Mystic Vale: Zwielichtiger Garten

Die dritte große Erweiterung zu „Mystic Vale“ bringt durch die schiere Menge an neuen Karten genügend Optionen und bietet zudem durch die neuen Effekte auch ganz neue Spielstrategien, um im Tal des Lebens am erfolgreichsten den Fluch zu bannen und als Gewinner des Spiels hervorzugehen.

von Lars Jeske

„Mystic Vale“ und kein Ende in Sicht. Wie in jedem Deckbauspiel hat der Entwickler mannigfaltige Möglichkeiten, auf einfache Art und Weise den Kartenpool zu erhöhen und neue Erweiterungen herauszubringen. Da bildet auch das Card-Crafting-System von „Mystic Vale“ keine Ausnahme, sind doch viele der Prinzipien ähnlich. In den ersten beiden Erweiterungen wurden auch immer neue Spielmechanismen vorgestellt, wodurch das Spiel etwas komplexer, jedoch nur geringfügig länger wurde. Die vorliegende dritte Erweiterung namens „Zwielichtiger Garten“ hält sich mit Neuerungen weitestgehend zurück, bringt aber eine gewaltige Menge an Karten mit sich. Mit der beiliegenden exakt gleichen Anzahl an 96 Aufwertungen und 36 Unterstützungen wie im Grundspiel fehlen einem quasi nur die Spielerdecks und die Manakarten „fruchtbarer Boden“, um ein komplett neues Spielerlebnis zu genießen.

Da ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass in der übersichtlichen Regel auch gleich eingangs als Spieloption vorgeschlagen wird, anstatt die neuen Karten einfach mit einzumischen, ausschließlich mit diesen zu spielen. Dazu gibt es erneut die seit der ersten Erweiterung bekannten Anführerkarten (8 neue), und inkludiert sind wiederum Karten mit der Verbergen-Option. Im Regelheft wird für den thematischen Hintergrund des Spiels wieder ein kurzer Lebenslauf der Anführer angehängt, und es werden Beispiele sowie zusätzliche Erklärungen für Karten gegeben, die aufgrund der deutschen Sprache womöglich falsch auslegbar sind. Alles in allem muss man jedoch das sehr schön gestaltete, 20-seitige Beiheft gar nicht zur Hand nehmen, sondern kann auch sofort losspielen. (Für Regelfüchse: Auf die Einschränkungen des vollständigen „Vorbereitens“ mit drei oder mehr „Verfall“-Symbolen wird heuer nicht hingewiesen.)

Spätestens beim Spielen erkennt man dann die beiden minimalen Neuerungen. Nunmehr gibt es auch negative Siegpunkte, genannt Fluchplättchen, nunmehr sind diese sozusagen zwielichtig, denn da wo Licht ist, ist auch Schatten. Diese sind ebenfalls Pappmarker und werden analog zu normalen Siegpunkten errungen. Sie werden jedoch nicht gleich mit den positiven Punkten verrechnet, da es Möglichkeiten gibt, diese wieder abzugeben oder anderweitigen Nutzen aus ihnen zu ziehen. Das Spiel bleibt auch mit dieser Art neuen Karten ausgewogen, da man diese Fluchplättchen nur bei wirklich spielstärkeren Karten als Malus erhält. Apropos: Unter den neuen Anführern befinden sich heuer auch zwei, die nichts für risikoaverse Spieler sind. „Hectoro – der Jäger“ startet mit -25 Siegpunkten und „Le Que – Die verdorbene Seele“ mit sage und schreiben -100 Siegpunkten. Allerdings ist vor allem bei „Le Que“ eine andere Spielstrategie möglich. Für dessen Spieler gilt die zusätzliche Siegbedingung, automatisch gewonnen zu haben, so es ihm gelingt, mindestens 20 Karten gleichzeitig im Feld liegen zu haben. Das Spielerdeck besteht eingangs weiterhin aus genau 20 Karten. Nunmehr gibt es jedoch auch Karten wie der „Wanderer“, die dies verändern.

