Nemesis 4: In dunkelster Nacht

„Im Dunkeln ist gut Munkeln.“ Und so entlässt der deutsche Vielschreiber Wolfgang Hohlbein sein auf einer unheimlichen Burg versammeltes Grüppchen Glücksritter – will heißen: jene, die noch lebendig sind – nicht so schnell ins hoffnungsvolle Morgengrauen. Grauenhaftes passiert in der Nacht. Und die ist im vierten von insgesamt sechs Teilen des Fortsetzungsromans „Nemesis“ am dunkelsten. Was Johannes Steck nicht davon abhielt, diesen Abschnitt wie die vorangegangenen für den Verlag Hörbuch Hamburg in einer auf die Spieldauer von 2 CDs ausgerichteten gekürzten Fassung einzusprechen.

von Simon Ofenloch

 

Im Dunkeln liegen die Schrecken der Nacht verborgen. Und lauern auf ihre Opfer. Jetzt hat es auch noch Ed erwischt, das unsympathische Ekelpaket. Wie Stefan zuvor wurde auch er im Schutz der Dunkelheit hinterhältig mit einem Dolch aus der Nazizeit ermordet. Und Maria, das vermeintliche Mauerblümchen, ist seitdem verschwunden. Zurück bleiben Judith, Ellen, Carl und Frank, aus dessen Perspektive die Erlebnisse auf der geheimnisumwitterten und erschreckend geschichtsträchtigen Burg Crailsfelden geschildert werden.

Auf diese Feste hatte eine Anwaltskanzlei geladen, um zwei der Gäste mit dem Erbe eines rätselhaften exzentrischen Multimillionärs zu beehren. Zwei Gäste von unterschiedlichem Geschlecht, wohlgemerkt, die diesen Umstand auch evolutionsbiologisch zu nutzen wissen. Doch damit nicht genug der Pferdefüße. Bereits kurz nach der Ankunft auf dem Burggelände ereignen sich seltsame Unfälle, der Gastgeber verschwindet und die Festung wird zur Falle. Dann beginnt das Morden.

Und nach und nach finden sich Hinweise auf Sünden der Vergangenheit und unschöne Verbindungen zwischen den Eingeladenen. Doch statt des Rätsels Lösung zu liefern, werfen diese Hinweise lediglich neue Fragen auf. Und was hat es überhaupt mit den seltsamen Kinderstimmen auf sich, die vor allem Carl gehört zu haben glaubt? Überdies wird er von Visionen geplagt, in denen Minderjährige auftreten, vor allem ein Mädchen namens Miriam.

Kinder scheinen zu unterschiedlichen Zeiten in der düsteren Vergangenheit der Burg eine wesentliche Rolle gespielt zu haben. Nicht nur in den letzten Jahrzehnten, als das Gemäuer ein Internat unter der Leitung des verstorbenen Klaus Sänger beherbergte, sondern auch schon davor, insbesondere in der Zeit des deutschen Nationalsozialismus.

Die unfreiwilligen Gefangenen entdecken zahlreiche vage Hinweise, doch nichts Konkretes. Nach Stunden in Ungewissheit und Furcht wächst das gegenseitige Misstrauen. Nur Judith und Frank lassen kurzfristig alle Vorsicht fahren und gehen wieder versöhnlicher miteinander um.

Von den anderen lässt sich keiner in die Karten sehen. Und so könnte jeder von ihnen der eiskalte Killer sein, der mehr und mehr Opfer fordert. Doch aus welchem Grund? Welche Interessen liegen dem grausamen Handeln zugrunde? Geht es einzig und allein um das mysteriöse Millionenerbe? Sollen hier nach und nach Konkurrenten aus dem Weg geräumt werden? Oder hat der ganze Albtraum doch seinen Ursprung in der schrecklichen Nazivergangenheit der Feste Crailsfelden?

Als besondere Inspiration diente Wolfgang Hohlbein vermutlich die Historie der Wewelsburg, einer Festungsanlage, die zur nordrhein-westfälischen Stadt Büren im Landkreis Paderborn gehört. Die Schutzstaffel der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und Heinrich Himmler hatten mit diesem Gemäuer zu tun, um das sich einige entsprechende Legenden ranken.

Derartige Bezüge machen die Geschichte an sich interessant, doch wenn man ehrlich sein will, muss man auch sagen beziehungsweise schreiben, dass Hohlbein seine Erzählung spätestens im vierten von insgesamt sechs Teilen etwas arg auswalzt. Ich habe diesen Kritikpunkt bereits in meiner Besprechung zum Hörbuch des dritten Abschnitts erwähnt. Beim vierten möchte man den Autor fortwährend mahnen: „Jetzt aber mal Butter bei die Fische!“

Annehmbar bleibt es als sinnvoll gekürzte Fassung. Und weil Johannes Steck das Lesen übernommen hat. In gleich bleibender, professioneller Qualität, wie man es gewohnt ist und nicht missen möchte. Es bleibt zu hoffen, dass auch die letzten beiden Teile des Fortsetzungsromans „Nemesis“ vom Verlag Hörbuch Hamburg oder ihrem Unterprogramm Silberfisch entsprechend umgesetzt werden. Und dass die Geschichte im Finale noch einmal richtig anzieht.

Fazit: Ein bisschen sehr reizt es Wolfgang Hohlbein mit seinem Sechsteiler „Nemesis“ schon aus. Spätestens beim vierten Teil wird das Auf-der-Stelle-Treten doch ein wenig nervig. Und das bei einer gekürzten Fassung! Als Lesung bleibt es aber noch erträglich. Trost, dein Name ist Johannes Steck.


Nemesis 4: In dunkelster Nacht
Gekürzte Lesung nach Teilen des Fortsetzungsromans von Wolfgang Hohlbein
Johannes Steck
Silberfisch / Hörbuch Hamburg 2007
ISBN: 978-3-89903-403-5
2 CDs, ca. 140 min., deutsch
Preis: EUR 9,95

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