Obscurio

Für viele Menschen sind Bücher ein Zeichen der Hoffnung und der Zuflucht. Bei „Obscurio“ wird diese Zuflucht zum Gefängnis, und ein Buch ist tatsächlich die einzige Hoffnung einer Gruppe von Magiern, dieses Gefängnis zu verlassen.

von Kai Melhorn

In den letzten Jahren und spätestens seit „Codenames“ haben leicht zugängliche Spiele für mittelgroße Gruppen Konjunktur. Fernab vom Partycharakter eines „Tabu“ haben diese Spiele aber eines damit gemeinsam, denn es geht oftmals um das Geben von Hinweisen und das Erraten einer Lösung.

„Obscurio“ ist eines dieser Spiele. Eine Gruppe von 1 bis 7 Magiern ist in einer magischen Bibliothek gefangen und versucht daraus zu entkommen. Egal durch welche Tür die Magier gehen, sie landen immer wieder im selben Raum und nur, wenn sie es schaffen, mehrfach die richtige Tür zu erraten, wird die Bibliothek sie irgendwann in die Freiheit entlassen. Der Hexenmeister und Besitzer der Bibliothek leitet die Magier mit Hilfe von Illusionen in die Irre, und die einzige Chance, die die Magier haben, ist das alte Grimoire (eine Spielerrolle), dass ihnen wortlos Hinweise auf die richtige Tür gibt. Doch leider sind nicht alle ganz ehrlich, denn es gibt einen Verräter in den Reihen der Magiebegabten und natürlich will dieser die Gruppe durch die falschen Türen locken. Zudem hat der Hexenmeister die Bibliothek mit einer Menge Fallen versehen, die das Leben der Magier noch schwerer machen.

Die Zeit spielt gegen die Gruppe und daher wird die Dauer einer Flucht mit ca. 40 Minuten angegeben und die Magier sollten zumindest 10 Jahre alt sein. Die veranschlagte Spielzeit würde ich eher auf eine Stunde anheben, was auch an der Routine des Grimoires liegt, welches im Großen und Ganzen durch die Runde leitet. Das Mindestalter kommt hin, wobei in einer Gruppe mit Erwachsenen auch jüngere Kinder zum Zug kommen und ihren Spaß haben. Bei uns hat es gut funktioniert, wenn sie keine der beiden Sonderrollen bekommen, wobei das natürlich auch vom Kind abhängt.



Das Spiel

Bevor ich nun wie sonst auf das Material eingehe, soll dieses Mal zunächst der Spielverlauf erklärt werden, damit die Anmerkungen zum Material auch verstanden werden können. Das Grimoire hat die Aufgabe, die Magier aus der Bibliothek zu führen. Von einem großen Stapel runder Karten zieht der entsprechende Spieler verdeckt eine davon und sieht sie sich an. Jede dieser Karten zeigt ein anders Bild und dieses muss nun von den Spielern der Magier als die Lösung dieser Runde erkannt werden. Anschließend zieht der Grimoire-Spieler zwei weitere Karten und legt sie in die Vertiefungen eines aufgeschlagenen Buches. Nun nimmt er zwei Hinweismarker und markiert Stellen auf den beiden Bildern, die auf das Lösungsbild hindeuten.

Anschließend müssen alle Magier die Augen schließen und das Grimoire bittet den Verräter, die Augen wieder zu öffnen. Nun zeigt das Grimoire ihm acht weitere Bilder, aus denen er zwei auswählen kann, um die anderen in die Irre zu führen. Nun darf der Verräter wieder die Augen schließen bevor sie dann alle gemeinsam wieder öffnen. Jetzt werden noch weitere Karten vom verdeckten Stapel gezogen, bis das Grimoire sechs Bilder beisammen hat. Diese werden an die Ausgänge der Bibliothek (dem Spielbrett) angelegt und die Zeit gegen die Magiergruppe beginnt zu laufen. Sie müssen sich nun beraten, welches Bild die richtige Lösung sein könnte, und schließlich darf sich jeder für eine Lösung entscheiden.



Findet wenigstens ein Magier die richtige Lösung, darf die Gruppe dem Ausgang etwas näher rücken. Auf der anderen Seite verliert die Gruppe aber auch für jeden falschen Tipp an Zusammenhalt, der durch Marker symbolisiert wird. Geht der letzte Zusammenhalt der Gruppe verloren, ist es unmöglich, noch aus der Bibliothek zu entkommen, und der Verräter (und mit ihm der Hexenmeister) hat das Spiel gewonnen. Erreichen die Magier den Ausgang, solange noch mindestens etwas Zusammenhalt da ist, haben sie gemeinsam mit dem Grimoire gewonnen.

