von Jakob Schwarz
„Der Himmel schweigt“ von BattleTech-Debüttant Martin Delrio blickt auf einen weiteren Krisenherd des galaktischen Flächenbrands der Fraktionskämpfe, die innerhalb der Präfekturen (bevorzugt Präfektur III und IV) der Republik der Sphäre im Ausbrechen begriffen sind. Der Handlungszeitraum erstreckt sich von November 3132 bis Juni 3133, der Kampfschauplatz ist der Planet Northwind, Heimatwelt der berühmten Söldertruppe Northwind Highlanders und Einfallstor nach Terra.
In Tara, der Hauptstadt von Northwind, herrscht angespannte Stimmung. Tara Campbell, Countess of Northwind und frisch gebackene Präfektin der Präfektur III der Republik der Sphäre, erwartet die Ankunft eines Paladins der Republik, der ihr vom Exarch geschickt wurde, um Northwind zu unterstützen. Dieses Geschenk nimmt sie mit gemischten Gefühlen entgegen: Auf der einen Seite fühlt sie sich als neue Regentin überwacht und bemuttert, auf der anderen Seite ist die zunehmende Bedrohung von Northwind angesichts der überall in der Sphäre aufflackernden Fraktionskämpfe nicht zu leugnen, liegt der Planet doch auf direktem Wege nach Terra. Die Frage lautet also weniger, wann jemand seine Aufmerksamkeit der Heimat der Highlanders zuwendet, sondern vielmehr wer?
Auch bei den Stahlwölfen, Abkömmlingen des Clan Wolf, die sich in der Republik niedergelassen haben, herrscht Unruhe. Nachdem sie erfolgreich von Achernar zurückgeschlagen worden waren (siehe „Der Kampf beginnt“ von Loren Coleman), ist Kal Radick auf der Suche nach leicht zu erobernden Welten, die seine Machtbasis festigen können. Da taucht eine junge Frau in den Reihen der Wölfe auf, die ein großes Erbe mit sich trägt: Anastasia Kerensky, Nachfahrin von Sternenbund-General Aleksandr Kerensky und der berühmt-berüchtigen „Schwarzen Witwe“ Natasha Kerensky, hat sich von ihrer Heimat Arc-Royal auf gemacht, um die Führung über die Wölfe zu übernehmen und mit ihnen einmal mehr für Ehre und Ruhm der Clans zu streiten. Dabei gibt sie sich nicht mit unbedeutenden Welten ab. Ihr gestecktes Ziel ist hoch: erst Northwind, dann das Solsystem!
Bescheidener sind die Zukunftspläne des northwinder Bergführers Will Elliot, der aufgrund des Zusammenbruchs des Hyperpulsnetzes und der damit einher gehenden Isolierung der Planeten seinen Job als Touristenbetreuer verloren hat. In der Not meldet er sich zur Armee, nur um festzustellen, dass er sich dafür einen denkbar schlechten Zeitpunkt ausgesucht hat. Denn bereits wenige Monate später wird der Krieg nach Northwind getragen und die Highlanders, von ihrer adligen Regentin Tara Campbell bis zum kleinsten Scout Will Elliot müssen sich dem wütenden Rudel der Stahlwölfe und ihrer ehrgeizigen neuen Anführerin Anastasia Kerensky stellen.
Wie die drei vorherigen Romane ist „Der Himmel schweigt“ weitgehend in sich geschlossen. Wer den Rest der Serie nicht kennt, verpasst also nichts – außer einer Hand voll Anspielungen. Damit qualifiziert sich auch diese Geschichte als Einstieg in das Mechwarrior-Universum, auf der anderen Seite mag sie natürlich Fans enttäuschen, die darauf hoffen, dass sich die galaktische Rahmenhandlung erkennbar weiterbewegt. So wüsste ich persönlich beispielsweise mal sehr gerne, wie es eigentlich auf Terra aussieht und wie die obersten politischen Kreise auf die aktuelle Krise reagieren. Geht man dem Ausfall des Hyperpulsnetzes irgendwie nach? Und was geschieht eigentlich in den weiten Teilen der Inneren Sphäre, die nach wie vor unter der Kontrolle der Hauslords und der Clans stehen? Hier ist meines Erachtens noch viel Potential ungenutzt und die galaktische Krise wird zum Lokalkonflikt degradiert.
