Krieg der Engel

Egal ob der Vielschreiber aus Neuss im Duo mit Gattin Heike oder Tochter Rebecca schreibt oder ob er allein als Autor eines Werkes fungiert – wenn Wolfgang Hohlbein draufsteht, ist (nicht nur) für jugendliche Phantastik-Leser Abenteuer angesagt. Mit „Krieg der Engel“ widmen sich Heike und Wolfgang Hohlbein einmal mehr der gern gelesenen Mär vom jungen Helden wider Willen, der in eine andere Welt hineingezogen wird.

von Christian Humberg

 

Ein Engel mit brennenden Flügeln

Eric Classmann, Sohn aus wohlsituiertem Hause hat diese wiederkehrenden Träume, die den Schüler wahrhaft fertig machen: brennende Engel, eine düstere Kathedrale, eine apokalytische Welt im Hintergrund, aus der jedes Leben gewichen zu sein scheint. Man kann Träumen ja viel Willkür zugestehen, aber ‚normal‘, das ist auch Eric schnell klar, ist nicht mehr zu nennen, was sich sein Hirn Nacht für Nacht zusammenreimt. Als dann auch noch am hellichten Tag ein Engel auf seinem Schreibtischstuhl sitzt... Aber nein, das war nur ein Trugbild, das er aus dem Augenwinkel wahrgenommen hat. Oder?

Die Hohlbeins spinnen einen phantastischen Garn, der routiniert virtuos mit der Erwartungshaltung der jungen Leser spielt. Mysterium reiht sich an Rätsel und so manche bedeutungsschwangere Andeutung wird erst einmal unkommentiert stehen gelassen. Was steckt hinter den Träumen? Und wenn es wirklich Träume sind, wo hat Eric dann die Feder her, deren bloße Berührung dazu führt, dass es Menschen besser geht? Seine Lehrerin Wellstadt-Roblinsky (wer denkt sich nur solche Namen aus?) ist ein weiterer Ungewissheitsfaktor, welcher die erste Hälfte des 564-seitigen Buches bestimmen: Was weiß diese Frau? Eric versucht, sich ihr zu offenbaren und so eine – wie er hofft – neutrale Meinung zu seinem Wahnzustand zu bekommen, doch die Eisdiele, in der sich die beiden unterhalten, wird sogleich Opfer eines unerklärlichen Brandunfalls, bei dem Wellstadt-Roblinsky spurlos verschwindet. Abermals hat nur Eric die beiden Engel gesehen, deren Kampf miteinander für die totale Zerstörung des Lokals verantwortlich ist...

Nun wird natürlich die Polizei hellhörig und befragt Eric mehrmals, immerhin war er der letzte Kontakt, den die vermisste Pädagogin hatte. Doch Kommisar Breuer glaubt dem Schüler kein Wort, als dieser von schwarzen und weißen Engeln zu berichten beginnt und von einem Krieg, den diese untereinander austrügen. Plötzlich verschwinden auch Erics Eltern und nun muss er aktiv werden und klären, was wirklich geschieht.

Geflügelte Spannung

Die Hohlbein’sche Prosa ist abermals über jeden Zweifel erhaben. Präzise gelingt es ihnen, den Lesern eine unheimliche Atmosphäre zu vermitteln, die sich aus altbekanntem Umfeld (Heim, Elternhaus, Schule) nährt und daher noch effektiver wirkt. Eric ist, trotz allem zur Schau gestellten Zynismus (ein kleines Leitmotiv der Hohlbein-Helden), immer eine sympathische und leicht zugängliche Identifikationsfigur, deren Schicksal ebenso abschreckt wie begeistert. In bester „Akte-X“-Manier zieht sich ein subtiles „Vertrauen Sie niemanden“ durch „Krieg der Engel“, und auch etablierte, liebgewonnene Charaktere wird der Leser im Laufe des Romans mehrfach neu bewerten müssen.

Dass bei dieser Mystery-Thematik die Originalität ein wenig auf der Strecke geblieben ist, wird wohl nur den älteren Lesern auffallen, welche derartige Chosen-One-Geschichten zur Genüge kennen und daher vielleicht mit anderen Hohlbeintiteln besser beraten wären.

Fazit: Es ist ein „Krieg der Engel“ und wir stehen in der Schusslinie. Oder geht es gar um uns? Eric Classmann landet ungewollt, aber doch mit Absicht, mitten in einem unglaublichen Zwietracht und muss schmerzhaft feststellen, dass sein so vertraut scheinendes soziales Umfeld ein Hort der Geheimnisse ist. Besonders jugendliche Leser dürften an diesem Roman ihre Freude haben, verbindet er doch gekonnt und stilsicher mythologischen Grusel mit spürbarer Fabulierfreude.


Krieg der Engel
Horror/Mystery-Roman
Wolfgang u. Heike Hohlbein
Ueberreuter 2005
ISBN: 3-8000-5140-0
564 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 19,95

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