Nebel über Valskyrr

Das kooperative Fantasy-Abenteuerspiel „Nebel über Valskyrr“ kommt mit innovativen Ideen daher, die auf alle Fälle Genre-Fans zu einem Abstecher nach Valskyrr einladen. Ein Spiel für Profis und welche, die es werden wollen. So man mit dem Spiel klarkommt, packt einen doch schnell der Ehrgeiz, wenigstens einmal zu gewinnen.

von Lars Jeske

Die Feste Frosttal beherbergt einige der bekanntesten Helden des Lands Valskyrr. Kein Wunder, liegt diese doch genau an der Grenze zu dem unheimlichen Nebel, der den Norden mittlerweile beherrscht. Somit ist es an ihnen, sich diesem aufziehenden Grauen zu stellen und die Welt vor Schlimmerem zu schützen – was immer da auch noch kommen könnte. 1 bis 4 Spieler sind berufen, sich einen der sieben verfügbaren Helden zu schnappen und in dessen Rolle nach dem Rechten zu schauen. Zur Auswahl stehen dafür übliche Verdächtige wie der Schildträger (als Tank), Arkanen- oder Frostmagier, Klerikerin, Bogenschütze, aber auch seltenere Bezeichnungen wie Sucher oder Furie. Um das Ambiente abzurunden, gibt es zu jedem Helden einen Begleittext im Abenteuerbuch, ebenso werden auch die Endgegner kurz mit einer plausiblen Hintergrundgeschichte vorgestellt.

„Mistfall“, so der internationale Titel, war vom Autor Blazej Kubacki gleich als Schwergewicht konzipiert. Besonders bemerkenswert ist die interessante neue Art und Weise, die Lebenspunkte der Helden zu zählen und die Vermischung von Deckbauspiel und klassischen kooperativem Abenteuer. Gepaart mit einer großen Materialfülle wurde es als Kickstarterprojekt ein voller Erfolg und brachte sehr viele Unterstützer hinter sich und dem Initiator eine ordentliche Stange Geld als Vorschusslorbeeren. Die Erwartungen wurden im Großen und Ganzen dann sogar erfüllt. Die gute Qualität des Spielmaterials ist dabei auch bei der deutschen Lokalisation nicht auf der Strecke geblieben – dem Heidelberger Spieleverlag sei Dank. Damals neu auf der Messe in Essen 2015 vorgestellt, zog es zahlreiche Fans in den Bann und erhielt mittlerweile auch den Preis „Griffin Scroll“. Also etwas Prestige, und das kann bekanntlich nie schaden.

Schönes Material – schwierige Spielregeln

Der Standardkarton für ein Großspiel ist gut gefüllt. Hauptteil und Herz bilden dabei knapp 400 Karten für die diversen Decks der Helden und Gegner. Dazu kommen modulare Landschaftsteile und diverse unterschiedliche Marker und Heldentableaus. That’s it und es macht einfach Spaß.

Aber vor dem Vergnügen kommt bekanntlich erst einmal die Arbeit. In diesem Falle das Durcharbeiten von knapp 20 Seiten der in kleiner Schriftart gesetzten Spielregel. Ein hartes Brot, nicht nur für Spieler, die bereits ähnlich gelagerte Spiele mit äquivalentem Komplexitätsgrad kennen. Wenngleich die angeführten Beispiele im Regelheft größtenteils nachvollziehbar sind, sollte man alles einmal praktisch durchspielen. Es gibt viele Regeln, die an sich nicht kompliziert sind und schlüssig, aber in „Valskyrr“ entscheiden schon Kleinigkeiten über Sieg oder Niederlage. Ein frühes Fazit ist hier, dass die Beschreibung leider nicht so toll geworden ist. Zum einen ist die Reihenfolge der Themen nicht sonderlich günstig gewählt, was alles noch etwas schwieriger erscheinen lässt. Zum anderen werden ein paar der spielentscheidenden Punkte nur einmal erwähnt, während anderes, was von vorn herein „klar“ ist, unnötiger Weise mehrmals aufgegriffen.

Das größte Manko ist jedoch, dass sich leider ein paar Fehler eingeschlichen haben, die das Spiel ungewinnbar machen würden; oder zumindest noch schwerer als es jetzt schon ist. Aber hier sind die Heidelberger wie immer vorbildlich. Es gibt auf deren Webseite ein Dokument mit Klarstellungen und Ergänzungen. Ebenso gibt es eine aktuell gehaltene FAQ-Seite und sogar die fehlerhaften Karten in Druckqualität zum Runterladen. Dies ist sehr lobenswert und spricht für den bisher immer sehr guten Kundenservice, den ich darum explizit einmal erwähnen möchte. Mittlerweile ist auf der Webseite auch ein Tutorial zur Verfügung gestellt, welches man auf alle Fälle durchgehen sollte. Hier werden ein paar der offenen Fragen geklärt und man bekommt anhand dieser gestellten Szene ein ungefähres Gefühl davon, wie eine Runde abläuft.

