In die Ferne

Der sogenannte „Retro-Klon“ „Beyond the Wall“, der sich – wie viele andere moderne Rollenspiele der „Old School Renaissance“ auf die einfachsten „D&D“-Regeln rückbesinnt, erhält mit „In die Ferne“ erstmals Nachschub. Wie gelungen ist die erste große Erweiterung?

von André Frenzer


Wie auch bereits das Grundregelwerk wurde „In die Ferne“ vom jungen, deutschen Verlag System Matters Mithilfe einer Vorbesteller-Aktion finanziert. „In die Ferne“, im englischen Original von Flatland Games als „Further Afield“ betitelt, will dabei die jungen Dorfhelden, die im Grundregelwerk erschaffen wurden und ihre ersten Feuertaufen bestanden haben, nun in die weite Welt hinausführen.

Einer der wenigen Kritikpunkte am Grundregelwerk lautete, dass sich „Beyond the Wall“ kaum dazu eignete, längerfristige Kampagnen abzuhandeln. Zwar wurde an langfristige Stufenaufstiege und genügend mächtige Spielzeuge für die stärker werdenden Helden gedacht; durch die enge Verknüpfung zwischen Charaktererschaffung und ersten Abenteuern erschien es jedoch schwierig, „Beyond the Wall“ für mehr einzusetzen, als kurze One-Shots. „In die Ferne“ liefert nun alle nötigen Werkzeuge, um auch längerfristig viel Spaß mit „Beyond the Wall“ zu haben.

Im sogenannten „Kampagnenhandbuch“ werden dann sofort auch alle wichtigen Regeln vorgestellt, um ein eigenes Setting zu erschaffen. Das besondere hierbei: Wie auch schon in der gemeinsamen Charaktererschaffung, in der das Dorf der Charaktere ebenfalls gemeinsam erschaffen wurde, wird auch die weite Welt der Helden gemeinsam erschaffen. „Sandbox“ lautet das Zauberwort und zahlreiche Zufallstabellen liefern Inspirationen, während die Spieler und Spielleiter gemeinsam weit entfernte Schauplätze erschaffen, die Stimmung der Welt festlegen und viele interessante Abenteueransätze schaffen. Ein einfacher Test auf ein Attribut sorgt dabei für die nötige Spannung – entspricht das Wissen der Helden über ihre Welt wirklich der Wahrheit, oder handelt es sich doch eher um Unwahrheiten, die dem Spielleiter weitere Freiheit gewähren? Eine mitgelieferte Hexfeld-Karte rundet dieses Kapitel ab.

Ergänzt wird dieser umfangreiche Teil um zahlreiche Regelerweiterungen, die insbesondere hochstufige Charaktere lebendiger gestalten helfen. So gibt es nun Regeln, seine eigenen magischen Gegenstände in aufwändigen Ritualen zu erschaffen, einen Haufen neuer Ausrüstung, wichtige Hilfen zum Umgang mit Problemen in langfristigen Kampagnen – wie dem Tod eines Charakters – oder auch nur neue, alternative Kampfregeln. Außerdem gibt es einige neue Zaubersprüche. Zahlreiche Tabellen mit Zufallsbegegnungen, Schatzhorten, beispielhaften Regionen oder Schauplätzen runden das „Kampagnenhandbuch“ ab.

Wie auch schon das Grundregelwerk erscheint „In die Ferne“ in der deutschen Auflage als Mappe, der neben dem „Kampagnenhandbuch“ und einigen Charakterbögen auch eine großformatige Hexfeldkarte sowie einige weitere Hefte, sogenannte „Bedrohungen“ beiliegen. Diese „Bedrohungen“ können vom Spielleiter in die Kampagne eingeführt werden und sorgen für reichlich Bewegung auf der Hexfeld-Karte, wenn beispielsweise ein finsterer Zauberer seinen Pesthauch über die Lande schickt oder ein aufstrebender Stadtstaat Herrschaftsansprüche auf weit entfernte Territorien durchsetzen will.

Ich muss gestehen, dass ich von „In die Ferne“ absolut begeistert bin. Jede Seite aus dem „Kampagnenhandbuch“ schreit dem Leser „SPIEL MICH“ entgegen, sprüht vor kreativer Energie und macht Lust darauf, sofort mit dem Erschaffen der eigenen Welt loszulegen. Darüber hinaus merzt „In die Ferne“ den einzigen echten Kritikpunkt an „Beyond the Wall“ – nämlich die fehlende Kampagnentauglichkeit – aus, ohne auch nur etwas von dem Charme des Grundregelwerkes zu verlieren. Dass die haptische Qualität, die Bebilderung und das hervorragende Lektorat dem Grundregelwerk in nichts nachstehen, rundet die positive Benotung ab.

Fazit: Wer „Beyond the Wall“ längerfristig spielen möchte, sollte „In die Ferne“ unbedingt kaufen. Auch, wer einfach nur zusätzliche Regeloptionen haben möchte, macht hier nicht viel falsch. Selbst Spielleitern, die für ein völlig anderes Rollenspiel ein eigenes Setting erschaffen möchte, kann ich „In die Ferne“ bedingungslos empfehlen. Eine absolut runde Sache.


Beyond the Wall: In die Ferne
Quellenband
John Cocking, Peter Williams
System Matters Verlag 2016
ISBN: n.a.
78 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 24,95

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