Mombasa

Ein wenig enttäuscht war ich ja schon, dass es Mombasa „nur“ auf die Empfehlungsliste zum Kennerspiel des Jahres geschafft hat. Mein Favorit für die Trophäe war es auf jeden Fall. Als „Konkurrenzkampf im Zeitalter der Handelskompanien“ angepriesen, ist „Mombasa“ eine hochkomplexe und ebenso spannende Mischung aus Entwicklungs-, Handels- und Strategiespiel mit Elementen von Deckbuilding und Worker-Placement. Also schauen wir uns den Brocken aus dem Hause Pegasus Spiele einmal genauer an.

von Michael Wilhelm

 

 

„Mombasa“ spielt lose angesiedelt in der Zeit des Kolonialismus, als Handelskompanien der Kolonialmächte (unter anderem) den afrikanischen Kontinent um Bodenschätze, Handelswaren und Genussmittel erleichterten. Da man das Thema des Spiels und auch die Titelillustration der Box durchaus kontrovers sehen kann, hat die Redaktion der Regelbeschreibung einen Disclaimer vorangesetzt, um allen klar zu machen, dass hier keinesfalls das Zeitalter des Kolonialismus und dessen Verbrechen verharmlost werden sollen. Das Spiel bedient sich auch nur grob am historischen Setting der Kolonialzeit und vermeidet konsequent eine genauere Betrachtung der Einwohner des afrikanischen Kontinentes. So schafft es „Mombasa“ zwar einerseits, das Gefühl eines spannenden Wettstreits um Handelswaren und Diamantenminen zu simulieren, verlangt aber trotzdem keine historisch schwierige Bewertung des Settings, da es in diesen Fragen dann doch abstrakt genug bleibt.

Wie von Pegasus nicht anders zu erwarten, ist das üppige Spielmaterial von bester Qualität. Die Box in Standard-Größe ist prall gefüllt mit Karten, Pappmarkern und -münzen und Holzteilen. Das Pracht- und Herzstück der Box ist aber der großformatige farbige Spielplan mit einer Karte Afrikas. Ein Wertungsblock, vier Spielerablagen, vier Übersichten für den Rundenablauf und doppelseitige Kompanieleisten zum Anbau an den Spielplan machen das Ding voll. Wieder einmal sei Pegasus gelobt für die beigelegten Ziploc-Tütchen zur problemlosen Sortierung des Spielmaterials. Das ist auch schon mal die erste Hürde, die es vor dem Spiel zu nehmen gilt: Das umfangreiche Spielmaterial will vor dem ersten Spielen ausgestanzt und sortiert werden. Bis man da Überblick hat, kann das schon mal die erste halbe Stunde dauern. Und auch bei folgenden Spielen sollte man zehn Minuten einplanen, bis alles vorbereitet und aufgebaut ist.

Der besondere Kniff bei „Mombasa“ ist, dass die Spieler um Anteile an den vier Handelskompanien Mombasa, Cape Town, Cairo und Saint-Louis streiten, und nicht selbst die vier Handelskompanien darstellen. Deshalb finden sich in der Box auch Holzteile von acht verschiedenen Farben, vier für die Handelsposten der Kompanien (rot, schwarz, orange und weiß) und vier für die Anteilsmarker und Bonusmarker der Spieler (blau, grün, violett und gelb). Die vier Basen der Handelskompanien finden sich an den Spielplan-Rändern und breiten sich von dort aus über die Regionen des afrikanischen Kontinents aus. Die Ausbreitung findet statt mit Hilfe von Ausbreitungskarten, zu deren Einsatz wir gleich kommen.

Zu Spielbeginn werden die Basen der Handelskompanien mit jeweils 15 hölzernen Handelsposten aufgefüllt. An die Ränder des Spielplans kommen die beidseitig bedruckten Kompanie-Leisten. Jeder Spieler erhält seine Bonusmarker, eine Spielerablage mit einem von zehn Startplättchen (das die individuelle Startkonfiguration vorgibt) und neun Start-Aktionskarten. Auf jede Kompanie-Leiste kommt pro Spieler ein Anteilsmarker. Die Anteile an den Handelskompanien sind eine wichtige, aber bei weitem nicht die einzige, Quelle von Siegpunkten.

Je nach Startkonfiguration hat jeder Spieler schon mal einen kleinen Startvorteil in einer der vier Kompanien. Auf der Spielerablage finden sich außerdem die Diamantenleiste und die Buchhaltungsleiste. Dazu gleich noch mehr.

Zu Beginn jeder der sieben Runden wählt jeder Spieler aus den Handkarten drei (später bis zu fünf) Aktionskarten und legt sie in den Aktionsbereich der Spielerablage. Reihum führt nun jeder Spieler genau eine Aktion aus, bis alle Spieler passen. Mögliche Aktionen sind die Verwendung von Aktionskarten (z.B. zur Ausbreitung einer Handelskompanie, zum Kauf von neuen Aktionskarten oder die Nutzung einer Diamantenhändler- oder Buchhaltungskarte) oder das Platzieren eines Bonusmarkers. Bei der Ausbreitung einer Handelskompanie werden Handelsposten aus der Basis in angrenzende Regionen gesetzt und dafür Belohnungen (Geld, Punkte auf der Diamantenleiste, Anteile an der Handelskompanie) erobert.

