Northlanders 1: Sven, der Verräter

„Härter als Conan und blutiger als 300“ steht in dicken Lettern auf der Rückseite des Comics. Wie bitte? Geht’s denn noch reißerischer? Also gut, es ist nur ein Zitat aus dem „Creem Magazin“, doch wer gleich so hoch stapelt, hat entweder wirklich was zu bieten oder einfach nur eine verdammt große Klappe. Auf der anderen Seite: Was kann man mit einem Brian Wood schon falsch machen? Vor allem, wenn es auch noch um Wikinger, Frauen und blutrünstige Gemetzel geht?

von Dominik Cenia

 

Vorab: War es der Übersetzer oder gleich der deutsche Verlag, der aus dem Originaltitel „Sven – The Returned“ „Sven, der Verräter“ gemacht hat? Hätte man da nichts Passenderes finden können? Aber egal …

Die Geschichte spielt im Jahr 980 n. Chr. und handelt von Sven, einem Wikinger und Waräger, der sein halbes Leben in Konstantinopel verbracht hat. Der Tod seines Vaters zwingt Sven, in seine alte Heimat zurückzukehren, da sein abergläubischer und tyrannischer Onkel sich des Familienerbes bemächtigt hat. Doch will Sven weder in seiner alten Heimat sesshaft werden, noch die Tyrannei seines Onkels beenden. Vielmehr geht es ihm nur darum, sein Erstgeborenenrecht einzufordern und das Geld seines verstorbenen Vaters einzuheimsen. Doch ist beides nicht ganz so einfach, wie sich Sven zu Anfang erhofft hat. Und so beginnt ein langer „Ein-Mann-Krieg“, in dessen Verlauf auch Svens Überzeugung und Absichten ins Wanken geraten.

Dem ein oder anderen Computer- und Videospielfan ist der Name Brian Wood vielleicht ein Begriff. Er war nicht nur Designer bei Rockstar Games („GTA“, „Midnight Club“, „Max Payne“, „Manhunt“), sondern ist auch Erfinder der beiden Vertigo- beziehungsweise Oni-Comic-Serien „DMZ“ und „Local“. Brian Wood ist als Grafikdesigner, Illustrator und Autor tätig und unter anderem der führende Kopf hinter dem kompletten „Northlanders“-Konzept (dazu später mehr). Zeichner Davide Gianfelice ist dagegen ein noch recht unbeschriebenes Blatt. Der Italiener hat sich seine ersten Sporen bereits als Illustrator von einzelnen Episoden für „John Doe“ und Dylan Dog“ verdient. Doch spätestens mit „Northlanders“ sollte es ihm endgültig gelungen sein, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Der Titel „Northlanders“ bildet übrigens nur den räumlichen und geschichtlichen Rahmen einer ganzen Konzeption von „Wikingergeschichten“ mit unterschiedlichen Hauptdarstellern, Handlungen und Schauplätzen. Von daher bleibt es am Ende des ersten Bandes auch relativ offen, ob die Hauptfigur „Sven“ eine Fortsetzung erfahren wird. Wohlgemerkt: Der deutsche Band 1 enthält nur die US-„Northlanders“-Hefte 1-8 (dort ist die Serie aktuell ca. bei Heft 20).

Autor Brian Wood gelingt es, dem Leser eine harte und unbarmherzige Wikingerwelt anschaulich darzustellen. Edelmut weicht hier vor rationaler, brutaler Bodenständigkeit und Träume, Wünsche und Sehnsüchte werden in der harten Realität des Alltags eines Wikingerlebens gnadenlos erstickt. „Sven, der Verräter“ ist eine düstere und realistische Welt mit ausgewachsenen Dialogen, nachvollziehbaren Motiven und einer der damaligen Zeit angemessenen Weltansicht. Kurz gesagt: Hier stimmt einfach alles.

Doch auch was das Kampfgeschehen angeht, lässt sich der Comic nicht lumpen. Davides Zeichnungen bringen die Wucht, Schnelligkeit und Dynamik eines brutalen Wikingerscharmützels gut rüber. Und die Farben von Dave McCaig füllen Davides Striche und Flächen mit dem richtigen Leben. Dynamische Captions wechseln sich mit ganzseitigen großflächigen (und ziemlich trostlosen) Landschaftsbildern ab. Einzig und allein die wenigen Bilder von Konstantinopel in einigen Rückblenden lassen erahnen, dass es jenseits der kargen Einöde der Wikingerinseln auch noch eine andere Welt gibt.

Fazit: „Northlanders“ und vor allem „Sven, der Verräter“ richtet sich eindeutig an ein erwachsenes Publikum. Nicht nur die Geschichte selbst, sondern auch die Zeichnungen und Farben gehen teilweise sogar schon eher in Richtung „Graphic Novel“. Wobei die zahlreichen dynamischen Kampfszenen zwischendurch immer wieder für das nötige Tempo sorgen, um sich davon abzuheben. Auf diese Weise gelingt es dem Comic, den Leser in seinen Bann zu ziehen. Mir hat der erste Band auf alle Fälle sehr gut gefallen. Und um noch einmal zur Einleitung zurück zu kehren: Härter als „Conan“? Nein. Aber realistischer. Blutiger als „300“? Möglicherweise blutiger als der Comic, nicht aber als der Film. Dafür aber eine ganze Ecke unbarmherziger und so kalt und rau, wie eine nordische Steilküste unter der Wucht einer tosenden, eisigen Meeresbrandung.


Northlanders Band 1: Sven, der Verräter
Comic
Brian Wood, Davide Gianfelice
Vertigo / Panini Comics 2009
ISBN: 978-3-86607-777-5
Ca. 192 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 19,95

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