Um es nicht zu einfach zu machen, werden während des Spiels noch Fallen ausgelegt, die einen zufälligen Nachteil für die Magier mit sich bringen. Zudem dürfen sich die Magier nicht zu lange beraten, weil in der nächsten Runde sonst noch mehr Fallen auf sie lauern.

Das Spiel ist flüssig und kurzweilig. Es gibt immer was zu tun, es gibt immer etwas zu diskutieren. Auch als Grimmoire fiebert man mit, ohne wirklich etwas beitragen zu können und nicht zu Letzt lernt man auch, wie eine Gruppe die eigenen Hinweise interpretiert. Die Gruppe ist durch den Verräter in den eigenen Reihen ohnehin immer am rätseln, am interpretieren und am kalkulieren.



Ist man als Verräter zu schnell erkannt, wird es für diesen Spieler natürlich etwas langweilig. Zwar kann man fast bis zum Schluss weiter spielen, aber das eigene Wort hat kaum noch Gewicht und man kann nur noch durch die Auswahl der irreführenden Bilder Einfluss nehmen. Daher sind zwei Dinge dringend anzuraten. Zum Einen macht es Sinn, eine stimmungsvolle Musik im Hintergrund laufen zu haben. Nichts ist ärgerlicher, als wenn der Verräter durch ein winziges Geräusch enttarnt wird. Zum Anderen sind die Magier unbedingt darauf hinzuweisen, dass auch jegliche Bewegung, jeder Laut oder ein unachtsam gesprochenes Wort eine Auskunft über sie selbst geben.

Manche Partien enden sehr knapp und sind spannend bis zum letzten Rätsel, in diesen Momenten sind alle Spieler voll dabei und es wird leidenschaftlich diskutiert. Manche Runden entwickeln schnell eine Tendenz, die oft bis zum Schluss nicht mehr umgekehrt werden kann. Aber auch diese Partien machen Spaß und durch eine einfache Anpassung des Schwierigkeitsgrads, kann man die nächste Partie entsprechend der Leistung der Gruppe justieren.



Das Material

Um das Fazit vorweg zu nehmen: Wunderbare Stimmung bei leicht unpraktischer  Handhabung. Eine Aufzählung der tollen Materialien wird dem Ganzen kaum gerecht. Alles fühlt sich toll an und ist fantastisch illustriert. Einzige bei der Handhabung sind zwei wichtige Details etwas schwierig geraten. Um dem Verräter die Auswahl der Irrbilder möglichst einfach zu machen, werden insgesamt acht Bilder in ein Album geschoben. Haben alle anderen die Augen geschlossen, kann der Verräter seine Auswahl durch Fingerzeig erledigen. Das Schwierige daran ist nun, dass die Karten dabei teilweise hinter transparente Folien geschoben werden und das gelingt manchmal erst nach einigen Versuchen oder wenn man die Folie mit dem Fingernagel etwas anhebt. In der Spielsituation ist das einfach nicht besonders günstig, da alle Spieler in der Zeit die Augen geschlossen haben müssen. Allerdings wird das mit jeder Partie etwas besser und dürfte kein dauerhaftes Problem darstellen.

Etwas ärgerlicher ist, dass die Hinweise des Grimoire durch Magnetismus am Platz gehalten werden und gut herumgezeigt werden können (insbesondere bei größeren Spielegruppen). Leider habe ich ein Exemplar erlebt, wo die Hinweismarker nicht richtig hielten. Das macht die Handhabung dann unpraktisch und unschön. Das ändert in Summe aber nichts daran, wie schön dieses Spiel ist.



Fazit: Das Spiel macht wenig neu, aber dabei so viel richtig. Die Kombination aus stimmungsvollem Setting, tollen Bildkarten, dem Hinweissystem des Grimoire, dem Verräter, der Sanduhr, den Fallen, der Spiellänge, der Zugänglichkeit und der Skalierungsmöglichkeiten im Schwierigkeitsgrad und Spielerzahl macht „Obscurio“ schlicht und einfach zu einem sehr guten Spiel.

Obscurio
Brettspiel für 2 bis 8 Spieler ab 10 Jahren
L'Atelier
Asmodee / Libellud
EAN: 3558380065791
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 39,99

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