Lord Limbus

Was tut man mit einer zweiten Chance nach dem eigentlichen Tod? Vor allem, wenn man die Chance hat, als Lich zurückzukommen und sich mit einer Armee an den alten Feinden zu rächen. Ist das ein erfülltes „Leben“?

von Lars Jeske

Zu Beginn von „Lord Limbus“ lernt der Leser einen religiösen Mann kennen, der mit seiner Vergangenheit gebrochen hat und sich, um Frieden zu finden, in einen kleinen, unbedeutenden Winkel der Welt verkrochen hat. Er wollte sein Leben ändern und dies ging jahrelang gut. Als die kriegerischen Barbaren namens Vaarlaker jedoch auch vor diesem kleinen Bergdorf namens Frostkrone nicht halt machen, stellt er sich selbstaufopfernd seinem finalen Kampf. Er wird erneut zum Erzmagier Reuben Tant, der in den Minuten seines Todes seinen inneren Frieden wanken sieht und aus Verzweiflung über die Teilnahmslosigkeit der Götter diese verflucht.

Während an dieser Stelle normalerweise ein Roman oder zumindest ein Handlungsstrang endet, setzt Stephan Russbült hier erst wirklich sein. Denn der Name „Lord Limbus“ ist Programm und Reuben Tant erhält zur eigenen Überraschung eine zweite Chance. Er kommt im Limbus erneut zu sich und erkennt, dass er nicht mit den Ahnen speisen wird, sondern ihm noch etwas Zeit verbleibt. Er ist ein Lich mit der Fähigkeit, andere Tote hier in dieser Zwischenwelt zu reanimieren und für seine Zwecke einzusetzen. Somit gibt er sich vollends seiner Wut auf die Vaarlaker hin und schwört Rache an ihnen. Das Wieso, Weshalb und Warum klärt sich im Laufe der Zeit durch andere Bewohner des Limbus und Reuben nimmt sich nicht nur seines Schicksals an, sondern lernt auch seine geänderten Möglichkeiten immer besser zu nutzen und die neue Welt zu verstehen. Dennoch ist er nur von einem Ziel getrieben: Rache an seinen Mördern.

Nach Ogern, Menschen, Halblingen, Zauberer und Dämonen geht es im mittlerweile siebten Roman von Stephan Russbült nun also primär um die Untoten in allen Variationen. Ähnlich wie in „Blutiger Winter“ touchiert er dabei Gedanken an die Götter, deren Position im Weltengefüge und deren Einmischung (oder Nichteinmischung) in die Geschicke der Lebenden. Ich hätte sogar die ersten und die letzten paar Seiten des Romans weggelassen, um bessere lose Enden zu haben, die die Leser sich selber ausmalen kann. Allerdings wird durch die Verwandlung vom Menschen Reuben in einen Lich der Leser auf die gleiche Reise mitgenommen, die auch Reuben durchlebt. Keine Seite hat somit einen Wissensvorsprung, da man, wie der tragische Protagonist, nicht mehr über die Umstände der Geschehnisse weiß und ebenso begierig ist, welcher große Plan hinter allem steckt und wofür Reuben auserwählt wurde. Wenn überhaupt.

Dadurch, dass man den Großteil des Romans an Reubens Seite miterlebt und seine Gedanken kennt, kann man dessen Entscheidungen aufgrund seines Charakters nachvollziehen, auch wenn man sie nicht immer gut heißt. Eine solide Charakterentwicklung und Beschreibung tun ihr übriges, um erneut eine überaus interessante Geschichte abzuliefern, die den Leser fesselt. Die an sich relativ geradlinige Story wird durch vielschichtige, innovative Charaktere wie den Drilling um überraschende Nuancen bereichert. Ebenso durch undurchsichtige Geheimnisse durchgehend spannend gehalten. Es gibt auch nicht zu viele Zufälle, um gänzlich unglaubwürdig zu werden. Als zweiten Handlungsstrang in der realen Welt werden zwei Kinder auf eine Reise geschickt, die, obwohl sie Sklaven sind, die Geschichte stark beeinflussen werden.

Am Ende gibt es noch eine schöne Sequenz, die optional auch weitere Bücher folgen lassen könnte. Die Handlung ist zwar abgeschlossen, aber wie heißt es so schön: Was tot ist, kann nicht sterben. Und Tote gibt es im Reich der Vergessenen wie Sand in der Wüste, um erneut ... aber das könnte eine ganz andere Geschichte werden.

Fazit: Mit „Lord Limbus“ gelingt es Stephan Russbült erneut, ein paar glaubhafte und interessante Charaktere zu kreieren, die in eine plausible Fantasy-Geschichte eingebunden werden. In sich logisch geschlossen unterhält diese Geschichte den Leser die ganze Zeit über und lässt einen einmal etwas über Untote und deren Motivation erfahren. Die Reflexionen eines Untoten sind dabei nicht so abwegig wie man gemeinhin denken mag. Somit ist auch dieser Fantasy-Roman des Autors lesenswert und kurzweilig und hat mit seinen knapp 450 Seiten genau die richtige Länge.

Lord Limbus
Fantasy-Roman
Stephan Russbült
Bastei Lübbe 2015
ISBN: 978-3-404-20794-7
442?S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 14,00

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