von Nicolas Hohmann
Nach dem Sieg im Kasino über die Meistercroupière Bell Wing, mit dem Band 2 endete, wenden sich Rune Balot und Doc Easter dem König der Glücksspiele, dem Black Jack zu. Vom Doc wird es als reines Strategiespiel bezeichnet, da man mit der richtigen Spielstrategie den Hausvorteil negieren kann und mit Gewinn aus dem Spiel gehen. Genau das, was ein Kasino nicht will: Strategiespieler, die nach einem festen Schema spielen. Das ist, wie das Kasino berauben.
Die erste Runde geht gegen den Dealer Marlowe Fever, einen Meister seines Spiels, dessen Stärke es ist, die Spieler am Tisch mit unscheinbaren Kommentaren zu unklugen Spielstrategien zu bewegen. So müssen der Doc und Rune auf taktischer Ebene die richtigen Entscheidungen treffen und geistig gegen seine Manipulationsversuche ankommen. Als sie ihn dann tatsächlich durchschaut und richtig ausgenommen haben, wird er von der Kasinoleitung eingewechselt.
Der nächste Dealer, gegen den Rune alleine im Black Jack antritt, ist Ashley Harvest, ein Teufelskerl, der alle Spielstatistiken im Kopf hat und obendrein die Karten genau so mischen kann, wie er sie dann im Verlaufe des Spiels braucht. Er ist ein harter Gegner und es ist ein wirklich schwieriges Gefecht des Geistes, das Rune mit Oeufcoques Unterstützung auszufechten hat. Doch am Ende obsiegt sie.
Dabei geht es ihr gar nicht ums Geld. Wie wir uns aus Band 2 erinnern, sucht Rune nach den Gedächtnisinhalten des Verbrechers Shell, der diese als goldene 1-Millionen-$-Chips in einem seiner Kasinos aufhebt. Entsprechend wollen Rune und ihre Mitstreiter nur jeden möglichen Chip einmal in ihre Hände bekommen. Jeder goldene Millionenchip, der ihr durch die Hände geht, wird entsprechend von Oeufcoque gescannt und der Inhalt kopiert. Ab dann ist er für ihren Plan uninteressant, sodass Rune, als sie alle vier relevanten Chips hat, kein Problem mehr damit hat, gegen einen Manager der October-Company zu verlieren. Das Kasino hat sein Geld zurück und sie hat sich nicht mehr Feinde gemacht als notwendig.
Die Informationen aus Shells Gedächtnis sind extrem brisant, nicht nur für den Fall Shell, sondern auch für ein Sekundärverfahren gegen die October-Company, das sich daraus ergibt. Für die Company ist klar, Shell muss sterben, Doc und Rune brauchen ihn für den erfolgreichen Abschluss des Falles und Dimsdale Boiled nimmt seinen persönlichen Feldzug gegen den Doc und Oeufcoque auf. Wie sich das ganze dann auflöst, müsst ihr schon selbst lesen.
Insgesamt zwei Drittel des Romans, also beinahe 200 Seiten, werden von den beiden Black-Jack-Spielen gegen die beiden Dealer eingenommen. Spielstatistiken, gezogene Karten und Spielstrategien wechseln sich mit den mentalen Duellen Runes gegen den Dealer ab. Das Ganze zieht sich, wenn man noch die etwa 150 Seiten aus Band 2, die im Kasino spielen, dazunimmt, dann doch sehr. Zwar an sich spannend geschrieben aber einfach zu lange, entwickeln die einzelnen Partien dann den Charme einer „YuGiOh“-Folge, in denen der kleine Junge in der laufenden Partie auch ständig Spielstrategien erläutert. Auf jeden Fall hat das Kartenspiel eine metaphysische Komponente an sich und liest sich mehr wie ein Gefecht als wie ein Glücksspiel.
Die letzten 150 Seiten beschäftigen sich mit dem Danach und sind sehr actionreich. Sie bringen die Handlung sowie das Schicksal Rune Balots zu einem befriedigenden Ende. Dabei verläuft das Ende natürlich keinesfalls so klar, wie man es erwarten würde. Im Verlauf der Geschehnisse wurde dann auch jeder Charakter ausreichend beleuchtet.
Insgesamt verbuche ich die Trilogie dann doch als lesenswert. Definitiv keine Alltagskost und auch definitiv nicht das, was man erwartet hätte. Die Handlung ist actionreich, auch die Kasinoszenen! Die Geschichte ist tiefer gehend als die meiste Trivial-SF, die so auf den Markt geworfen wird und beschäftigt sich mit Problemen des Lebens und der Existenz – wenn eben auch mit japanischer Lebensweisheit, was das Ganze für mich schwer zu verstehen macht.
So erschließt sich mir noch nicht der tiefere Sinn hinter all den Hinweisen und Anspielungen auf Eier, beschützt sein, eine Schale um sich haben etc. Auch über einige der Gespräche oder Gedanken innerhalb der Black-Jack-Spiele muss man ein zweites Mal nachdenken. Andere Sätze klingen nach Binsenweisheit und hohler Phrase.
Die Welt und die Stadt Mardock sind sehr bunt, für meinen Geschmack zu bunt. Wer aber durch Manga- oder Animekonsum an sprechende schwule Delfine, goldene Mäuse, die sich in Pistolen verwandeln, kleine Mädchen mit Superkräften und Hacker, die aus zwei Dutzend Frauenbrüsten bestehen, gewöhnt ist, dem wird es nicht so gehen.
Fazit: Obwohl passagenweise recht sperrig und keinesfalls SF-Alltagskost, wissen sowohl die „Mardock“-Trilogie im Allgemeinen und „Implosion“ im Besonderen zu gefallen. Die Romen von To Ubukata lesen sich interessant und kurzweilig und sind definitiv diskussionswürdig! Das klingt nach einer Kaufempfehlung!
Mardock 3: Implosion
Science-Fiction-Roman
To Ubukata
Heyne 2007
ISBN: 345352179X
352 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 7,95
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