Interview mit Bernd Perplies und Christian Humberg zu „Drachengasse 13“

Anlässlich des Erscheinens des vierten Bandes der Fantasy-Kinderbuchreihe „Drachengasse 13“ hatten wir Gelegenheit, mit den beiden Autoren ein kleines Gespräch zu führen.

von Oli Clemens

Ringbote: Nach der Erstauflage im Jahr 2011 können eure Leser die Abenteuer von Hanissa, Tomrin und Sando nun neu erleben. Was hat euch zur Neuauflage bewogen? Auf welche Weise habt ihr eure Texte bearbeitet? Werden den bereits bekannten Romanen auch neue Abenteuer folgen?

Christian Humberg: Von uns aus gerne. „Drachengasse 13“ war unser erstes großes gemeinsames Projekt (nach einigen Magazinartikeln und einem Abenteuerspielbuch) und ist uns bis heute sehr wichtig. Als die Bücher bei Schneiderbuch nicht mehr neu aufgelegt wurden, haben wir uns nach einem Verlag umgesehen, der – genau wie wir – Lust auf einen schicken Neustart der gesamten Reihe hatte. Zum Glück signalisierte die Edition Roter Drache sofort Interesse, und dank Lea Heidenreichs genialen Illustrationen sieht die Drachengasse heute mindestens so schön aus wie früher.

Bernd Perplies: An den Texten haben wir insgesamt kaum etwas geändert. Die wurden ja schon damals feingeschliffen, da gab es wenig Anlass zu Verbesserung. Hier und da haben wir noch übersehene Rechtschreibfehler ausgebügelt und mal eine Formulierung geglättet. Ansonsten sind die Abenteuer unserer jungen Helden genau die gleichen wie vor gut 10 Jahren.

RB: Bondingor ist das Zentrum aller Abenteuer. Mit welcher Weltstadt der realen Welt würdet ihr Bondigor vergleichen wollen?

BP: Schwer zu sagen. Vielleicht New York City? Bondingor ist ganz eindeutig ein Schmelztiegel der Kulturen, hat aber auch seine eindeutigen Viertel, etwa das Elfen- oder Zwergenviertel. Das erinnert etwas an Chinatown oder Harlem. Gleichzeitig besteht, bei allen Konflikten, die der Alltag so mit sich bringt, ein starker Zusammenhalt und die Bewohner identifizieren sich stark mit ihrer (Wahl)Heimat. Wer in Bondingor lebt, dem ist die Stadt meist genug. Darum spielen die Abenteuer unserer jungen Helden auch alle dort und nicht etwa im Umland (wobei sich das durchaus in Zukunft ändern mag; man muss ja auch mal vor die Tür gehen).

RB: Stichwort: „Helikopter-Eltern“. Kinder und Jugendliche sind heute sehr fremdbestimmt. Welchen Raum bietet ihr euren drei Helden und den Lesern in der „Drachengasse 13“.

CH: Fühlen Kinder sich nicht immer schon fremdbestimmt? „Räum dein Zimmer auf“, „Mach erst die Hausaufgaben“, „Bohr nicht in der Nase“ … Die typischen Probleme mit Eltern und Co sind auch Sando, Hanissa und Tomrin nicht fremd. Mit Bondingor haben sie aber natürlich einen tollen Abenteuerspielplatz direkt vor der eigenen Haustür, den sie voll und ganz ausnutzen und wohin sie ihre Freunde unter den Lesern gern mitnehmen.

RB: In eurer Romanreihe finden Kinder die Lösungen für Probleme, die meist von Erwachsenen verursacht wurden. Welche Eigenschaften erkennt ihr in Kindern, die Erwachsene vielleicht verloren haben?

BP: Ich glaube, dass Kinder vor allem keine Zeit verschwenden, wenn es darum geht, eine Sache anzugehen, die sie interessiert. Die bilden keinen Ausschuss und reden ewig darüber, was man tun könnte, sollte und eigentlich nicht dürfte. Die verabreden sich für den Nachmittag und ziehen los, um was zu erreichen. Dabei kommt ihnen sicher zugute, dass sie oft in seeliger Unwissenheit agieren, was Gefahren und Folgen angeht. Was uns blockiert („Hm, da könnte doch dies oder das passieren …“), hält ein Kind nicht auf. Zugegeben kann das gut oder schlecht sein. Und genau genommen haben Tomrin, Sando und Hanissa auch schon ihre eigenen Probleme verursacht – siehe „Gefahr für den Elfenwald“.

RB: Ihr verzichtet in den „Drachengasse 13“-Romanen auf archetypische Bösewichte. Kein Voldemort, kein Sauron. Warum?

CH: Weil es die schon so oft gibt? Unsere Geschichten haben sehr wohl Antagonisten, aber den klassischen Blofeld, der sich den Schnurrbart zwirbelt, während er den Weltzerstörungsknopf drückt, sucht man tatsächlich vergebens. Der würde wohl auch nicht zum Humor der Reihe passen – es sei denn, er hätte eine Katzenhaarallergie und vergessen, den Knopf ans Stromnetz anzuschließen.

RB: Wie sehr fühlt ihr euch den Traditionen der High-Fantasy verpflichtet, und wie viele Freiheiten gebt ihr euch beim Gestalten von Bondigor und seinen Bewohnern?

BP: Wir nennen „Drachengasse 13“ gern eine Mischung aus „Die drei ???“, „Der kleine Hobbit“ und Terry-Pratchett-Romanen. Sprich: Natürlich ist Bondingor irgendwie eine High-Fantasy-Stadt. Es gibt Zwerge, Elfen, Trolle, Zauberer, Ritter und Drachen. Gleichzeitig darf man nichts davon zu ernst nehmen. Bei uns sind die Zauberer alte Zausel, ein Troll arbeitet schon mal als Azubi in der Stadtverwaltung und Drachen sind klein und furzen. Außerdem gibt es freche Kobolde, Gnorkelschach und mürrische Wasserspeier. Wie legen unserer Kreativität da keine Zügel an. Der Humor ist uns absolut wichtig, denn die Kinderleser sollen ja Spaß haben.

RB: Hand aufs Herz: Wie viel Hermine steckt in Hanissa?

CH: Beide sind starke Mädchenfiguren, die sich nichts vorschreiben lassen. Da hören die bewussten Parallelen für mich aber auch auf. Hanissa ist schlau, talentiert und den Jungs in vielerlei Hinsicht überlegen, ohne es heraushängen zu lassen. In meiner Bande wäre jederzeit ein Platz für sie frei.

RB: Würdet ihr zustimmen, dass Tomrin, Sando und Hanissa auch gut mit den „Drei ???“ auskommen würden?

BP: Tomrin und Hanissa bestimmt. Schließlich haben alle das gemeinsame Ziel, Leuten bei Problemen zu helfen. Ich denke, Sando fände Justus, Bob und Peter etwas zu brav. Die typischen schlauen Oberstadt-Kids halt. Die haben doch keinen Biss! ;-)

RB: Vielen Dank, dass ihr uns einen tiefen Einblick in die Welt der „Drachengasse 13“ gegeben habt. Hoffentlich folgen noch mehr Romane aus dem Herzen Bondigors.