Kinder der Gehörnten Ratte

Es gibt keine Skaven! So wie es auf der Rückseite dieses Buches steht, so sind auch die Einstellung der meisten Bewohner des Imperiums und die Aussage der Behörden. Skaven sind Gegenstand von Schauergeschichten, die Eltern ihren Kindern vor dem Schlafengehen erzählen. Oder?

von Sebastian Thies

 

Hin und wieder kann man Leute in den Ecken von Tavernen dabei zuhören, wie sie davon erzählen, dass sie diesen seltsamen Rattenwesen in der Kanalisation begegnet sind. Und diese Berichte hören sich nicht immer so an, als wenn hier irgendwelche besoffenen Bettler ihre Spinnereien erzählen, um vielleicht noch einen Krug Bier von einem interessierten Zuhörer zu bekommen.

Hin und wieder sind es aber auch nicht nur zwielichtige Gestalten, die von den Skaven erzählen. Es kommt vor, dass eine gelehrte Persönlichkeit sich des Themas annimmt und versucht, die Öffentlichkeit aufzurütteln und sie über die Gefahren, die in den dunklen Kanälen unter den Städten lauern, aufzuklären. Eine dieser Gelehrten ist Amelie Meyer, Priesterin der Verena.

Auf den ersten 20 Seiten dieses Rassenbuches (dem ersten für „Warhammer“) hat sie Platz, all das niederzuschreiben, was sie über die Skaven weiß. Dies findet im Rahmen eines In-Game-Textes statt, wie man es schon in der Art aus dem „Bestiarium der Alten Welt“ kennt. Während es beim letzterem um Kommentare verschiedener Leute zu den einzelnen Kreaturen geht, sind es hier die Ausführungen einer Priesterin über Verhalten und Beschaffenheit der Skaven, sowie ein kleiner geschichtlicher Rückblick und ein paar Legenden. Mit Tipps für die rechte Ausrüstung und Hinweisen zu Spuren der Rattenwesen ergibt dies alles einen schönen kleinen Jagdführer.

Dieser Text ist somit auch für die Spieler geeignet, die sich in die nächste Schlacht mit Skaven werfen wollen, da hier keinerlei Werte verraten werden, die den Spielern Aufschluss über Stärken und Schwächen geben würden. Solche Dinge kommen dann im zweiten Teil des Buches vor, welches dem Meister vorbehalten bleiben sollte, außer man entschließt sich einen Skaven beziehungsweise eine Truppe von Rattenmenschen zu spielen. Dazu aber später mehr.

Der zweite Teil beginnt mit der Geschichte der Skaven, was sich bei einer Rasse, die sich nicht wirklich um ihre Errungenschaften kümmert, als schwierig herausstellt – insbesondere da die Skaven auch kein Konzept für Zeitrechnung und die Zeit an sich haben. Somit sind die zehn Seiten (enthalten auch eine Daten-Tabelle von drei Seiten) schon recht umfangreich und dürften das Wissen jedes im Imperium lebenden Menschen bei weitem übertreffen.

Weiter geht es mit der Gesellschaft des Skaven, deren Beschreibung das dritte Kapitel des Buches bildet. Nachdem man den Einblick in das Wesen dieser Spezies und ihre Ansicht zu den anderen Rassen der alten Welt erhalten hat, erfährt man noch mehr zum Leben der Skaven, ihrer Sprache, Sitten und Gebräuchen sowie zur Rolle der Frau und der Verehrung ihres Gottes, der Gehörnten Ratte, und ihrer Lakaien, den Grauen Propheten. Der Gehörnten Ratte gehört auch einer der 13 Sitze im Rat der Dreizehn, der die Regierung der Rattenmenschen darstellt. Genauso wie man über die Aufgaben des Rates aufgeklärt wird, erfährt man gleich darauf auch alles Nötige über seine Mitglieder, die aus den vier großen und sieben Krieger-Klans bestehen, die jeweils ihren Anführer für den Rat stellen.

Kapitel vier beschäftigt sich dann mit den Skavensiedlungen, die man in den Tiefen der gesamten Alten Welt finden kann. Manch einer behauptet sogar, dass egal wohin man auf der gesamten Welt reise, man auf Rattenmenschen treffen würde. Es ist die Tiefe, die die Ratten für sich erwählt haben, um ihr Unwesen zu treiben und ihre kranken Pläne gegen den Rest der Welt zu schmieden.

Dieses Reich nennt sich Tiefenreich und durchzieht die Alte Welt mit ihrem Tunnelsystem und seinen Knotenpunkten, an denen sich Siedlungen gebildet haben. (Anmerkung: Hier kann man auch sehr schön die verbesserte Qualität des deutschen Regelbuchs gegenüber dem englischen sehen. Während in der englischen Ausgabe die Version der Skavenkarte nur im Buch selbst und das recht klein existiert, kann man im deutschen Band die Karte jeweils noch zu Beginn und Ende des Buches im Einband über zwei Seiten bestaunen, was außer dem Zugriff und der Lesbarkeit auch noch die Ästhetik verbessert.) 