Die Spielidee ist relativ einfach und faszinierend zugleich. Im Grundspiel gilt es, eines der vier Szenarien zu wählen und dann den Spielplan entsprechend aufzubauen. Im beigefügten Abenteuerheft stehen dazu alle Anweisungen und neben einer Vorgeschichte auch Details zum Endgegner, die man nicht außer Acht lassen sollte. Jeder Spieler wählt aus einen der sieben Helden und nimmt sich dessen Heldendeck, welches aus ca. 15 Karten des Grundsets und ebenso vielen kostenpflichtigen Upgrades besteht. Pro Runde gilt es dann das Gelände zu erkunden, die Monster platt zu machen und von der Belohnung neue Karten zu kaufen. Dieses sorgt dafür, besser zu werden und am Leben zu bleiben. Denn das Neue an diesem Spiel ist, dass die Spielerkarten nicht nur die entsprechenden Zaubersprüche oder Heldentaten widerspiegeln, sondern auch die Lebenspunkte des Helden repräsentieren. Solange der Spieler noch Karten hat, die er begraben kann, ist er noch nicht ausgeschieden, respektive hat die Gruppe noch nicht verloren.

Der normale Rundenablauf sieht wie folgt aus: Es wird geschaut, ob etwaige Gegner Verstärkung bekommen. Anschließend können die Spieler reisen und es wird eine neue Begegnungskarte gezogen, die neue Gegner ist Spiel bringt und diese je nach Fokus in die Heldenzonen verschiebt. Nun sind die Helden am Zug. Jeder hat eine normale Aktion zur Verfügung und kann beliebig viele Karten mit Reflex oder dem Schlüsselwort „schnelle Aktion“ spielen. Hier werden also vorrangig Waffen und Gegenstände ausgespielt und dann diese benutzt, Zaubersprüche geschleudert und Fertigkeiten eingesetzt. Die meisten Karten generieren dann wiederum Fokus, wodurch die potenziell nächste Welle der Gegner wiederum komplett verteilt werden muss.

Gemeinerweise müssen die guten Karten zumeist nach der Aktion abgelegt oder begraben werden (selbst die Waffen) und nun gilt es, diese geschickt wieder unter oder besser noch oben auf den Nachziehstapel legen zu können. Denn es gilt, die eigenen Handkarten nicht nur optimal zu benutzen, um die Schilde der Verteidiger zu durchdringen. Die Karten nächste Runde wieder zu bekommen, macht die Eleganz aus und sollte das oberste Gebot sein. Jeder nicht besiegte Gegner vollführt danach einen Angriff auf die Helden, deren verursachter Schaden in Form von zu begrabenden Spielerkarten eingesteckt werden muss. Dann wird geprüft, ob die aktuelle Begegnung erfolgreich abgeschlossen wurde und man gegebenenfalls regenerieren darf. Zuletzt wird eine neue Zeitkarte ausgelöst, die den Counter für die Spieler wieder weiter Richtung deren Niederlage ziehen lässt.

Demzufolge ist der grundlegende Mechanismus eine Kombination aus Deckbau und zügiger Regeneration. Denn wenngleich jeder Held nach seiner Phase wieder auf fünf Handkarten nachziehen darf, ist der eigentliche Clou, dafür zu sorgen, genug Regeneration zu generieren, um begrabene oder abgelegte Karten wieder dem eigenen Zugstapel hinzuzufügen, um immer wieder nachziehen zu können.

Das Spiel ist harte Arbeit

Gespielt wird mit einem Heldenmarker, das heißt nicht jeder Mitspieler agiert allein im Spiel, sondern die Spieler müssen sich als Gruppe jeweils entscheiden, wohin sie reisen wollen und wie die Strategie ist, um den Endgegner zu besiegen. Denn dieses Spiel ist vor allem kooperativ und kommunikativ. Nicht ganz so extrem wie bei „die Legenden von Andor“, aber auch hier gibt es nur einen geringen Glücksfaktor (keine Würfel, sondern Kartenziehglück) und vor allem etwas für Mathematiker oder Strategen zu tun. Entweder gewinnen alle in der vorgegebenen Spielzeit (ein Counter läuft mit, der durch Ereigniskarten beeinflusst wird) oder keiner.

