Legacies: The Ancient

Nebst Orden und Pfad hat ein Spieler bei „Mage: The Awakening“ eine weitere Möglichkeit, seinen Magus zu definieren: über ein Vermächtnis (Legacy). Dieses stellt eine Verfeinerung und Raffinierung der Seele des Magus durch seinen Lehrmeister dar, stellt den Charakter in den Dienst einer Philosophie und eröffnet ihm den Weg zu neuer Macht. „Legacies: The Ancient“ ist ein Katalog von 13 solcher Vermächtnisse, die allesamt Jahrtausende alt sind.

von Nicolas Hohmann

 

Der vorliegende Quellenband kommt optisch wieder im für „Mage“ typischen Stil daher. Das heißt konkret: Ein geniales Titelbild ziert die Front, die Innenabbildungen sind schwarz-weiß, und zwischen eher schlecht und gut ist alles dabei. Das Buch wurde in China gedruckt und gebunden, das Papier ist fest und die Bindung hochwertig.

Wie immer beginnt der Band mit einer Kurzgeschichte, die einen in die richtige Stimmung für die weitere Lektüre versetzen soll und etwas mit dem Thema des Quellenbuchs zu tun hat. Hier geht es um eine Lesben-und-Schwulen-Convention, und wer mal eine richtig schlechte Geschichte lesen will, der führe sie sich zu Gemüte. Nach einer Doppelseite Einführung, in der geklärt wird, worum es eigentlich geht, geht es endlich ans Eingemachte, und nacheinander auf jeweils etwa 10 Seiten werden die einzelnen Vermächtnisse präsentiert.

Die Philosophie, das Denken und das Handeln der Angehörigen des jeweiligen Vermächtnisses wird erläutert, anschließend erfährt man mehr über die in diesem Fall meist Jahrtausende alte Geschichte des Vermächtnisses und seine Wurzeln, die in alten archaischen Kulturen liegen (das antike Griechenland, Indien vor 7000 Jahren und natürlich atlantische Zeiten, um nur einige zu nennen). Näher beleuchtet werden auch die Gesellschaft, die von den Magi des Vermächtnisses gebildet wird, sowie die darin vorherrschenden sozialen Regeln. Ein besonderer Fokus, der für Spieler und Spielleiter auch spielpraktische Relevanz hat, liegt auf der Initiation in das Vermächtnis und dem Aufsteigen der Ränge. Jedes Vermächtnis erhält zudem drei Errungenschaften (Attainments), exklusive und teils sehr mächtige Kräfte. Das Ende eines jeden Kapitels bildet ein Beispielcharakter aus dem Vermächtnis samt Hintergrundgeschichte und Spielwerten.

Welche neuen Vermächtnisse werden uns denn nun geboten?

Dreamspeakers: Sicherlich eines der ältesten Vermächtnisse, da sie das atlantische Erbe weitestgehend ignorieren und ihre Kunst den Wesen, welche die Welt vor langer Zeit geschaffen haben, den Dreamborn, zuschreiben. Sie haben eine besondere Affinität zur Ätherebene.

Elemental Masteries: Insgesamt fünf einzelne Vermächtnisse bilden diese Philosophie, die aus archaischen Gesellschaften stammt, mittlerweile aber gut in das Ordenssystem integriert ist. Sie denken, dass sie Erwachte Auserkorene sind, allerdings sollten Magier bei ihren schlafenden Brüdern leben und sie schützen und zu ihrem besten handeln. Sie teilen sich auf in die folgenden fünf Richtungen: die „Tamers of the Cave“, die als Propheten und Mystiker den Äther und das Nichts zähmen; die Tamers of Fire, die ihr inneres Feuer zähmen und als heroische Gestalten, Anführer von Völkern, Rebellen und Verfechter mächtiger Ideen in die Geschichte eingegangen sind; die Tamers of Rivers, die als Heiler und Philosophen die ewige Wandlung in der Welt sehen; die Tamers of Stone, die als Erbauer gewaltiger Bauwerke und Wunder der Zivilisation den Stein zähmen und als harte Arbeiter keine Zeit für die Spielchen der Eliten haben; und die Tamers of Winds, die auch dann als Verfechter und Sucher der Wahrheit auftreten, wenn die Fakten gegen sie zu sein scheinen.

Forge Masters: Spezialisieren sich auf das Schmieden magischer Artefakte und die Herstellung unmöglicher Legierungen sowie der pefekten Metalle. Im Laufe der Jahrtausende haben sie ein enormes Können und Wissen angesammelt, das ihnen Anerkennung und Neid anderer Magi einbringt.