Beide Helden beeinflussen auch die Mitspieler und sorgen für mehr Interaktion zwischen den Spielern. Bislang beschränkte sich diese größtenteils darauf, sich um die gemeinsame Auslage an neuen Aufwertungskarten rundenbasiert zu streiten. Generell fällt auf, dass die neuen Karten ganz im Sinne der Interaktion der Spieler unter einander stehen. Durch Helden, Aufwertungen und Unterstützungen kann es passieren, dass Karten, Sieg- oder Fluchpunkte (um)verteilt werden. Solch ein Effekt wird zudem oftmals durch die aktuell ausliegenden Karten der Mitspieler beeinflusst. Dies spricht eindeutig für Partien mit 3 oder 4 Spielern. Allerdings wird das Spiel erneut etwas komplexer und länger, da vor allem Spieler, die seltener „Mystic Vale“ spielen, gern akribisch prüfen werden, ob noch weitere Effekte ausgelöst wurden, die man bisher übersah und noch etwas an der Spielsituation ändern. Die andere, intuitiv verständliche Neuerung sind ein paar „Legendäre Aufwertungen“. Anstatt wie gewohnt ein Drittel der Karte einzunehmen, belegen diese Stufe-3-Aufwertungen gleich 2 Felder und sind dementsprechend mächtiger.

Ob die Erweiterung ein Pflichtkauf ist, bleibt jedem selbst überlassen. Auf alle Fälle gibt es eine Menge neuer Karten und Abwechslung, um wiederum ganz neue Kombinationen an Karten zu finden oder überhaupt im Spiel zu haben. Durch die Fluchplättchen und neuen Anführer gilt es neue Strategien auszuprobieren, und so man alle Karten mischt, ist nunmehr gar nicht mehr vorhersehbar, welche Karten noch kommen werden. Der Vorteil der erfahrenen Spieler mit einer festen Taktik ist dahin. Leider ist dadurch die Wächter-Taktik noch glücksbehafteter als bisher, doch es gibt neben neuen auch andere, die weiterhin funktionieren. Da nur wenige der neuen Karten komplexer sind als die bisherigen, bleibt die Spieldauer bei moderaten 60-100 Minuten und dieses Kennerspiel ist weiterhin für erfahrene Spieler ab mindestens 10 Jahren geeignet. Für ältere (oder erfahrene) Spieler ist „Mystic Vale“ prinzipiell einfacher, da man mitunter nicht nur die aktuell ausgespielte Karte berücksichtigen muss, sondern diese auch einen Effekt auf die gesamte eigene Auslage hat oder vice versa. Der anfängliche Wunsch, doch auch mit 5 oder 6 Spielern spielen zu können, wird immer geringer, da die Auslage auf dem Tisch zwar nicht zunimmt, man jedoch nun auch auf die Unterstützungen und Strategien der Mitspieler achten sollte und das dann für ein Spiel in Arbeit ausarten kann.

Regeltechnisch gibt es wenig Neuerungen, und auch die anderen beiden Erweiterungen müssen nicht bereits Bestandteil der Sammlung sein. Die verwendeten Illustrationen sind erneut über jeden Zweifel erhaben, kommen dabei besonders auf den großflächigen Unterstützungen gut zur Geltung. Sie sind weiterhin selbstverständlich sehr der Thematik des Spiels angemessen. Ebenso passen die Namen wunderbar ins Konzept und regen mitunter gleich das Kopfkino an. Wer hat nicht gern einen „Dunkelholzbaumhirten“, die „Heroldin der Morgendämmerung“ oder die „Himmelswache der Feen“ an seiner Seite, wenn es gilt, den Fluch zu brechen und das Tal erneut mit Leben zu füllen. Durch die Kartenübersicht im Heft kann man wie gewohnt diese Erweiterung auch wieder separieren, da es leider weiterhin keine Kennung auf den Karten gibt, aus welcher Erweiterung diese stammen.

Fazit: Die Erweiterung „Mystic Vale: Zwielichtiger Garten“ vergrößert den Kartenpool enorm und macht „Mystic Vale“ noch abwechslungsreicher und vor allem interaktiver. Es gibt nur minimale Regelerweiterungen, wodurch man sofort losspielen kann. Es gibt viele neue strategische Möglichkeiten zu entdecken, um das eigene Deck anders zusammenzustellen. Durch neue spielstarke Karten, die vor allem situativ den Unterschied machen können, sollte man während der gesamten Spieldauer konzentriert dabei sein. Nicht umsonst ist es als Kennerspiel klassifiziert und wird auch immer besser.

Mystic Vale: Zwielichtiger Garten
Kartenspiel-Erweiterung für 2 bis 4 Spieler ab 10 Jahren
John D Clair
Pegasus Spiele 2019
EAN: 4250231718335
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 19,95

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