Night’s Watch – Die Nachtwache

Der erste Quellenband für das Rollenspiel „Das Lied von Eis und Feuer“ thematisiert die wohl interessanteste Kreation von Georg R. R. R. Martin: die Leute von der Nachtwache, auch als die „Krähen“ bezeichnet, die weit im Norden an der Mauer Wacht halten, um die Menschen von Westeros vor einem alten Feind aus dem Norden zu schützen.

von Morgath

„Die Mauer“ ist das größte Bauwerk auf Westeros. Sie ist über 300 Meilen lang, an die 700 Fuß hoch und auf der Oberfläche breit genug, damit ein Dutzend Männer auf Pferden nebeneinander her reiten können. Gebaut wurde sie vor ca. 8.000 Jahren, aus Stein und Eis und angeblich mit Hilfe von Riesen und Magie. Zum Schutz vor einem Feind, der heute nur noch aus Legenden und Schauergeschichten bekannt ist. „Die Anderen“ oder „die weißen Wanderer“ werden sie nebulös bezeichnet, angeblich Dämonen aus Eis, deren Gefolge aus Untoten besteht. Doch gesichtet hat man schon lange keines dieser Wesen mehr.

An dieser Mauer sind die Leute der Nachtwache postiert. Einst waren es tausende, verteilt auf 19 Burgen. Inzwischen sind es nur noch an die tausend, die drei Burgen halten. Sie erkunden das Gebiet jenseits der Mauer, sie patrouillieren entlang der Mauer, sodass niemand hinüberklettern kann, und sie halten die Mauer so gut es geht in Schuss. Es geht allerdings nicht gut. Zu wenig Mann müssen zu viel Arbeit bewältigen. Dabei nehmen die Gerüchte zu, dass sich im Norden was zusammenbraut.

Das erste Kapitel, „Die Nachtwache“, erzählt alles, was man über die Nachtwache wissen muss. Es beginnt damit, was die Menschen dazu bewegt, „das Schwarz anzulegen“ und der Nachtwache beizutreten. Meist handelt es sich um Verbrecher, die vor die Wahl gestellt wurden, am nächsten Strick zu baumeln oder ihr restliches Leben an der Mauer zu verbringen. Vereinzelt sind es auch verzweifelte Menschen, die im Dienst an der Mauer eine bessere Zukunft für sich sehen, als ihnen ein Leben in Freiheit bieten würde. Nur noch selten sind es die Sprösslinge von Adelshäusern, die es als ihre Pflicht ansehen, einen Beitrag zum Schutz des Reiches zu leisten.

Sodann wird die Ausbildung geschildert, die mit dem Schwur endet. Wer den Schwur ablegt, widmet sein restliches Leben dem Dienst an der Mauer und dem Schutz des Reiches. Er verzichtet auf alle persönlichen Vorzüge und schwört seiner Familie, den Frauen und allem Besitz ab. Mit dem Schwur wird er „Bruder der Nachtwache“ und je nach Veranlagung einem der drei Zweige der Nachtwache zugewiesen: Die verwegensten Männer werden Grenzer, die auf sich selbst gestellt in das Gebiet jenseits der Mauer eindringen, um herauszufinden, was sich dort tut. Die besten Arbeiter werden Baumeister, deren nimmer endende Aufgabe es ist, die Mauer intakt zu halten. Der Rest wird Kämmerer, welche die unterschiedlichsten Aufgaben wahrzunehmen haben. Vom Küchengehilfe über den Meister der Raben bis zum Gelehrten ist jeder Posten denkbar, der benötigt wird.

Abschließend werden die Aufgaben der Nachtwache, die soziale Struktur, die Gründe und Folgen einer Fahnenflucht beschrieben. Regeltechnisch wird erklärt, wie man eine Burg an der Mauer behandelt. Außerdem werden neue Charakterklassen vorgestellt, wie der besiegte Söldner, der gefangene Wilddieb oder der glücklose Spieler, die ideal für das Spiel an der Mauer sind. Insgesamt ein informatives Kapitel, das immer wieder Ideen oder Anregungen für Abenteuer bietet.

