Nebel über Valskyrr: Im Herzen des Schreckens

Nun ist es an euch, ihr erfahrenen Helden, dem sich weiterhin ausbreitenden, destruktiven Nebel Einheit zu gebieten und den Streitern des Bösen den Garaus zu machen. Doch nur gemeinsam kann es euch gelingen, so die Zeit nicht vorher abläuft…

von Lars Jeske

Zurück in den zerstörerischen „Nebel über Valskyrr“ geht es für die wagemutigen Spieler bei „Im Herzen des Schreckens“. Knapp zwei Jahre nach dem Grundspiel erschien jetzt endlich eine große Erweiterung, die zudem auch als neues Grundspiel dient. „Im Herzen des Schreckens“ wird auf dem Karton als kooperatives Fantasy-Abenteuerkartenspiel mit modularem Spielfeld beschrieben. Das trifft es gleich auf mehreren Ebenen gut.

Die sperrige Kategorisierung gibt zuallererst einmal die grobe Richtung vor. Karten, Fantasy und Kooperation – also zusammengenommen ein Genre mit mindestens 20 Seiten Regeltext. Diese sind nunmehr etwas übersichtlicher und verständlicher geschrieben. Zudem gibt es ein kleines Glossar am Ende. Dennoch ist es viel Text und die Regelspitzfindigkeiten sind geblieben. Ein paar Unebenheiten wurden beseitigt, und erneut gibt es ganz vorbildlich auf der Webseite des Verlages ein Tutorial anhand dessen man erst einmal ohne Regelkunde losspielen beziehungsweise eine Runde nachspielen kann, um mit den Komponenten des Spiels vertraut zu werden. Durch diesen sehr lobenswerten Ansatz bekommt man die Grundzüge des Spieles erklärt, und anschließend sind die Regeln einfach und noch einmal verständlicher. Denn wenngleich reichlich und schön bebildert, füllen sie dennoch ein Heft von 24 recht klein beschriebenen Seiten, deren Durcharbeitung etwas Zeit in Anspruch nimmt.

Worum es geht

In der Welt von Mistfall, ins Deutsche übertragen als „Nebel über Valskyrr“, zieht ein zerstörerischer Nebel über das Land, welcher die Gesinnung der Betroffenen korrumpiert. Zudem trauen sich jetzt wieder Geschöpfe in die friedlichen Gegenden, die als Unholde verschrien sind und nur auf Ärger aus sind. Die 1 bis 4 Spieler mimen eine Gruppe von Helden und erhalten in den einzelnen Szenarien jeweils den Auftrag, einen Hauptgegner aufzuspüren und diesen auszuschalten. Das ist nicht besonders originell, reicht jedoch, um in verschiedenen Settings jeweils eine andere Umgebung vorgegeben zu bekommen und schnell zum Endgegner zu ziehen, um dessen Lebenspunkte in mehreren Kampfrunden auf Null zu bringen.

Zum Erforschen der Umgebung oder dem gemütlichen Umherstreifen und Ausruhen nach kleineren Scharmützeln bleibt jedoch keine Zeit, da es eine Zeitliste gibt, deren Marker schneller voranzusetzen ist, als es den Spielern lieb sein kann. Es gibt also keine echte Sanduhr die den/die Spieler traktiert, sondern man hat genügend Zeit, seine Aktionen zu planen, da das Spiel rundenbasiert ist und in jeder dieser verschiedene Phasen durchlaufen werden. Dieses macht das Spiel jedoch nur geringfügig einfacher. Es ist ein sehr hochwertiges und komplexes Strategiespiel, nicht nur ein paar Minuten Just-for-Fun.

