von Jens Krohnen
Der letzte Besuch in dem von der deutschen „Cthulhu“-Redaktion als deutsches Pendant zum amerikanischen Arkham entworfene Städtchen Kamborn liegt bereits einige Zeit zurück. Wobei wir im Band „Märchenstunde“ wenigstens ein Abenteuer mit Kamborn-Bezug finden konnten. Wie immer gilt auch hier: Kamborn wird im vorliegenden Abenteuerband nicht näher beschrieben, sodass als Fakten die ungefähre Größe, die Verkehrsanbindung und eine kleine Universität gesetzt bleiben. Außerdem ist es natürlich Fakt, dass sich heutzutage niemand mehr an Kamborn erinnert – wie es dazu kommen konnte, wird möglicherweise einer der folgenden Abenteuerbände enthüllen, die diesem Fleckchen Erde gewidmet sind.
Wieder finden sich zwei Abenteuer in diesem Band, welche das Thema „Isolation“ – daher der schachbezogene Bandtitel – in unterschiedlichen Facetten anspielen. Da wäre zunächst das eher klassische Recherche-Abenteuer „Mordtheater“. Hier sind allerdings nicht die Investigatoren in Isolation, sondern stattdessen zwei bedauernswerte Kleindarsteller des titelgebenden Mordtheaters. Denn der Direktor dieser kuriosen Ekelshow ist zugleich ein nicht ganz unfähiger Magier, welcher ein perfides Spiel mit den beiden Schauspielern treibt. Ein unbeholfener Kontaktversuch der jungen Luisa Müller führt die Investigatoren hinter die Kulissen des Theaters, wo sie alsbald kaum zwischen perfekter Tricktechnik und echten Morden werden unterscheiden können.
„Mordtheater“ hat einen schaurig-morbiden Schauplatz und ein rechtes Ekel als Antagonist der Geschichte. Das weiß zu gefallen und tröstet über den doch recht durchschaubaren Plot hinweg. Ebenso gefällt mir die Möglichkeit, Persönlichkeiten aus bisherigen Kamborn-Abenteuern wahlweise in die Handlung einzubauen oder auch nicht – so kann der Spielleiter flexibel auf Ereignisse aus vorherigen Abenteuern eingehen. Ein gediegenes Recherche-Abenteuer mit einem überschaubaren Plot und tollen Elementen.
Das zweite Szenario „Kurz-Kurz-Lang“ besticht wiederum durch seine Kompromisslosigkeit. Die Investigatoren machen sich aus einem zu ihnen passenden Grund – das Szenario unterbreitet mehrere Vorschläge – auf den Weg in die Moorlandschaft ganz in der Nähe von Kamborn (hier spielte beispielsweise das Abenteuer „Der Monolith“ aus dem ersten Kambornband, auf welchen hier auch locker Bezug genommen wird). Dumm nur, dass – Achtung, Spoiler! – just in der ersten Nacht im Moor eine seltsame Abart der Farbe aus dem All aus einem niedergegangenen Meteoriten austritt und das Moor verseucht. Wer fortan in die nicht-euklidische Flüssigkeit tritt, droht einem grausigen Schicksal anheimzufallen.
Denn auch eine flach scheinende Pfütze kann ein kilometertiefes Gewässer beinhalten. Dabei fungiert die Farbe als Dimensionsportal und kann nicht nur die Investigatoren an furchtbar unerwünschte Orte führen, sondern auch die fremdartigen Bewohner anderer Dimensionen ins Kamborner Moor … Die Investigatoren sitzen also – ganz isoliert – auf einem Aussichtsturm fest und müssen herausfinden, wie sie dieser fremden Wesenheiten Herr werden können. Die verrückte Prämisse, die trostlose Atmosphäre, die perfekte Isolation und einige andere gute Einfälle machen „Kurz-Kurz-Lang“ zu einem erlebenswerten Abenteuer.
Wer irgendwie auf die Entwicklung einer Art „Kamborn-Metaplot“ gehofft hat, muss sich weiterhin in Geduld üben. Allerdings werden zaghaft erste Bezüge zu vorhergehenden Bänden geknüpft, auch wenn diese bislang eher locker ausfallen. Immerhin wird so dem Spielleiter ein stringentes Spiel in Kamborn erleichtert. Schade nur, dass die Publikationen in eher gemächlichem Tempo veröffentlicht werden – die Planung eines Kampagnenfadens ist so natürlich erheblich erschwert.
„Isolani in Kamborn“ erscheint als Softcoverband in Schwarz-Weiß. Wie die übrigen „Cthulhu“-Publikationen ist er mit zeitgenössischen Fotografien bebildert, sauber gelayoutet und übersichtlich gestaltet. Zahlreiche Karten – die wieder sehr hübsch anzusehen sind – unterstützen die Spielleitung. Auch Korrektorat und Lektorat haben gute Arbeit geleistet. Lobend erwähnen möchte ich hier noch einmal die Handouts, welche optisch sehr ansprechend gestaltet wurden. Damit gibt es technisch eine gute Note von mir.
Fazit: Beide Abenteuer haben ihre Stärken und können – je nach Laune der Spielgruppe – überzeugen. Einzig das „Konzept Kamborn“ wird auch hier nicht richtig weiterentwickelt. Als eigenständige Abenteuer aber empfehlenswert.
Isolani in Kamborn
Abenteuerband
Simon Gottwald, Andreas Osterroth
Pegasus Press 2024
ISBN: 978-3-96928-146-8
64 S., Softcover, deutsch
Preis: 14,95 EUR
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