Marvel Timelines – Die visuelle Chronik des Marvel Cinematic Universe

Es ist schon ein Phänomen. Vor rund 15 Jahren gab es das Marvel Cinematic Universe, kurz MCU, noch gar nicht. Heute ist es bereits so umfangreich, dass man sich über jede zusammenfassende Übersicht freut, die einem die Vielzahl an Filmen, Specials und Serien ordnet. Das Buch „Marvel Timeslines“ bietet eine chronologische Übersicht der Ereignisse, die sich in den letzten Jahren im MCU zugetragen haben. Was bietet es – und was nicht?

von Frank Stein

„Marvel Timelines“ kommt als großformatiger und schwergewichtiger Hardcoverband daher (26x31x2,5 cm / 2,1 kg). Die Silberschrift auf dem Cover ist mit Spotlack veredelt, die 344 Seiten sind von robuster Fotopapierdicke und fadengeheftet. Das Layout mit seinem weißen Hintergrund und der rechtwinkligen Anordnung der Fotos und Textblöcke wirkt aufgeräumt, die Schrift mag etwas klein sein, ist aber gestochen scharf und meist auch schwarz auf weiß, also noch gut zu lesen. Das Drumherum weiß also zu gefallen. Einziger Kritikpunkt: Die wirklich zahlreichen Filmfotos sind von etwas schwankender Qualität. Richtig scharf sind die wenigsten, und sobald das Motiv etwas dunkler wird, gehen Details verloren. Aller High Definition zum Trotz macht das Quellenmaterial also nach wie vor Probleme, ein Phänomen, das allerdings bei praktisch allen Filmbüchern vorkommt. Damit muss man leider leben.

Inhaltlich geht das von Anthony Breznican, Amy Ratcliffe und Rebecca Theodore-Vachon geschriebene Buch weitgehend chronologisch vor. Ich sage weitgehend, weil neben dem übergeordneten Zeitstrahl, der nicht nur metaphorisch, sondern ganz konkret die quer verlaufende Mittellinie aller Seiten bildet, auch ein paar thematische Doppelseiten eingefügt sind, die sich einzelnen Personen, Orten oder Ereignissen widmen. Netterweise listet das Inhaltsverzeichnis sie alle gesondert auf. Das heißt es gliedert das Buch nicht nur nach Jahrzehnten (anfangs) beziehungsweise Jahren (im Hauptteil), sondern fügt auch die Extras auf, in denen es unter anderem um Iron Man geht, Thor und Loki, die Schlacht von New York, Hydra und SHIELD, die Infinity-Steine oder Spider-Mans Anzüge.

Nach einem Vorwort von Marvel-Studios-Boss Kevin Feige geht es mit der fernen Vergangenheit los, jener Zeit am Beginn des Universums, als mythische Wesen und Dinge entstanden wie die Celestials, die Infinity-Steine oder die Weltenesche. Relativ schnell springt der Text von der Zeit der Götter über das Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert vor. Diesem werden immerhin fast 40 Seiten spendiert, die vor allem mit Hintergrundgeschichte gefüllt sind, etwa Captain Americas erstem Abenteuer, der Vergangenheit der Eternals und dem Schicksal des Winter Soldiers Bucky Barnes. Auch die Forschungen von Howard Stark und Hank Pym werden thematisiert, und natürlich steht die Origin Story von „Captain Marvel“ Carol Danvers im Fokus der späten 1990er.

Ein weiterer Sprung um fast ein Jahrzehnt erfolgt, dann sind wir im Jahr 2008, in dem auch der Film „Iron Man“ in die Kinos kam und das MCU sozusagen in Echtzeit einläutete. Von diesem Punkt an haben es die Macher fast zu einfach, denn die Handlungen der MCU-Filme folgen fast alle chronologisch aufeinander. Das merkt man dann auch im Buch, denn auf die Ereignisse aus „Iron Man“ folgt das Geschehen aus … „Iron Man 2“! An diesem Moment stutzt der Fan und ruft die Wikipedia auf. Gab es dazwischen nicht noch den Film „Der unglaubliche Hulk“ mit Edward Norton? Zugegebenermaßen wurde der Schauspieler recht schnell durch Mark Ruffalo ersetzt, aber Nebenfiguren wie Emil Blonsky/Abomination oder Lieutenant General Thaddeus Ross (inklusive ihrer Schauspieler) tauchten später in anderen Marvel-Filmen respektive Serien wieder auf, und gemeinhin gilt er schon als Teil des MCU.