Die Ausstattung

Apropos hochwertig: Die Ausstattung kann sich auch dieses Mal sehen lassen. Auch „Im Herzen des Schreckens“ wurde als Kickstarter sehr gut finanziert und ist dementsprechend wertig. Ähnlich schwer und mit beinahe identischer Ausstattung kommt die gut gefüllte, große Box daher. Durch die erreichten Stretch Goals gibt es 6 verschiedene Helden mit ihren Kartendecks, viele verschiedene Gegner (Karten) und 5 Abenteuer, die im Schwierigkeitsgrad ansteigen. Hinzu kommt eine hohe Anzahl von über 100 Markern und 22 Orten, Regelheft und Abenteuerbuch sowie als Neuheiten eine weitere Zeitleiste, Spielerhilfen als Referenzbögen während der Partie und Verbündetenkarten.

Die Karten sind aus stabiler Pappe und da man diese zwar häufig in der Hand hat, jedoch nicht oft mischt, auch ohne Hüllen spielbar, ohne dass sie alsbald Abnutzungserscheinungen aufweisen. Die Grafiken für die Helden, Gegner und Orte sind erneut phantastisch geworden und sehr gelungen. Beeindruckend, ohne kitschig oder zu klischeehaft zu sein, und somit dem Spielthema überaus angemessen. Leider ist auf den Karten der Heldendecks noch immer nur ein Bild pro Held zu sehen und nicht verschiedene Posen dieses Charakters. Dadurch muss man weiterhin zumindest über den Namen der Karten gehen, so man den Text bereits verinnerlicht haben sollte (was den Spielspaß um ein Vielfaches erhöht).

Die Spielrunde

Abgesehen von ein paar Sonderregeln ist das Spiel einfach. Wenn das Abenteuer aufgebaut ist, gibt es einen Einstimmungstext. Pro Runde werden dann neue Gegner ins Spiel gebracht, anschließend kann die Gruppe zu einem neuen Ort reisen. Für gewöhnlich erfolgt eine Begegnung und es werden von der Spieleranzahl abhängig Gegner gezogen und die Siegbedingungen für diese Begegnung vorgestellt (oftmals alle Gegner beseitigen oder genügend Fortschritt generieren). Nach der Zuweisung der Gegner zu den Helden dürfen diese erst einmal loslegen. Jeder Gegner, der dann noch steht, hat einen Rückschlag gegen den sich die Helden verteidigen sollten. Stirbt ein Held, verlieren alle und das Spiel ist vorbei. Anderenfalls prüft man die aktuellen Siegbedingungen und kann entweder ausruhen oder beginnt mit der Verstärkungsphase der Gegner eine neue Runde. Den Zeitmarker Richtung Spielende = Niederlage der Helden setzt man auf jeden Fall.

Der Anspruch

Es gibt eine hohe, sogar sehr hohe Einstiegshürde. Allein die 17 Seiten des Regelhefts, die resultierenden 7 Phasen einer Runde, jede Menge Text auf den Karten, das Herausfinden von günstigen Kartenkombinationen, strategisches Vorausplanen und daran zu denken, alle Marker immer im richtigen Moment korrekt zu setzen und gegebenenfalls Effekte daraufhin auszuführen, schließt alle Gelegenheitsspieler von diesem Spiel aus. Rechnet man dann noch die Spielzeit von weit über 2 Stunden pro Partie hinzu, merkt man, was für ein Kennerspiel für Experten hier auf den Tisch gebracht wird.

Aber für die Interessierten wurde erneut viel getan, um den Einstieg in diese komplexe Welt so einfach wie möglich zu gestalten. Ein Tutorial, klar strukturierte Regeln mit Beispielen und für jeden eine separate Spielerhilfe zeigen den Willen der Macher und die Liebe zum Detail. So man das Spiel erst einmal verstanden hat und anfängt, die Karten und deren Interaktionen zu verstehen, erwartet den Spieler ein Füllhorn an Möglichkeiten, Strategien zu entwickeln, um erfolgreich zu sein. Denn die Feinheiten des Spiels entdeckt man erst nach ein paar Runden (wenn man so lange durchhält).

Im Spiel wird man dann schnell erkennen, dass man es nicht ohne Weiteres bis zum Endgegner schafft und die einzelnen Missionen doch schon in den ersten Partien sehr schwer sind. Das Spiel auf Anhieb zu gewinnen, ist damit nahezu unmöglich.