Ein kurzer Überblick über die Verhältnisse unterhalb der Erde und die Architektur der Skaven wird durch eine Beispielsiedlung konkretisiert. Durch die Beschreibung der einzelnen Kammern und der Kriegerbanden, die in dieser Siedlung ansässig sind, bekommt man ein Gefühl für das Tiefenreich und kann anhand dieses Beispiels seine eigenen Siedlungen entwerfen.

Nach dem Tiefenreich folgt in Kapitel fünf die Kriegskunst der Skaven, und auch wenn viele glauben, dass sie allein durch ihre Anzahl ihre Schlachten gewinnen, so besitzen sie auch spezielle Waffensysteme und monströse Wesen, die sie neben ihren eigenen Kampftechniken in die Schlacht führen können. Wenn man sich diese hinterhältigen Wesen anschaut, kann man gar nicht glauben, dass sie Taktiken in ihren Kämpfen einsetzen, doch auch hier können sie auf niederträchtige Tricks zurückgreifen, um ihrem Ziel näher zu kommen. Neben der Beschreibung derselben, bekommt man auch eine Übersicht über all die verschiedenen Einheiten, die die Skaven in ihren Kämpfen verwenden, von Sturmratten über Seuchenmönche bis hin zu den gewaltigen Rattenogern.

Sollten die schiere Masse und die verschiedenen Monster des Züchterklans noch nicht ausreichen, haben die Skaven natürlich auch noch ihr Waffenarsenal, welches sie verwenden können. Neben den herkömmlichen Waffen, die auch von Menschen verwendet werden, gibt es noch die speziell von den Skaven für die Skaven gefertigten Kriegsinstrumente, wie geifernde Klingen und Giftwindkugeln, wie Jezzails und Warplockpistolen, die eine Technik besitzen, die man solchen Wesen eigentlich nicht zutraut. Sollte dies immer noch nicht ausreichen, um dem Gegner Angst zu machen, gibt es auch noch die Grauen Propheten, die nun mit ihrer eigenen Spruchliste die Zauber der Gehörnten Ratte wirken können. Unter dem Einfluss von Warpstein und der Hilfe von Warpsteinartefakten können sich die Skaven dann sogar fast jedem Gegner stellen.

Und sollte es sich bei diesen voll ausgestatteten Ratten nicht um NSC-Gegner handeln, sondern tatsächlich um Spielercharaktere, dann hat man wohl auf die Regeln zurückgegriffen, die mit Kapitel sechs gegeben werden. Was den deutschen Spielern schon durch „Reiche des Chaos“ bekannt ist, nämlich das Spielen von eindeutig bösen Charakteren, war bei den Spielern, die sich das englische Buch bei Erscheinen zugelegt hatten, etwas Neues, da es vor dem „Tome of Corruption“ auf den Markt kam. Nach einigen Tipps, wie man sich als Skaven zu verhalten hat und auf was man achten muss, kommen die Regeln zum Erschaffen eines Skaven, also das Ermitteln der Werte und die verschiedenen Karrieren, die man im Laufe seines Monsterlebens durchlaufen kann.

Mit dem siebten Kapitel bekommt man dann als Spielleiter noch Tipps, wie man die Rattenwesen in Kampagnen sowohl als Antagonisten sowie als Helden einsetzen kann, und mit den für „Warhammer“ typischen Ideen für Abenteuer und einem kleinen Bestiarium, welches für die Skaven von Bedeutung ist, wird der regeltechnische Teil beendet.

Ein kurzes Abenteuer, welches sowohl von einer Helden-, als auch von einer Skavengruppe gespielt werden kann, wird das Buch zum Schluss abgerundet.

Fazit: Wer seinen Spielern Skaven als wiederkehrende Gegner gegenüberstellen oder auch nur seinen Skaven-NSC mehr Tiefe geben will, sollte sich dieses wirklich schöne Rassenbuch zulegen. Da es als Bonus auch die Möglichkeit bietet, Skavencharaktere zu erstellen, kann man mal etwas Abwechslung in seine Spielrunde bringen, indem man die Abenteuer von der anderen Seite aus gesehen erlebt. Qualitativ bekommt man das, was man auch schon von den anderen „Warhammer“-Regelwerken her kennt. Damit ist dieses Werk eigentlich schon ein Muss.


Kinder der Gehörnten Ratte
Quellenbuch
Gary Astleford, Steve Darlington, Robert J. Schwalb
Feder&Schwert 2007
ISBN: 978-3-86762-022-2
140 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 29,95

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