtige Unterstützung bieten. Außerdem kann sie durch Verzauberungen und Beschwörungen die Natur gegen den Jäger aufbringen und ihm dauerhaft Steine in den Weg legen. Wie es sich für eine gute Hexe gehört, hat sie auch einen tierischen Begleiter. Diesen kann sie im Laufe des Spiel mit speziellen Fähigkeiten ausstatten, damit er ihr beizusteht.

Auf der anderen Seite steht der Jäger natürlich auch nicht ganz alleine vor seiner schweren Aufgabe. Er bekommt Unterstützung durch Verbündete, die gegen die Machenschaften der Hexe ankämpfen. Außerdem kann er Untersuchungen gegen einzelne Dorfbewohner einleiten, die ihm entweder konkret weiterhelfen oder aber der Hexe ein Dorn im Auge sind. Doch das ist noch nicht alles, denn er kann weitere Orte schaffen, die es nur ihm ermöglichen, verschiedene, recht mächtige Aktionen durchzuführen.

Die Aktionen der Helfershelfer werden genutzt, um Karten vom eigenen Stapel zu ziehen, Einfluss zu gewinnen oder auch Karten auszuspielen, die ihrerseits mit Einfluss bezahlt werden müssen.


 
Das Material, die Regeln, die Illustrationen.

Über das Material kann man natürlich noch nicht viel sagen, da noch keine massenproduzierte Version dieses Spiels existiert. Vielmehr kann man auf der Spieleplattform Tabletopia eine Probepartie am hauseigenen Computer wagen, dazu bietet der Verlag jeden Freitag einen Spieleabend an, um die Regeln zu erklären und Interessierte zusammenzuführen. Nichtsdestotrotz kann man dort natürlich einen sehr guten Eindruck vom Spiel bekommen. Zum Beispiel kann man einen Blick auf die Regeln werfen. Das verfügbare digitale Regelheft macht schon einen sehr guten Eindruck, wird aber noch laufend aktualisiert. Auch ohne die Erklärung eines Fachmanns bleiben nur wenige Fragen offen, denn die Texte sind verständlich geschrieben und in Summe ist alles gut strukturiert. Auch das Layout und die Beispiele machen einen guten Eindruck. Leider habe ich schon so manche Kickstarter-Kampagne erlebt, die es selbst im fertigen Produkt nicht zu einem Regelbuch dieser Reife geschafft hat.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen sei jedoch angemerkt, dass es sich hier keineswegs um ein Familienspiel handelt. Man hat in jedem Zug einige Sachen zu beachten und alleine nach dem Studium der Regeln weiß man noch nicht genau, wie das Spiel wohl funktionieren wird. Auch ist diese Art von kartenbasierten Spielen nicht für jedermann, denn man muss aus den zur Verfügung stehenden Mitteln einen Plan entwerfen, um seine Ziele zu erreichen, und dabei gibt es einiges zu beachten.

Die (virtuellen) Komponenten vermitteln ebenfalls, dass wir es hier mit einem ausgereiften Produkt zu tun haben. Der Tischaufbau ist aufgeräumt und strukturiert, was bei diesem Spiel auch notwendig ist. Es gibt mehrere Tableaus, die Ordnung schaffen und helfen, die diversen Karten zu organisieren. Denn abgesehen von ein paar verschiedenen Markern, dreht sich hier alles um die Karten. Das Layout ist nicht nur funktional, sondern sind auch wunderbar illustriert und vermittelt eine dem Thema entsprechend schön düstere Stimmung.

Wie immer bei Kickstarter-Projekten bekommt man vorher nie das finale Produkt präsentiert, aber es scheint so, als würden wir es hier mit einem nahezu fertig entwickelten Spiel zu tun haben.



Das Spielgefühl – Ein Versteckspiel par excellence

Die Hexe und der Jäger führen abwechselnd ihre Züge durch. Sie bauen ihren Einfluss auf, bezahlen Verbündete und senden dann ihre Helfershelfer aus, um die Dorfbewohner zu beeinflussen. Während der Jäger versucht, möglichst schnell Hinweise und Beweise zu sammeln, baut die Hexe ihren Einfluss auf die Dorfbewohner aus. Dabei ist man als Jäger unter ständigem Druck, denn man kann nicht alle Aktivitäten der Hexe verhindern. Man muss abschätzen, was man noch durchgehen lassen kann und immer auf Asse in ihrem Ärmel gefasst sein. Auf der anderen Seite muss man so schnell wie möglich anfangen, die unschuldigen Dorfbewohner zu ermitteln.