Der Spielreiz

Warum muss man „Im Herzen des Schreckens“ dennoch spielen? Vor allem, weil das Spiel einen tollen Deckbaumechanismus hat, der bislang einzigartig ist. Hier sind die 15 Karten des Grunddecks eines Helden sowohl dessen Handlungsalternativen, als auch seine Lebenspunkte. Gespielte Karten schwächen den Helden, da die Karten abgelegt werden müssen. Erlittener Schaden begräbt sogar die Karten. Jede Karte ist natürlich ein paar Mal dabei, damit die grundsätzliche Taktik weiterhin funktioniert. Sobald ein Spieler keine Karte mehr begraben kann, obwohl er es müsste, stirbt sei Held und das Spiel geht damit verloren. Abhilfe schafft hier jedoch Regeneration, geschicktes Handkartenmanagement und das Wissen darum, wie das Grunddeck eines Helden konzipiert ist, um wieder an die Karten zu gelangen, die gezielt unter das eigene Deck gelegt werden.

Und dann gibt es die Großen Heldentaten-Karten, die während eines Spieles gekauft werden können und sogleich ins Deck integriert werden. Also quasi Erfahrung auf dem Weg. Vor allem hier gibt es sehr viele Strategien, zumal für das wenige erbeutete Geld bei Weitem nicht jede Karten gekauft werden kann und die Mitstreiter natürlich auch ihr Deck verbessern wollen.

Das schwer zu gewinnende Spiel richtet sich auch an Tüftler und Optimierer, die aus einem gegebenen Deck das Beste herausholen wollen und dieses etwas tweaken. Die Helden sind dieses Mal wieder zwei Magiebegabte (Flamme des Morgens, Schattenpriester), eine Bogenschützin (Nebeljägerin) und der Waffenschmied, welcher sogar 3 Waffen gleichzeitig anlegen kann. Die Namenshüterin bezaubert die Gegner durch ihren Gesang, während die Myrmidone netter aussieht, als sie mit ihren Gegnern umgeht.

Der Wiederspielwert

Sehr groß. Zufällig ausgewählte Ortsplättchen, verschiedenste Gegner pro Runde und 5 unterschiedliche Szenarien lassen einen das Spiel jedes Mal neu erleben. Zudem skaliert es über die Anzahl der Mitspieler/Helden, das heißt dadurch ergeben sich auch andere Konstellationen. Rechnet man dann noch die 6 verschiedenen Helden, die sich auch noch alle anders spielen, was die Herangehensweise an ein Abenteuer beeinflusst, in ihren Kombinationen zusammen, hat man auf alle Fälle ein Spiel, welches nie gleich verlaufen wird. Somit ist der Wiederspielwert extrem hoch, durch die vielen Varianzen, Varianten und Kombinationen. Den Albtraum-Modus muss ich hier erst gar nicht erwähnen.

Der Vergleich: „Nebel über Valskyrr“ vs. „Im Herzen des Schreckens“

Wer das Grundspiel bereits kennt, für den ist das Spiel richtig einfach. Ansonsten natürlich ein echtes Kennerspiel und weiterhin nichts für Gelegenheitsspieler. Die Erweiterung ist wie ein Klassentreffen nach längerer Zeit. Die Regeln wurden geringfügig geändert, doch man kommt schnell wieder rein. Denn sie sind sehr übersichtlich gestaltet und gleich mit dem Zusatz vermerkt, dass sich Veteranen des Grundspiels einfach die Regelanpassungen herunterladen können und somit sofort starten können. – Dies sind nur 3 Seiten.

Die wichtigste Neuerung sind dabei zum einen die Verbündeten, die man jetzt an der Seite des gewählten Helden kämpfen lassen kann. Zum anderen gibt es die Dunkelheitsleiste, die die Zeitkarten ersetzen, um etwas vom Zufall herauszunehmen und das Spiel für die Helden planbarer zu machen. Apropos: Die neuen Helden haben wieder ihre Spezialeigenschaften und unterscheiden sich gut von denen des Grundspiels, wodurch es nicht reine Klone mit anderen Namen wurden.

