von Frank Stein
Kurz zur Handlung (für diejenigen, die den Film immer noch nicht kennen): Wir schreiben das Jahr 1957. Der kalte Krieg ist in vollem Gange. Zu Beginn befindet sich Indy auch gleich in den Händen skrupelloser Russen unter dem Kommando der eiskalten Irina Spalko, die auf der Suche nach einem fremdartigen Artefakt Hangar 51, irgendwo in der Wüste von Nevada, überfallen haben. Nachdem er ihnen geholfen hat, das Objekt inmitten einer riesigen Halle mit Kisten zu finden, gelingt ihm eine spektakuläre Flucht.
Doch seine Kooperation mit den Roten bringt ihm im kommunismusfeindlichen Klima der Vereinigten Staaten dieser Zeit ziemlichen Ärger ein. Das FBI nimmt ihn ins Gebet und am Ende verliert er sogar seinen Job als Lehrer. Doch als er desillusioniert das Land verlassen will, das nicht mehr das seine zu sein scheint, geht das Abenteuer erst richtig los, denn er wird von dem jungen Wilden Mutt aufgehalten, der Jones bittet, ihm zu helfen, seine Mutter Mary Williams und den ihnen allen bekannten Professor Oxley zu retten, die beide von den Russen gefangengehalten werden.
Wie sich herausstellt sind sowohl Ox als auch die Russen auf der Suche nach Akator, alias El Dorado, der legendären Goldstadt im Dschungel von Peru, doch nicht des Goldes wegen, sondern weil dort mächtige Artefakte, Kristallschädel unbekannter Herkunft und Machart, zu finden sein sollen, mit denen die Russen den Westen bezwingen wollen. Natürlich macht sich Indiana Jones auf den Weg, den Russen die Suppe zu versalzen – und möglicherweise selbst hinter das Geheimnis des Königreichs der Kristallschädel zu kommen. Es wird eine abenteuerliche Reise, während der er mit russischen Soldaten, Killerameisen, Wasserfällen und Eingeborenen zu kämpfen hat. Und ganz nebenbei erfährt er ein paar Dinge über seine Vergangenheit, die sein Weltbild gehörig durcheinanderbringen.
Das vierte Kinoabenteuer des wohl berühmtesten Altertumsforschers Hollywoods spaltete die Zuschauerschaft. Für die einen hatten George Lucas und Steven Spielberg, 19 Jahre nach ihrem letzten Streich (der damals vielsagend „Der letzte Kreuzzug“ hieß) darin versagt, den Charme von einst wiederaufleben zu lassen und in ein neues Jahrtausend zu führen. Zu viel Routine, zu viel CGI wurde dem Werk vorgeworfen. Für die anderen hatte der Film genau das, was sie an den Abenteuern des Indiana Jones so lieben: einen zwar gealteterten, aber noch gut zuhauenden Harrison Ford, Humor, Pulp und jede Menge Action. Gut, die Außerirdischen – pardon: Interdimensionalen – waren auch für Liebhaber ein schwer zu verdauender Bissen. Aber wie schon in der DVD-Rezension hier beim Ringboten geschrieben wurde: Die 1950er und UFOs gehören im Pulp einfach genauso zusammen, wie die 1930er und Nazis.
Eines muss man dem Film jedoch vorwerfen: Das eine oder andere Plotdetail wurde etwas zu schnell abgehandelt, um es wirklich nachvollziehen zu können. Wie beispielsweise konnte Professor Oxley an den ersten Kristallschädel gelangen, wenn dieser von tödlichen Grabwächtern behütet wurde? Wozu bitteschön dienen die Wasserräder in den Tiefen des Tempels von Akator (außer um ein Level im Computerspiel aufzupeppen)? Und aus welchem Grund ist Mac auf einmal dem Tode geweiht (mal abgesehen davon, dass er nach Genre-Moralvorstellungen den Tod verdient hat)?
All diese Fragen beantwortet James Rollins’ Buch zum Film „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“, dessen Lektüre, im Gegensatz zu der des Jugendromans, dem Filmplot erfreulicherweise die eine oder andere Information und Anekdote hinzuzufügen hat. Vor allem der Prolog, der Indy und Mac auf der Yucatán-Halbinsel zeigt, und das Finale, das sich spürbar von dem des Films unterscheidet, zeigen, dass nicht alles, was angedacht war, auch am Ende seinen Weg auf die Leinwand gefunden hat. Vor allem am Schluss merkt man stark, dass etliche Effektentscheidungen zum Zeitpunkt des Drehbuchkonzepts, dem die Romanhandlung zugrunde liegt, noch nicht getroffen worden waren. Sowohl das Innere des Tempels als auch die Konfrontation mit den Interdimensionalen und ihre letztliche Flucht weisen einige Abweichungen auf, die der Fan natürlich mit Interesse zur Kenntnis nimmt.
Ansonsten bietet Rollins’ Roman gute Abenteuerunterhaltung. Natürlich wird im Wesentlichen die Filmhandlung nacherzählt – wie das bei allen Romanen zu Filmen der Fall ist. Nichtsdestoweniger könnte die Geschichte auch als eigenständiger „Indiana Jones“-Roman gut bestehen, denn die Figuren und das Setting sind sehr gut getroffen. Nur wie zum Teufel Indy und seine Freunde den dreifachen Sturz über einen Wasserfall überleben, vermag das Buch auch nicht zu erklären. Manches muss man im Pulp-Genre einfach hinnehmen.
Fazit: Wer lieber liest, als Filme schaut, wer gerne Varianten einer Geschichte vergleicht oder aber ein ausgemachter „Indiana Jones“-Fan ist, der kann mit dem Roman zum Film „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ ein paar nette Stunden verbringen. Auf 380 Seiten wird nicht nur die Filmhandlung in flotter, cineastischer Schreibe nacherzählt, sondern auch um einige Zusatzinformationen, Extrascherze (ich sage nur „Schlangenstatue“ nach dem Untergang von Akator) und ein in Teilen alternatives Ende ergänzt. Mehr kann man von dieser Art von Romanen nicht verlangen.
Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels
Film/Serien-Roman
James Rollins
blanvalet 2008
ISBN: 978-3-442-37092-4
380 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 8,95
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