Konzentriert man sich auf die Dorfbewohner, kann die Hexe ihren Einfluss ungehindert ausbauen und man läuft Gefahr, irgendwann nicht mehr Herr der Lage werden zu können. Auf der Seite der Hexe fühlt man sich wie bei einem Tanz auf der Rasierklinge. Ist man zu schnell, läuft man Gefahr, seine Identität zu offenbaren. Der Jäger braucht keine lange Vorbereitungszeit, um einen Dorfbewohner zu exekutieren. Also kann es schnell tödlich enden, wenn die Hexe erst einmal enttarnt ist. Die Vorbereitung auf das Ritual will also vorsichtig geplant sein. Lässt man sich aber zu lange Zeit, dann sind zu viele Dorfbewohner entlastet und man kann sich kaum noch sicher sein, den Jäger täuschen zu können.

Jede Aktion ist wunderbar thematisch eingebettet. Seien es die Tränke oder der Gefährte der Hexe oder aber die Verbündeten des Jägers sowie die Untersuchungen, die er anstellen kann. Auf beiden Seiten herrscht ständig ein großer Druck, irgendwie voranzukommen, ohne dem anderen zu viel Spielraum zu lassen. Man fühlt sich tatsächlich als Jäger und auch als Hexe in einem mittelalterlichen Katz-und-Maus-Spiel. Jede Aktion geht nur darum, die Pläne des Gegners zu durchkreuzen oder die eigenen voran zu treiben. Wenn man also mit jemandem spielt, der es schon nicht vertragen kann, dass man ihm einen Arbeiterplatz wegschnappt und er deswegen weniger Schafe hüten kann, dann sollte man von diesem Spiel wohl lieber die Finger lassen.



Ausblick

Das Spiel, so wie es ist, macht einen finalen Eindruck und bietet Stoff für jede Menge spannende Partien. Doch das Projekt geht einen Schritt weiter und will das Thema Deckbuilding als elementaren Bestandteil etablieren. Geplant ist ein LCG (living card game), welches mit Erweiterungen und Sets die Möglichkeit bietet, immer neue Kartenkombos auszuprobieren. Auf diesen Aspekt findet man aktuell noch keinen Hinweis im Spiel. Die Regeln gehen auf das Thema Deckbau noch nicht ein und es werden auch in der digitalen Version keine Karten zur Verfügung gestellt, um davon einen Eindruck zu bekommen. Dieser Teil wird für mich definitiv einer der spannenden Aspekte der Kampagne. Denn wenn es gelingt, mit weiteren innovativen Ideen taktisch raffinierte Kombinationsmöglichkeiten zu schaffen, dann sehe ich auf jeden Fall die Chance, dass hier ein tolles Turnierspiel geschaffen wird.    

Fazit: Schon in der jetzigen Fassung weiß das Spiel zu begeistern. Alleine die Illustrationen und die thematische Einbettung sind grandios, aber auch das Gameplay ist spannend und ausgewogen. Wer auf knallharte, immersive Duelle steht und wem beim Gedanken an optimierte Kartendecks ganz warm ums Herz wird, dem kann man nur eines raten: zuschlagen!

A summary: This game appears to be highly competitive and for two players only. It’s strongly asymmetric and differs from most of the games in this genre I know so far. The witch, who wants to cleanse the land and to protect it from the foreign forces prepares a ritual and wins if she is able to accomplish it. The hunter wants to identify the witch and wins if he can find her before the ritual is done. The game itself is impressingly thematic and every action pulls you into the story. It gets very thrilling after just a few rounds and keeps the pressure on both players until the end. If you like card driven games for two players I can absolutely recommend backing it.

Pagan – Fate of Roanoke
Kartenspiel für 2 Spieler ab 10 Jahren
Kasper Kjær Christiansen, Kåre Werner Storgaard
Wyrmgold Verlag 2021 (geplant)
Sprache: Deutsch / Englisch
Preis: EUR ca. 40 Euro

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