MWDA 16: Tochter des Drachen

Die Republik der Sphäre hat es nach dem HPG-Kollaps nicht leicht. Die Stahlwölfe knurren, der Schwertschwur rasselt mit den Säbeln, Bannsons Räuber ziehen plündernd durchs All, Clan Jadefalke startet im Norden eine Invasion und die Konföderation Capella marschiert im Süden ein. Und dann ist da noch die ehemalige Republik-Präfektin Katana Tormark, die sich zu Haus Kurita bekannt hat und mit ihrer Sölderarmee „Des Drachen Zorn“ Planeten annektiert. Aber es kommt noch schlimmer. Ein Kriegsherr des Draconis-Kombinats sieht den Zeitpunkt gekommen, die Republik anzugreifen.

von Jakob Schwarz

 

Ilsa J. Bick ist die erste Frau im Team der „Mechwarrior“-Autoren, die einen Roman zur aktuellen „BattleTech“-Reihe beisteuert. Und als wolle sie beweisen, dass Mädels kein bisschen weniger hart sind, als die Jungs, beginnt sie ihre Geschichte erst einmal mit einem brutalen Mord, einem traditionellen Seppuku und der Einführung des zweifellos krankesten Protagonisten, der mir in 15 Romanen bislang untergekommen ist: Jonathan alias dem Kopfgeldjäger, einem Mann mit 1000 Gesichtern und wahrhaft perversen Hobbies.

Nach diesen ersten 30 Seiten musste ich erst einmal Luft holen. Wenn dieser Roman so weitergehen würde, wäre damit ein echter Präzedenzfall in der zuletzt doch sehr von politischen Geplänkeln und vergleichsweise brav beschriebenen Kampfsituationen beherrschten Reihe geschaffen. Ilsa Bick geht ran: Bei ihr schmeckt Blut nach Blut, Schweiß stinkt nach Schweiß und der Tod ist eine echt dreckige Angelegenheit. (Man liest nicht oft von einem MechKrieger, dessen Cockpit implodiert, der von Panzerglassplittern an seine Pilotenliege genagelt wird und dann gleichzeitig zu ersticken und an seinem Blut zu ertrinken droht!)

Aber der Tonfall normalisiert sich doch etwas und die Handlung beginnt. Es geht im Groben um die Situation im Draconis-Kombinat zwischen Februar 3134 und Februar 3136. Zeitlich werden damit fast alle bisher erschienen Romane umfasst und tatsächlich wird auch en passant auf die sonstigen Geschehnisse Bezug genommen: die Invasion von Haus Liao, der Tod und die Bestattung von Victor Steiner-Davion auf Terra. Und „Tochter des Drachen“ nun schildert die Ereignisse an der Kurita-Front.

Dort herrscht angespannte Stimmung – innenpolitisch wie auch außenpolitisch. Die Kriegsherren der drei verbliebenen Militärdistrikte des Kombinats verstehen nicht, warum der Koordinator sich nicht in das fröhliche Leichenfleddern der Republik der Sphäre einreiht und stattdessen unkommentiert zulässt, dass eine Ausgestoßene, Katana Tormark, mit ihren Truppen im Namen Kuritas Planeten des ehemaligen Militärdistrikts Dieron – der seinerzeit in Teilen an die Republik der Sphäre abgetreten wurde – zurückerobert. Schließlich wird es einem der ambitionierten Militärs zu bunt: Kriegsherr Sakamoto stellt auf eigene Faust ein Heer auf und greift dann die Republik der Sphäre und vor allem Katana Tormark an!

An diesem Punkt wird der Roman etwas unübersichtlich. Auf mehreren Welten gleichzeitig kämpfen Kurita-Truppen gegen Republik-Truppen und die Einheiten von „Des Drachen Zorn“. In Dutzende von kurzen Einzelszenen aufgelöst, wird der Vernichtungsfeldzug Sakamotos in den Präfekturen II und III erzählt. Man lernt Männer und Frauen kennen, leidet kurz mit ihnen und entweder sterben sie oder sie kommen davon. Das ist einerseits eine spannende Strategie der Autorin, die Willkür und die Gräuel des Krieges zu verdeutlichen, andererseits macht es aber auch Mühe, sich als Leser mit den vielen Gesichtern zu identifizieren – wobei es Bick, das muss ihr der Neid lassen, gelegentlich sogar gelingt, mit wenigen Sätzen eine Figur zu profilieren und interessant zu machen (ich sage nur der Panzerfahrer mit dem Cowboyhut – ein cooler Haudegen!).

Trotzdem setzen im letzten Drittel ein wenig die Ermüdungserscheinungen ein. Bei aller schonungsloser Erzählweise und fantasievollen Schlachtenmalerei ist man irgendwann doch satt und wartet auf den großen Showdown. Der indes fällt eher unspektakulär aus. Irgendwie hätte ich eine intensive Machtdemonstration des Drachen erwartet, der ein für alle Mal klarstellt, wer hier der Koordinator des Draconis-Kombinats ist. Die aber bleibt aus. Andererseits hätte lautes Gebrülle vielleicht auch nicht dem Wesen Kuritas entsprochen…

Fazit: Krieg an der Kurita-Front ist das Thema, dem sich Ilsa Bick mit viel Liebe für blutige Details, ungewöhnliche Kampfmanöver und einem Heer von Nebenfiguren, deren Schicksal fragmentarisch bleibt, nähert. „Tochter des Drachen“ ist – gerade zu Beginn – zweifellos faszinierend anders geschrieben, als das, was man in den Vorgängerbänden gelesen hat. Gegen Ende jedoch bekommt man das Gefühl, dass die mangelnde Story-Dichte durch einfach nur noch mehr Kämpfe wettzumachen versucht wurde. Ein ungewöhnlicher Beitrag der Reihe, aber in meinen Augen kann Katana Tormark den anderen weiblichen Kriegerinnen des MWDA-Universums trotzdem nicht das Wasser reichen.


Tochter des Drachen (Mechwarrior Dark Age – Bd. 16)
Rollenspiel-Roman
Ilsa J. Bick
Heyne 2008
ISBN: 978-3-453-52363-0
365 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 7,95

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