von Markus Kolbeck
Den Auftakt machen einige Vorbemerkungen, insbesondere zu Inflation und Wechselkursen in den 1920ern. Es geht weiter mit „Elfen, Elben, Zwergen und anderen Wesen aus den Schatten“ von Wolfgang Schiemichen. Dieser kurze Quellenteil befasst sich mit dem Kleinen Volk. Bemerkenswert ist hier, dass die Elfen zu den Elben zählen und diese wiederum zu den Naturgeistern; jedenfalls ist dies die Zuordnung eines Deutungsbuches. Der Quellenteil lässt viele Fragen offen und es bedarf noch der Ausarbeitung, will man die vorgestellten Kleinen Völker in ein Abenteuer einbauen.
Des Weiteren sind zwei Abenteuer enthalten. Das erste, das 60-seitige „Siegfriedslust“, wurde von Wolfgang Schiemichen nach einem Konzept von Steffen Schütte verfasst. Das Abenteuer beginnt am 12.01.1923 in Berlin, dem Tag, an dem die Franzosen Essen und Gelsenkirchen besetzten. Auf einen der Charaktere wird ein Attentat verübt, wie sich später herausstellen soll von Freikorpslern. An dieser Stelle des Abenteuers können die Charaktere die Bekanntschaft der Spreewaldratten, einer Kinderbande, sowie der Kommissare vom Roten Alex machen, was auch für spätere Abenteuer von Vorteil sein kann.
Dann stellt sich heraus, dass eben dieser Charakter, auf den das Attentat verübt wurde, unerwartet Erbe des Archäologen Professor Sadlowski geworden ist. Besteht da ein Zusammenhang? Was die Charaktere noch nicht wissen können ist, dass Sadlowski dem Nibelungenhort auf der Spur ist, und schon werden die Charaktere in das Geschehen mit hineingezogen, in dessen Verlauf sie Indiana Jones kennen lernen können. Es kommt zu Begegnungen mit besagten Freikorpslern und außerirdischen Zwergen. Zum Schluss kommt es zur Konfrontation aller involvierten Parteien als man den Nibelungenschatz findet, und haben die Charaktere gefundenes Material nicht aufmerksam studiert, kann es sein, dass sie im entscheidenden Moment die falsche Entscheidung treffen, was mit ihrem Tod enden kann. Dies ist ein deutlicher Kritikpunkt, kann es doch zur Auslöschung der gesamten Abenteurergruppe kommen. Jedoch lässt sich dies vermeiden, wenn die Charaktere versuchen, sich in ihr Gegenüber hineinzuversetzen. Ansonsten ist das Abenteuer geradlinig aufgebaut; voraussichtlich erst am Schluss muss der Spielleiter improvisieren.
Das zweite Abenteuer, das 25-seitige „Gestohlene Leben“, wurde von Florian Hardt geschrieben und kann beliebig in den 1920er Jahren angesiedelt werden. Der Autor bevorzugt, dass sich die Charaktere noch nicht kennen und sich somit nicht sofort und unbedingt aufeinander verlassen. Es bietet sich daher an, das Abenteuer als Einführungsszenario zu spielen.
Die Charaktere sind als einzige Insassen neben dem Fahrer eines Autobusses nachts in den rätischen Ostalpen unterwegs, auf dem Weg nach Italien. Es kommt zu einem Unglück, wobei der Fahrer umkommt, und die Charaktere sind im Dunkeln auf sich allein gestellt. Doch nicht weit entfernt ist eine kleine Bergsiedlung: Borken. Dort wird man freundlich aufgenommen und man findet Unterschlupf für die Nacht. Doch Schreie in der Nacht stören die Nachtruhe und die Charaktere erfahren, dass die Schreie von einer Frau stammen, die in den Wehen läge. Die Charaktere werden sich wohl damit nicht zufrieden geben und vielleicht stoßen sie auf das Geheimnis von Borken um einen Außerirdischen und Lebensverlängerung. Gelingt es ihnen, die Sage um König Laurin und sein Zwergenreich als das zu enthüllen, was sie wirklich ist? Das Abenteuer ist relativ kurz und lässt sich wohl an einem Abend durchspielen. Es sehr von der bedrohlichen Atmosphäre geprägt, die in dem Dorf vorherrscht.
Am Ende des Bandes finden sich noch auf 30 Seiten Handouts, darunter Mythosbuchauszüge. Man hat sich mit den Handouts ersichtliche Mühe gegeben; so sind etwa schriftliche Notizen, die per Hand geschrieben erscheinen sollen, auch wirklich per Hand verfasst.
Fazit: „Siegfriedslust“ ist ein eher untypisches Abenteuer, bei dem es ausnahmsweise um einen legendären Schatz geht und das somit vom herkömmlichen Abenteuerschema angenehm abweicht. „Gestohlene Leben“ ist dagegen eher klassisch angelegt, mit einem Ritual, das es anscheinend zu vereiteln gilt. Dabei werden Horrorkreaturen eingesetzt, bei denen man sich fragt, ob es nicht doch etwas zu viel des Guten ist; doch darüber lässt sich streiten. Besonderes Augenmerk hat man bei dem Band „Kleine Völker“ diesmal weniger auf historische Akkuratesse gelegt, sondern mehr auf die düsteren Seiten der Mythologie, was zu gefallen weiß, wenn auch die Vorliebe mancher bei Ersterem liegt.
Kleine Völker – Düstere Kobolde aus Erdestiefen
Quellen- und Abenteuerband
Steffen Schütte, Wolfgang Schiemichen, Florian Hardt
Pegasus Spiele 2002
ISBN: 3-930635-36-4
128 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 16,95
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