Skalds: Sänger und Geschichtenerzähler, eine der ältesten Professionen der Geschichte. In ihrer Hand liegt eine enorme Macht, denn ihre Lobgesänge sind genauso gerne gesehen, wie ihre Spöttereien gefürchtet sind. Darin liegt die Entscheidung über die Reputation eines Magus oder Herrschers.

Sphinxes: Die Magier sind Rätsellöser, sie suchen und entdecken Muster überall und machen Kryptographie zu ihrem Hobby. Bei anderen Magiern sind sie recht beliebt, weil die häufig Geheimnisse für alle sichtbar öffentlich hinterlassen – solange man den Code lesen kann.

Thread Cutters: Assassinen, die nach einem strengen Kodex das Leben oder Handeln derjenigen beenden, deren Zeit gekommen ist. Sie handeln nicht aus reiner Willkür heraus, sondern haben streng festgelegte Regeln, nach denen sie bestimmen, wessen Faden durchtrennt werden muss.

Thrice-Great: Anhänger des geozentrischen Planetensystems des Ptolemäus. Im Laufe der Jahrhunderte hat ihr Weltbild schweren Schaden genommen, aber es gibt sie noch, und sie schaffen es auch immer noch, mit den Sterngeistern ihre Magie zu wirken.

Echo Walkers: Ein linkshändiges Vermächtnis auf der Suche nach den Allerersten. Problem ist nur, dass sie nur Blicke auf sie erhaschen können, in dem sie die Seele von Schläfern zersplittern und meist eine Reihe psychisch kranker Menschen auf ihrem Pfad der Erkenntnis hinterlassen.

Logophages: Ein weiteres linkshändiges Vermächtnis. Logophagen sehen sich als Geheimnishüter der schrecklichsten Fakten, die man keinem anvertrauen darf. So vernichten sie zunächst jeden Hinweis auf das Wissen, bevor sie das Geheimnis selbst verspeisen. Dies macht sie bei anderen Magiern sehr unbeliebt.

Insgesamt liest sich das Buch recht flüssig, vor allem für einen solchen Katalog an Gruppierungen. Meistens hat man sich aus der altertümlichen Geschichte ein Thema herausgegriffen (Schmiede, Barden, Assassinen) und ein passendes Vermächtnis drumherum gebaut. Die Verwendbarkeit im Spiel ist bei so speziellen Gruppierungen immer etwas eingeschränkt. Als Erzähler kann man eine Geschichte oder eine ganze Chronik um eines dieser Vermächtnisse bauen oder eben ganz offensichtlich einen NSC selbst gestalten oder den aus dem Buch nehmen. Etwa die Hälfte der Vermächtnisse können Angehörige hervorbringen, die sich als obskure Mystiker oder Weise mit einer sehr speziellen Sichtweise im Spiel eignen. 

Hilfreich und eine sehr lobenswerte Einrichtung sind die Seitenbalken zu jedem Vermächtnis mit zwei bis drei Abenteuerideen. Für Spieler eignen sich die Vermächtnisse, wenn sie entweder schon ein sehr genaues Konzept haben, auf das die Gruppe genau passt, oder sie eben eine der Gruppierungen interessant finden und sich einen Charakter drumherum bauen möchten. Allerdings muss man dann eine gewisse Stereotypie und Einschränkung in der Bandbreite in Kauf nehmen. Ein Erzähler sollte bei den teilweise sehr exotischen Themen (Tamers of the Cave, Echo Walkers) oder gruppeninkompatiblen Vermächtnissen (Logophages, Thread-Cutters) darauf achten, dass der Spieler dazu kommt, sein Vermächtnis auszuspielen, ohne den Rahmen einer Chronik zu sprengen.

Fazit: „Legacies: The Ancient“ sei jenen empfohlen, die gerne weitere spezialisierte Gruppierungen mit Sondereigenschaften in ihr Spiel aufnehmen möchten oder die eine Chronik rund um alte Philosophien und Weltanschauungen abseits des atlantischen Mainstreams aufbauen möchten. Gut geschrieben, aber kein Must-have.


Legacies: the Ancient
Quellenbuch
H. Ingham, M. McFarland, P. Schaefer, M. Sheppard, D. Shomshak
White Wolf 2007
ISBN: 978-1-58846-430-9
148 S., Hardcover, englisch
Preis: $ 26,99

bei amazon.de bestellen