von Bastian Ludwig
Meine Spielegruppe und ich haben „Munchkin“ damals über einen Zeitraum von zwei oder drei Jahren recht häufig gespielt, ein oder zwei Erweiterungen haben in dieser Zeit Einzug in unser Kartendeck erhalten, danach blieb das Spiel immer öfter im Regal stehen und seit nunmehr bestimmt sieben oder acht Jahren hatte ich mit „Munchkin“ nichts mehr am Hut. Natürlich habe ich weiter am Rande mitbekommen, wie immer wieder neue Spielepackungen mit dem „Munchkin“-Schriftzug in den Läden standen, was davon allerdings eigenständige Spiele waren, was Erweiterungen und zu welchem Originalspiel welche Erweiterung gehörte, hatte ich nicht im Blick. Kurz gesagt: Mein „Munchkin“-Horizont endet beim ersten „Munchkin“ und nun liegt mir, wie ich erst einmal recherchieren musste, mit dem jüngsten Vertreter der Reihe, „Munchkin Legenden“, das sage und schreibe 15. „Munchkin“-Spiel vor. Schauen wir doch mal, was sich in den letzten zehn Jahren getan hat.
Zunächst mal für diejenigen, die gar nicht wissen, worum es geht: „Munchkin Legenden“ ist ein Kartenspiel und bietet Rollenspiel ohne das nervige Rollenspiel. Man spielt Heldinnen und Helden, die in einen Dungeon gehen, um ihn auszuplündern. Monster stellen sich ihnen in den Weg. Es gibt zwei Arten von Karten, „Türkarten“ und „Schatzkarten“. Zu Beginn eines Zuges zieht man eine Türkarte. Vielleicht hat man nun einen Fluch gezogen, der eine negative Folge hat, vielleicht eine von vier Klassen (Krieger, Zauberer, Dieb, Priester) oder eine Rasse (Elf, Zwerg, Halblinge), die einem besondere Vorteile bringen, vielleicht auch eine andere Ereigniskarte. In diesen Fällen zieht man eine weitere Türkarte, wirft bis auf fünf Handkarten ab und der Zug ist beendet.
Falls man hingegen ein Monster gezogen hat, kommt es zum Kampf. Das Monster hat einen Kampfwert, der mit dem eigenen Kampfwert, der sich zum Beispiel durch den Einsatz von Waffen erhöhen lässt, verglichen wird. Gewinnt man den Kampf, steigt man zum einen um eine Stufe auf, zum anderen plündert man die Schätze des Monsters und erhält so etwa Waffen, Rüstungen und andere Gegenstände, mit denen man den eigenen Charakter ausrüsten kann. Verliert man, kann man noch versuchen, durch einen Würfelwurf zu fliehen, ansonsten erwischt einen das Monster und einem widerfahren „Schlimme Dinge“, etwa der Verlust von Stufen oder Gegenständen. Auch kann man dabei sterben, sodass man mit einem neuen Charakter von vorne anfangen muss. Falls man kein Monster zieht, hat man auch die Möglichkeit, eines selbst auszuspielen. Die Kampfregeln sind dann die gleichen.
Die Mitspielenden können den Kampf gegen eine entsprechende Belohnung unterstützen, sie können ihn aber auch – ganz getreu dem Motto: Fall deinen Gruppenmitgliedern in den Rücken – durch Karten erschweren. Denn ein totes Gruppenmitglied ist ein gutes Gruppenmitglied, kann man es doch all seiner Habe entledigen. Gewonnen hat, wer als erster Stufe 10 erreicht.
Wer das erste „Munchkin“ kennt, wird anhand der Beschreibung schon bemerken: Am Spielprinzip hat sich bei „Munchkin Legenden“ nichts geändert. Ich will das nicht einmal schlechtreden. Es gibt einige Spiele, die durch den selbst auferlegten Zwang, mit jeder Erweiterung nicht nur ergänzende Materialien, sondern auch neue Regelvarianten oder gar neue Spielmechaniken in das Originalspiel zu integrieren, ihre ursprüngliche Idee verwässert und damit ihre schlichte Eleganz verloren haben. „Munchkin Legenden“ bleibt den Originalregeln treu. Und die funktionieren nach wie vor gut. Sie sind einfach und schnell zu erlernen, trotzdem sorgt die Kartenvielfalt für ausreichend Abwechslung im Spielverlauf.
Weswegen also dann 15 eigenständige Spiele? Hauptsächlich wohl wegen der Szenarien. Das erste „Munchkin“ bediente sich eines ganz klassischen Mittelalter-Fantasy-Hintergrundes. Im zweiten Spiel nahm man sich dann die Welt der Science-Fiction vor. Später kamen noch Horror, Agententhriller, Western und andere hinzu. All diese Genres mögen sich atmosphärisch von der Mittelalter-Fantasy unterscheiden und damit die jeweiligen „Munckin“-Versionen in gewisser Weise legitimieren, auf die Mythologie, derer sich „Munchkin Legenden“ bedient – ein bisschen griechisch, ein bisschen nordisch, ein bisschen keltisch –, trifft das allerdings nicht zu. Klar, „Thors Hammer“, „Pfeil und Bogen des Herkules“ und der „Minotauros“ gehören nicht ins Mittelalter, für „Drachenzähne“ und „Excalibur“ zählt das aber schon nicht mehr. Und letztlich ist es ja auch egal. Alles High-Fantasy-Kram und damit austauschbar. Unterstützt wird dieser Eindruck auch noch dadurch, dass die Klassen und Rassen genau denen des ersten Spiels entsprechen. Und ob Elfen, Zwerge und Halblinge nun noch als Figuren der Mythologie durchgehen, lässt sich wirklich diskutieren.
Was hat sich also in den letzten zehn Jahren im „Munchkin“-Land verändert. Wenn man das erste „Munchkin“ und „Munchking Legenden“ nebeneinanderlegt, muss man sagen: Nichts. „Munchkin Legenden“ ist quasi ein Remake des ersten Spiels. Das macht die Bewertung schwierig und letztlich muss ich sie zweiteilen. Unter einem Innovationsaspekt ist „Munchkin Legenden“ letztlich überflüssig wie ein Kropf. Wer das erste Spiel besitzt und wem – auch hier nur teilweise – neue Kartentexte und -bilder als Kaufgrund nicht ausreichen, der kann die „Legenden“ links liegen lassen. Auf der anderen Seite ist „Munchkin“ ein tolles Spiel, logischerweise ist also auch „Munchkin Legenden“ für sich genommen ein tolles Spiel.
Fazit: „Munchkin Legenden“ ist ein spaßiges Spiel, das dem ersten „Munchkin“ von 2001 ins nichts nachsteht, hauptsächlich deshalb, weil es sich dabei bis auf kosmetische Details um das genau gleiche Spiel handelt.
Munchkin Legenden
Kartenspiel für 3 bis 6 Spieler ab 12 Jahren
Andrew Hackard, Steve Jackson, John Kovalic
Pegasus Spiele 2014
Sprache: deutsch
EAN: 4250231705328
Preis: EUR 14,95
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