Niagara

Allein der Titel „Spiel des Jahres 2005“ ist schon aussagekräftig genug. Und Thomas Lieschings „Niagara“ hat diesen mit vollem Recht im ausklingenden Jahre für sich beanspruchen können. Auf einem sich in ständiger Bewegung befindendem, linearen Spielplan, den Fluten des Niagara River, kämpfen sich die Spieler mit Kanus auf und ab, um an seinen Ufern Edelsteine zu sammeln.

von Michael Wilhelm

 

Bis zu fünf Edelsteinjäger ab acht Jahren können sich in „Niagara“ durch die Fluten kämpfen, dargestellt mit einem Dutzend durchsichtiger, runder Plastikscheiben, die in einer Schiene auf dem Papp-Spielplan entlangfließen. Zu beiden Seiten des Plastik-Flusses, auf dem sich die hölzernen Kanus der Spieler befinden, gibt es Edelsteinlagerstätten, fünf an der Zahl. Diese gilt es durch geschicktes, aber nicht zu gewagtes, Paddeln zu erreichen und die Edelsteine auf Kanus zu laden, um sie zurück zur Anlagestelle zu bringen. Diese befindet sich am einen schmalen Ende des Spielplans, am gegenüberliegenden ist der Wasserfall. Gewonnen hat der Spieler, der als erster von jeder der fünf Edelsteinsorten einen, vier von einer Farbe oder sieben einer beliebigen Kombination erbeutet hat.

Startspieler ist der wasserscheueste Spieler. Reihum können nun die beiden Kanus eines jeden Spielers bewegt werden. Dazu wird eine aus dem Vorrat von sieben zur Verfügung stehenden Paddelkarten verdeckt vor sich abgelegt. Der Spieler muss dann den vollen Betrag – die Karten zeigen Werte von 1 bis 6 – der Paddelkarte aufwenden und beide Kanus die entsprechende Zahl Flussfelder bewegen. Dabei kann zwischen einer Bewegung flussaufwärts und flussabwärts gewählt werden. Ein Restbetrag darf nicht verfallen. Wer schlecht wählt, paddelt eventuell zu weit. 2 Bewegungspunkte können verwendet werden, einen Edelstein aufzuladen. Entweder zu Beginn oder am Ende der Bewegung, aber nicht mittendrin.

Hat jeder seine Kanus bewegt, dann bewegt sich der Fluss. Normalerweise um den Betrag der niedrigsten aller Paddelkarten der Spieler. Sollten also alle Spieler hohe Paddelkarten eingesetzt haben, ist der Fluss entsprechend reißend und trägt das eine oder andere Kanu den Wasserfall hinunter. Verlorene Kanus können gegen einen Edelstein zurückgekauft werden. Hat ein Spieler alle Kanus und Edelsteine verloren, erhält er als Almosen ein Kanu umsonst. Modifiziert wird die Flussgeschwindigkeit durch das Wetter. Als siebte Paddelkarte gibt es nämlich die Wolke, mit der ein Spieler anstelle seiner Kanus den Wetteranzeiger in Richtung sonnig (dadurch sinkt die Flussgeschwindigkeit) oder Regen bzw. Sturm (was die Geschwindigkeit steigert) bewegen kann. Dadurch bleiben die eigenen Kanus zwar vorerst stehen, aber eventuell können so verheerende Kanuverluste bei anderen Spielern ausgelöst werden oder die eigenen können vielleicht noch einmal trotz mangelnder Paddelkarten gerettet werden. Jeder Spieler muss also jede Runde aufs Neue entscheiden, ob und wie weit Kanus bewegt werden sollen oder welcher Einfluss auf das Wetter gemacht werden soll.

Als Möglichkeit der Spielerinteraktion besteht das Klauen von Edelsteinen. Verfügt ein Spieler über ein leeres Kanu flussabwärts des beladenen eines anderen Spielers, so kann der Edelstein geklaut werden, wenn das leere Kanu exakt auf dem Flussfeld des gegnerischen Kanus landet. Auch ist es wichtig, immer wieder die bereits von den anderen Spielern erbeuteten Edelsteine sowie das verbliebene Angebot im Auge zu behalten, um zu sehen, welcher Spieler noch Edelsteine einer bestimmten Farbe zum Sieg benötigt. Sicher können die der Anlegestelle am nächsten gelegenen violetten Edelsteine am leichtesten erbeutet werden. Dagegen ist es umso schwieriger, einen von jeder Farbe zu bekommen. Aber vielleicht hat ja ein Mitspieler, der sich zufälligerweise flussaufwärts befindet, noch den fehlenden…

In „Niagara“ ist nichts wirklich dem Zufall überlassen. Alle Entscheidungen hängen von der Paddelkarten-Wahl der Spieler ab. Deshalb kann es auch große Unterschiede im Ablauf der ersten Spiele geben. So kann es schnell passieren, dass in der ersten Runde gleich alle Spieler mit 5 oder 6 mächtig lospaddeln und der entsprechend reißende Niagara River sofort die ersten Kanus den Wasserfall runterspült. Dafür ist aber auch die Lernkurve entsprechend steil. Schnell hat man die Kniffe und Tricks raus, um die eigenen Kanus optimal den Fluss auf und ab zu manövrieren und auf die Jagd nach Edelsteinen zu gehen.

Fazit: Neben schönem Spielmaterial aus Holz, Karton und Plastik weiß „Niagara“ durch interessantes Spieldesign auf einem sich ständig bewegenden Spielplan zu begeistern. Ein hohes Maß an strategischem Geschick und der eine oder andere Bluff ist gefordert, um den Strom und die Mitspieler auf Edelsteinjagd zu besiegen. Ein Spiel für die ganze Familie.


Niagara
Brettspiel für 2 bis 5 Spieler
Thomas Liesching
Zoch Spiele 2005
ASIN: B0006HJEMM
Sprache: Deutsch
Preis: EUR ca. 24,95

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