Doch das will nichts heißen, wie man merkt, wenn man die Buchinhalte mit dem Wikipedia-Eintrag zum MCU vergleicht. Denn dabei fällt auf: MCU ist nicht gleich MCU. Es gibt sozusagen das „primäre“ MCU, das sind die Filme und Serien, die in Eigenfinanzierung der Marvel Studios entstanden sind, also „Iron Man“, „Thor“ oder „Captain America: The First Avenger“ usw. respektive „WandaVision“, „The Falcon and the Winter Soldier“, „Loki“ usw. Diese Filme und Serien sind alle in „Marvel Timelines“ berücksichtigt. Dagegen fehlen die Werke des „sekundären“ MCU, also alles, was eher nachträglich angegliedert wurde. Dazu zählen neben besagtem „Hulk“-Film etwa alle Netflix-Serien wie „Daredevil“, „Jessica Jones“ und „Luke Cage“, obwohl es durchaus Querverbindungen zum primären MCU gibt. Auch die „Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.“-Serie mit ihren immerhin 7 Staffeln sucht man vergeblich. Ganz zu schweigen von den alten „Spider-Man“-Filmen mit Tobey McGuire oder Andrew Garfield, obwohl die ebenfalls in „Spider-Man: No Way Home“ sehr eindrücklich ans MCU angekoppelt wurden.

Insofern ist der Satz auf der Rückseite des Buchs „Die bildgewaltige Zeitreise durch ALLE Serien und Filme […]“ (Hervorhebung von mir) schlichtweg falsch und als Werbespruch zu verstehen – es sei denn man definiert das MCU puristisch eng.

Aber nochmal zurück zum eigentlichen Inhalt. Im Jahreslauf folgt das Buch den Geschichten der Marvel-Helden, bis hin zum Ende des Jahres 2025. Das entspricht gleichzeitig dem Ende der Phase 4. Dabei ist die Optik, ich erwähnte sie oben bereits, immer gleich. Sieht man von den etwas verspielteren Extra-Doppelseiten ab, beherrscht ein (Wahrer) Zeitstrahl jede Doppelseite, der sich quer durch das ganze Buch zieht. Von da zweigen Infoblöcke ab, die jeweils einen Zeitpunkt, eine Überschrift und ein paar Zeilen umfassen. Jeder Film und jede Serie wird dadurch in Teile zerlegt, die in gut verdaulichen Happen zusammengefasst sind. Als Service flankieren ein paar Charakter-Symbole jeden Textblock, die zeigen, um welche(n) Helden oder Schurken es gerade geht. Die letzten Werke, die berücksichtigt wurden, sind die Filme „Black Panther: Wakanda Forever“ sowie „Thor: Love and Thunder“, die Serien „Ms. Marvel“ und „She-Hulk“ sowie die Specials „Werewolf by Night“ und „The Guardians of the Galaxy Holiday Special“. Das ist ein runder, schöner Abschluss für den Band, auch wenn er dadurch natürlich schon jetzt wieder leicht überholt ist. Dass allerdings wichtige Filmbücher – etwa zu „Star Wars“ – bei DK alle fünf Jahre aktualisiert aufgelegt werden, ist nun keine Neuigkeit mehr, und bis dahin ist man mit diesem Buch sehr gut bedient.

Als eine Art Epilog gibt es noch einmal 12 Seiten, auf denen die Zeitstrahlen nach Helden sortiert verlaufen, sich kreuzen, verschlingen und parallel verlaufen und damit nicht nur die Geschichten der Figuren noch einmal überblicksartig zusammenfassen, sondern auch zeigen, wie verzweigt und verwoben das MCU als Ganzes ist. Ein umfangreiches Register rundet „Marvel Timeslines“ zuletzt ab.

Fazit: Wenn man damit leben kann, dass alle Filme und Serien, die nicht zum Kern-MCU gehören, fehlen, bekommt man als Fan mit „Marvel Timelines“ einen prachtvollen und sehr umfassend informativen Bewegtbild-Begleitband, der die ersten 4 Phasen des MCU ordnet und hilft, Zusammenhänge über Filme hinweg zu verstehen. Gerade wenn man nach Jahren nicht mehr weiß, was genau in „Thor“ geschah, auf das „Thor: Love and Thunder“ Bezug nimmt, ist „Marvel Timelines“ rasch zur Hand, um Lücken aufzufüllen. Klar, all diese Infos findet man auch im Internet, wenn man sucht. Aber hier sind sie besonders schön aufbereitet. In jedem Fall ein tolles Geschenk für jeden Marvel-Film-Fan. (Wer übrigens des Englischen mächtig ist, der bekommt das Werk nochmal für schwungvolle 15 Euro weniger, wenn man bei den einschlägigen Online-Händlern schaut.)

Marvel Timelines – Die visuelle Chronik des Marvel Cinematic Universe
Sachbuch
Anthony Breznican, Amy Ratcliffe und Rebecca Theodore-Vachon
Dorling Kindersley 2023
ISBN: 978-3-8310-4602-7
344 S., Hardcover, deutsch
Preis: 49,95 EUR

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