Vermisst habe ich jedoch ein paar neue, alternative Karten für die Helden des ersten Grundspiels. Diese wäre eine gute Option gewesen, noch ein paar Neuspieler zu verführen, dieses ebenfalls zu kaufen.

Ansonsten gleichen sich die Spiele frappierend; im positivsten aller Sinne. Beispielsweise gibt es gleich viele Ortsplättchen, die sogar in der Summe die gleiche Anzahl Generationspunkte haben. Jedoch ist die Gegend gefährlicher geworden. Fast auf jedem Plättchen bekommt eine spezielle Gegnerart einen Bonus. Bis auf die Marken gibt es keine Dopplungen, das heißt jeder Ort, Gegner und Held ist neu, nicht nur von der Grafik her. Die Gegner sind verglichen mit dem Grundspiel dabei sogar etwas stärker geworden.

Wer noch mehr Abwechslung in Form von alternativen Heldendecks und neue Abenteuer will, kann getrost auch jeweils zusätzlich zur anderen Box greifen. Der generelle Spieleinstieg für Newbies ist mit „Im Herzen des Schreckens“ leichter, wenngleich die Abenteuer dieser Box etwas schwerer zu bewältigen sind. Welche Helden einem besser liegen, ist Geschmackssache, die neuen sind auf alle Fälle interaktiver und meiner Meinung nach komplexer beziehungsweise etwas anspruchsvoller. Ortsplättchen und Helden der beiden Spiele kann man auch beliebig mit einander kombinieren um in diversen Kombinationen erneut beim Deckbau gegen die Zufallselemente des Spieles als Team zu agieren.

Fazit: „Im Herzen des Schreckens“ ist ein Spiel, welches auf mehreren Ebenen große Herausforderungen bietet. Es ist dabei genau das Richtig für anspruchsvolle Neuspieler oder diejenigen, die erneut ihr Geschick wagen und mit etwas Glück die neuen Abenteuer vom Spieleautor B?a?ej Kubacki meistern wollen. Auch das zweite Grundspiel der Mistfall-Welt ist ein Kennerspiel für Experten und verlangt so einiges von den Spielern. Vor allem eine hohe Aufmerksamkeit alle Marker richtig zu legen, Kartenkombinationen zu erkennen und die Regeln gut zu beherrschen. Wer dann noch gewillt ist, mindestens 2 Stunden pro Spielrunde mitzubringen, wird mit einem sehr schönen Kooperationsspiel belohnt, welchem mit dem ausgefallenen Deckbau-Lebenspunktesystem noch immer vollends zu überzeugen weiß. Mit „Im Herz des Schreckens“ gibt es eine lohnenswerte und überaus interessante Variante zu „Nebel über Valskyrr“, welches sowohl Grundspiel als auch Erweiterung ist. Neue Helden und neue Abenteuer mit leichter verständlichen Regeln lassen dieses einzigartige kooperative Deckbauspiel im Fantasy-Setting noch mehr scheinen. Durch die Möglichkeit zusätzlicher Spielvarianten indem man beide Spiele mixt, ist das Spiel sowohl für Neueinsteiger, als auch Kenner des Grundspiels geeignet. Weiterhin für 1 bis 4 Spieler gedacht, da anderenfalls die Spielzeit extrem zunimmt.

Anmerkung: Beim Kauf von „Im Herzen des Schreckens“ gibt es optional die Austauschkarten für das Grundspiel dazu (die Karten mit den Druckfehlern, die bereits herunterladbar waren). Dies gibt auf alle Fälle einen weiteren Bonuspunkt in der B-Note.

Nebel über Valskyyr: Im Herzen des Schreckens

Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 13 Jahren
B?a?ej Kubacki
NSKN Legendary Games/Asmodee 2017
EAN: 4015566034112
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 49,95

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