Im zweiten Kapitel „Die Mauer und die Schenkung“ werden die Örtlichkeiten beschrieben, die der Nachtwache gehört. Die Schenkung ist ein großer Streifen südlich der Mauer, der dazu dient, die Selbstversorgung der Mauer zu gewährleisten. Er wird von einem kargen Menschenschlag bewohnt, der sich damit abplagt, aus dem kalten Boden Nahrung hervorzulocken. Im Mittelpunkt stehen die Mauer und ihre Burgen. Die besetzten Burgen, wie die schwarze Festung, werden ausführlich beschrieben, alle anderen zumindest angerissen. In dem Kapitel werden außerdem zahlreiche NSC, die man aus den Büchern kennt, beschrieben und mit Werten ausgestattet. Auch dieses Kapitel weiß zu gefallen, allerdings hätte ich mir einige Karten für die Burgen gewünscht. Es ist nicht einmal eine Karte von der schwarzen Festung enthalten.

Das dritte Kapitel führt den Leser „Jenseits der Mauer“. Die Mauer ist der Rand der zivilisierten Welt. Dahinter finden sich nur wenige menschliche Bauwerke. Die raue Natur herrscht vor. Wer dort lebt, ist zwangsweise ein Barbar. Die Menschen sind hart, aber sie haben zu überleben gelernt. Sie bilden Stämme, die meist aus nicht mehr als ein paar hundert Menschen bestehen. Die Stämme liegen oft miteinander im Krieg. Doch alle paar Generationen taucht ein Häuptling auf, dem es gelingt, die Stämme zu einigen und zu einer großen Streitmacht zu formen. So geschieht es auch in diesen Tagen. Manke Rayder hat 10.000 Stammesmitglieder hinter sich und marschiert auf die Mauer zu. Im Grund will er sie nur überqueren, um seine Leute vor den weißen Wanderern in Sicherheit zu bringen, doch kein Nachtwächter ist gewillt, ihn passieren zu lassen. Es droht daher ein Krieg an und um die Mauer. Das Kapitel bietet viele Information über das, was sich jenseits der Mauer befindet. Die Bewohner, die Landschaft und die wenigen Siedlungen werden umfangreich beschrieben. Natürlich fehlen auch nicht neue Charakterklassen.

Im letzten Kapitel „Herren der langen Nacht“ werden die Anderen beschrieben. Während sich Martin in seinen Romanen bisher sehr bedeckt gehalten hatte, um welche Kreaturen es sich dabei handelt, werden die Rollenspiel-Autoren konkreter. Sie gehen über die Romane hinaus und beschreiben ausführlich einige Kreaturen, mit denen sich die Spieler herumschlagen können. Dies geschieht allerdings sehr stimmig und fügt sich gut in das Gesamtbild der Romane ein.

„Die Nachtwache“ bietet umfangreiches Material über eine der interessantesten Gegenden in Westeros. Ob man seine Abenteuergruppe nur zu einem Besuch an der Mauer führen möchte, sie selber Teil der Nachwachte werden lässt, oder sie gar in die ewige Wildnis jenseits der Mauer führt: Das Buch bietet genügend Hintergrundwissen, um die entsprechenden Abenteuer zu leiten. Für Kenner der Bücher bietet sich nur wenig Neues, doch sind die Informationen gut gebündelt und anschaulich dargestellt. Besonders gut gefallen haben mir die zahlreichen Abenteuerideen, die Anregungen für spannende Erlebnisse bieten. Insgesamt ein rundum gelungenes Buch. Wie auch das Regelwerk ist es ein komplett in Farbe gehaltenes Hardcover, das mit einigen sehr schönen und stimmungsvollen Bildern versehen ist.

Fazit: Wer mehr über die Mauer und ihre Bewohner wissen möchte oder vorhat, seine Spieler an den nördlichen Rand von Westeros zu führen, erhält hier alles, was er dazu benötigt. Mit dem Kauf kann man nichts falsch machen. 


Night’s Watch – Die Nachtwache
Quellenbuch
Joseph Carriker u. a.
Mantikore-Verlag 2014
ISBN: 9783939212515
148 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 29,95

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