Mit fortschreitender Ausbreitung steigt der Wert der Handelskompanie, der aber auch wieder sinken kann, wenn eine andere Kompanie Regionen zurückerobert und die Handelsposten in die Basis zurückschickt. Neue Aktionskarten werden aus einer Auslage auf dem Spielplan für Karten mit Handelswaren (Kaffee, Bananen, Baumwolle) gekauft und für den Einsatz in weiteren Runden auf die Hand genommen. Soviel zum Thema Deckbuilding, denn Handkarten können auch für Geld wieder verkauft werden und ausgespielte Karten werden nach und nach wieder auf die Hand recycelt.

Mit Diamanthändler- und Buchhalter-Karten kann auf der entsprechenden Leiste weitergezogen werden, was nicht nur Siegpunkte beschert, sondern auch zwei zusätzliche Kartenslots für Aktionskarten freischaltet, was für ein erfolgreiches Abschneiden im weiteren Spielverlauf von größter Bedeutung ist.

Durch das Setzen von Bonusmarkern können Mehrheiten an Handelswaren für den Gewinn von Kompanieanteilen genutzt werden, verschiedene Bonusplättchen (wie ein zusätzlicher Diamantenhändler) gekauft werden, der Startspieler-Marker für die nächste Runde gesichert werden oder besondere Fähigkeiten auf den Kompanie-Leisten genutzt werden (aber nur wenn das durch den Erwerb von Anteilen freigeschaltet wurde). Damit wäre also auch das Thema Worker-Placement abgehakt.

Haben alle Spieler ihre Aktionskarten und Bonusmarker verwendet und gepasst, wird zu Rundenende aufgeräumt. Neue Aktionskarten kommen in die Auslage und die Spieler recyceln die Aktionskarten eines Slots und nehmen ihre Bonusmarker zurück. Nach sieben Runden ist Schluss. Dank des mitgelieferten Wertungsblocks kann systematisch abgerechnet werden. Punkte gibt es zunächst für Anteile an den Kompanien, deren Wert von der Zahl der aus der Basis versetzten Handelsposten abhängig ist. Es bringt also nichts, an einer Kompanie mit niedrigem Wert hohe Anteile zu haben. Das kann auch mal zu bösen Überraschungen am Ende führen, wenn sich durch Ausbreitung anderer Kompanien durch die Gegner der Wert der eigenen Anteile plötzlich verringert. Ab drei Spielern wird es nämlich schon eng auf dem Spielplan. Dabei gilt es, durch die Ausbreitung der eigentlich neutralen Kompanien sich selbst die größten Vorteile zu erwirtschaften, wobei die Belohnungen durch das Erobern der Regionen ein gern genommener Bonus sind.

Wie oben schon beschrieben gibt es auch Siegpunkte für Fortschritt auf der Diamanten- und der Buchhalter-Leiste, die durch das Freischalten zusätzlicher Aktionsslots ebenfalls einen Zusatz-Nutzen haben. Auch übriges Bargeld bringt Punkte am Ende. Manches Mal gibt es echte Überraschungen bei der Schlussrechnung, da sich durch sorgfältiges Punkteoptimieren in den beiden letzten Runden noch einiges rausholen lässt, was aber auch zu unangenehmen Längen bei vermutlich abgeschlagenen Spielern führen kann.

Überhaupt ist „Mombasa“ ein Spiel, das Spieler belohnt, die ein oder besser zwei Runden im Voraus planen, da man zwar scheinbar zu Rundenbeginn eine geradezu erschlagende Zahl an Optionen hat, aber vorausschauendes Spiel zu hohen Belohnungen in den folgenden Runden führen kann. Da trennt sich dann schnell Spreu vom Weizen, denn wer nicht bereit ist, sich auf die hohe Komplexität und die verschiedenen Strategien zum Erwerb von Siegpunkten einzulassen, spielt entweder einfach so vor sich hin (ohne Chance auf den Sieg) oder wird dadurch gleich ganz abgeschreckt oder frustriert.

Für heterogene Spielrunden mit Gelegenheitsspielern ist „Mombasa“ nicht zu empfehlen. Dafür ist die Lernkurve zu steil. Man benötigt schon zwei oder drei Spiele in kürzerem Abstand, um gleich wieder richtig drin zu sein. Dann aber ist „Mombasa“ ein echter Genuss, der besonders durch den hohen Wiederspielwert besticht. Gerne möchte man gleich noch mal spielen, um noch etwas auszuprobieren, wozu man im letzten Spiel nicht mehr gekommen ist, obwohl locker zwei Stunden ins Land gehen können, bis die siebte Runde vorbei ist.

Fazit: „Mombasa“ mag zwar bei der Preisverleihung zum Kennerspiel leer ausgegangen sein, aber die schiere Zahl von Aktionsmöglichkeiten, die verschiedenen gleichwertigen Strategien zum Sieg, das üppige Spielmaterial und der spannende kurzweilige Spielverlauf sorgen für ein hochkarätiges Spielerlebnis. „Mombasa“ kann allen Spielern, die sich auf solch einen schweren Brocken einlassen wollen, uneingeschränkt empfohlen werden.


Mombasa
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren
Alexander Pfister
Pegasus 2015
EAN: 4250231705748
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 39,95

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