Wenn das geklärt ist, muss man mit seinen eigenen Karten zurechtkommen. Die Symbole sind relativ eindeutig und auch die Karten, aber dennoch muss man erst einmal Synergien bei Karten entdecken und durchsteigen, wie das Grunddeck jedes Helden designt ist. Dies braucht schon einige Versuche, ein bisschen Ahnung von ähnlich gelagerten (Deckbau)Spielen (z. B. „Magic“ oder „Thunderstone“) schadet dabei nicht. Es sind keine 10 verschiedenen Karten pro Held, aber glücklicherweise spielt sich der Frostmagier anders als die Furie, die Klerikerin viel einfacher als der Bogenschütze. Entgegen der üblichen Strategie, dass Bogenschütze und Magier den Fernkampf übernehmen, während sich die Tanks als Bollwerk dazwischenwerfen, muss hier jeder Held handgreiflich werden. Aufgrund des Tatsache, dass jedes Ausspielen von Karten den Gegnerfokus eines Helden erhöht, kommt man nicht darum, immer auch genügend Gegner abzubekommen, die nur selten von den anderen Helden übernommen oder mit bearbeitet werden können. Wohl dem, der die richtigen Helden als Gruppe zusammengestellt hat.

Diese Gegnerverteilung ist zwar realistischer als in manch anderen Spielen, verlangt aber eben ein gutes Teamwork der Mitspieler. Vor allem Anfängerfehler oder das falsche Verwenden von Karten werden schmerzhaft bestraft und das kann schnell spielentscheidend sein. Vor allem diese Tatsachen und dass man sich das ganze Spiel über absprechen und auf die Karten und Phasen und Regeln konzentrieren muss, verleiden Gelegenheitsspielern das Spiel. Nicht nur, weil es oft deutlich mehr als zwei Stunden pro Szenario dauert und es sich vor allem am Anfang nicht locker spielen lässt und das Scheitern sehr wahrscheinlich ist. Durch die hohe Aufmerksamkeit, die benötigt wird, und den nicht zu unterschätzenden Komplexitätsgrad, ist das vorgeschlagene Alter ab 14 wirklich die unterste Schmerzgrenze.

Wiederspielwert

Wenngleich es nur drei richtige Szenarien in der Grundbox gibt, ist der Anreiz des Wiederspielens durchaus gegeben. Die modularen Landschaftsteile ändern jede Runde etwas den Verlauf des Spiels. Selbstverständlich macht einen weitaus größeren Teil jedoch die Auswahl der Helden aus und wie viele sich in das jeweilige Abenteuer stürzen. Die meisten Karten skalieren nämlich über die Anzahl der Helden. Aber auch durch das Nachkaufen von Karten kann man jedem Helden überraschend differenziert verändern (ähnlich wie z. B. bei „World of Warcraft – das Brettspiel“) und ein Szenario dadurch anders angehen. Ebenso werden immer andere Ereigniskarten, Begegnungen und Gegner gezogen, was das Bild abrundet. Leider war es in allen Testrunden immer so, dass das Spiel wirklich sehr schwierig oder nicht zu gewinnen war, wenn man (mit nur rudimentärem Anfängerwissen über die Karten) die Klerikerin nicht als Held für die Gruppe auswählt. Denn allein ihr obliegt es, auch außer der Reihe Karten von sich oder den Mitstreitern zu regenerieren und dies ist essentiell. Diese Einschränkung ist überaus schade, zeigt aber, dass es auch nach ein paar Partien noch nicht gelingen muss, das Spiel zu meistern und dem Szenario einen Sieg abzutrotzen. Also noch eine Runde, jetzt muss es doch klappen ...

Fazit: Hände weg von „Nebel über Valskyrr“ heißt es für alle Gelegenheitsspieler, denn diese werden hiermit wohl überfordert und richtig unglücklich werden. Für alle anderen, die die lange Einarbeitungszeit nicht scheuen und echte Herausforderungen suchen, lohnt sich der Blick auf dieses anspruchsvolle Spiel auf alle Fälle. Langanhaltender Anfangsfrust und dann ungetrübte Wiederspiellust prägen die Partien. Erst muss man die Spielregeln beherrschen, dann alle Heldenkarten verinnerlichen und dann erst fängt Stunden später das Optimieren an. Das ständige Konzentrieren für über zwei Stunden pro Partie passiert dann fast schon nebenher. Das Spiel ist zudem wirklich nur komplett kooperativ zu gewinnen. Das beginnt bereits bei der Heldenauswahl und endet nicht zuletzt beim gegenseitigen Unterstützen bei Angriffen oder dem Verzicht, selber die nächste Karte zu erwerben. Alleine hat man hier keine Chance, selbst das vorgeschlagene Einstiegsszenario ist schon schwierig genug.

Anmerkung:
Mittlerweile ist eine kleine Erweiterungsschachtel erschienen. Die Kampagnenerweiterung „Schnee und Eis“ erhöht den Schwierigkeitsgrad, bringt neue Heldentaten und ermöglicht es, mehrere Szenarien eben als Kampagne zu erleben und somit die Helden über ein Szenario hinaus noch mehr zu skillen.


Nebel über Valskyyr
Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
Blazej Kubacki
NSKN/Heidelberger Spieleverlag 2015
EAN: 4015566033412
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 44,95

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