Stattdessen also erneut eine Geschichte um ein paar Scharmünzel auf einem fast beliebigen Planeten. Basalt war es im ersten Roman von Michael Stackpole, Achernar im zweiten von Loren Coleman, Mirach im dritten von Robert E. Vardeman und nun stehen wir eben auf Northwind – zugegeben noch einer der interessantesten denkbaren Schauplätze, verbindet man mit ihm doch die lange, ruhmreiche Geschichte der Northwind Highlanders. Man muss der Story weiterhin zugute halten, dass sie einen nicht unbedeutenden Führungswechsel in einer der Fraktionen herbeiführt, indem Anastasia Kerensky – eine wundervoll zwiespältige Figur, bei der man nicht weiß, ob man sie aufgrund ihres coolen Erbes lieben oder aufgrund ihres wilden Clan-Fanatismusses hassen soll – den bisherigen Anführer der Stahlwölfe Kal Radick entthront. Damit könnte zumindest eine dauerhafte Handlungslinie in Schwung gebracht worden sein – hier wird man die beiden folgenden Bücher von Martin Delrio („Schatten der Wahrheit“ und „Den Toten dienen“) abwarten müssen, um ein abschließendes Urteil fällen zu können.
Abgesehen davon ist „Der Himmel schweigt“ schlicht nette Unterhaltung. Man kann den Roman in einem Rutsch durchlesen, ohne an wesentlichen Stellen hängen zu bleiben und am Schluss bleiben vielleicht der brutale Zweikampf zwischen Radick und Kerensky in Erinnerung sowie die clevere Täuschung, derer Will Elliot sich am Red-Ledge-Pass bedient, um die heranmarschierenden Stahlwölfe auszubremsen. Man wird möglicherweise die ziemlich oberflächlich bleibenden Beziehungen der Figuren bedauern – gerade aus dem Trio Will, Jock und Lexa hätte mehr gemacht werden können, hätte Delrio ihnen ein bisschen mehr Raum gegönnt – und schließlich wird man sich fragen, ob fürderhin alle Invasionsarmeen aus einer Hand voll Infanteristen, Panzern, einem BattleMech und drei AgroMechs bestehen. Was waren das früher noch für Schlachten, wo Bataillone auf Bataillone und mehr trafen. Zwar habe ich mir inmitten mancher Materialschlacht der Clankriege seinerzeit noch gerade das Gegenteil gewünscht, aber dermaßen knüddelige Kindergeburtstage wie der Kampf hier, die vom Ausmaß her in einer Arena von Solaris VII hätten ausgefochten werden können und dabei das Schicksal eines ganzen Planeten bestimmen sollen, wirken dann doch irgendwie unrealistisch und unbefriedigend.
Kurz vor Schluss leistet sich Delrio übrigens noch ein wirkliches Glanzlicht von einem Continuity-Fehler, wenn er einfach die Hälfte seines militärischen Materials nicht zur Endschlacht eintreffen lässt (absichtsvoll oder weil er sie einfach vergessen hat), obschon den halben Roman lang furchtbares Drama betrieben worden war, um den Nachschub bloß rechtzeitig einsatzbereit zu bekommen.
Fazit: Ein netter Roman für Zwischendurch – für den Urlaub oder für eine Zugreise. Sicher nichts, was man gelesen haben „muss“, vor allem, wenn man bereits zwei oder alle drei der vorherigen Romane kennt. Es kommt zwar zu zwei ganz netten Entwicklungen, einen wirklichen Einblick in die Geschehnisse auf der galaktischen Bühne erhält man jedoch – mal wieder – nicht. Relativ gerade heraus, relativ simpel in der Figurenzeichnung, aber auch relativ geschickt auf den Spannungshöhepunkt, die Endschlacht, hinarbeitend, die dann wiederum nicht wirklich hält, was versprochen worden ist. Fast könnte man meinen, Delrio sei am Schluss in Zeitnot geraten und habe das rasche Ende suchen müssen. Nur so kann ich mir auch das böse Plotloch erklären, das auf den letzten Seiten noch aufklafft. Na, mal sehen, wie sich die Geschichte in den beiden Folgeromanen aus der Feder des Autors weiterentwickelt.
PS an Übersetzer Reinhold H. Mai: Wenn die neusten medizinischen Termini nicht völlig an mir vorübergegangen sind, dann ist ein Solar Plexus nach wie vor ein Solar Plexus – und kein „Sonnengeflecht“ (obwohl das eine wirklich phantasievolle Übersetzung ist).
Der Himmel schweigt (Mechwarrior Dark Age - Bd. 4)
Rollenspiel-Roman
Martin Delrio
Heyne 2004
ISBN: 3-453-87912-0
300 S. , Softcover, deutsch
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