Im Schatten Simyalas 1 – Ruinen der Elfen

Ein ungleiches Trio aus dem Adligen Wulfhardt, der Jahrmarktszauberin Franya und dem Halbelfen Lindion findet sich zusammen, um einer Travia-Geweihten in Not beizustehen. Der zunächst harmlose Überfall entpuppt sich als Angriff eines Schergen des Namenlosen Gottes. Vom Opfer erfahren sie, dass ein Vetter Wulfshardts als weiteres Ziel gilt, sodass sie sich auf den Weg machen, diesen vor den namenlosen Umtrieben zu retten. Sie ahnen nicht, dass sie dabei in uralte hochelfische Geheimnisse verwickelt werden.

von Ansgar Imme

Die Romane aus dem Rollenspiel-Universum „Das Schwarze Auge“ (DSA) haben mittlerweile eine lange Historie. Bereits in den 1980ern gab es kurz nach der Veröffentlichung des Rollenspiels zwei Romane, von denen einer wenig mit der Spielwelt Aventurien zu tun hatte und der zweite dann vom Erfinder Ulrich Kiesow persönlich geschrieben wurde. Es dauerte aber bis 1995, ehe der Heyne Verlag in großem Stil „DSA“-Romane in fast schon monatlicher Häufigkeit veröffentlichte. Nach fast 80 Romanen übernahm dies dann der damalige „DSA“-Verlag Fantasy Productions beziehungsweise später dessen Nachfolger Ulisses Spiele.

Mit dem Aufstieg des ehemaligen „DSA“-Autoren Bernhard Hennen zu einem der bekanntesten Fantasy-Autoren Deutschlands gab es die Möglichkeit, „DSA“ wieder einer größeren Leserschaft zu präsentieren. In Zusammenarbeit mit Robert Corvus, der auch schon einige „DSA“-Romane geschrieben hatte, veröffentlichten die beiden seit 2016 im Heyne-Verlag die zwölfbändige Serie zur „Phileasson“-Saga, die Bernhard Hennen einst als Abenteuer-Tetralogie für „DSA“ geschrieben hatte.

Sicherlich auch aufgrund dieser guten Erfahrungen, aber auch wegen ihrer eigenen Publikationen konnten Lena Falkenhagen und Thomas Finn nun den Piper-Verlag von einer Zusammenarbeit überzeugen. Beide sind ebenso erfolgreiche Rollenspielautoren, vor allem bei „DSA“, wo sie unzählige Publikationen sowohl für das Rollenspiel als auch als Romane verzeichnen können. Beide haben auch nach ihrer „DSA“-Zeit Romane veröffentlicht, Lena Falkenhagen im historischen Romanbereich und Thomas Finn im Krimi- und Phantastikgenre. Lena Falkenhagen dürfte zudem als Bundesvorsitzende des Verbandes deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller bei Verlagen mittlerweile durchaus eine gewisse Bekanntheit haben.

Als Romanstoff suchten sie sich ihre eigene Rollenspielkampagne aus, die sie als Trilogie einst bei „DSA“ veröffentlichten und die als „Simyala-Kampagne“ großen Zuspruch erhielt. Eine Figur aus Hennens Rollenspiel- und Romansaga spielte dabei in der Rollenspiel-Kampagne eine wesentliche Rolle, sodass man als Spieler oder Leser der „Phileasson“-Saga hier im späteren Verlauf auf einen Bekannten stoßen kann. Mit etwa 500 Seiten haben die beiden Autoren einen ordentlichen Brocken vorgelegt, der im Laufe des Jahres durch einen zweiten Band vervollständigt wird.

Zum Inhalt

Der Adlige Wulfhardt von Rabenmund trifft bei seiner Reise im Reichsforst auf die Jahrmarktszauberin Franya und deren Begleiter, den Halbelf Lindion. Während er ihnen noch mit ihrer vom Weg abgekommenen Kutsche hilft, werden die drei durch ein Wunder der Herdgöttin Travia auf einen Kampf in der Nähe aufmerksam. Sie stehen einer Geweihten der Göttin bei, die von Spinnen und Ratten angegriffen wird und deren Begleiter bereits gefallen sind. Sie können die Gefahr gerade so abwenden, auch weil Lindion einen mysteriösen Reiter verwundet, der dies aus der Ferne beobachtet oder sogar gelenkt zu haben scheint.

Die Hinweise sowohl durch die Ratten als auch durch Worte der Travia-Geweihten legen nahe, dass der Namenlose Gott, der Erzwidersacher der Zwölfgötter, seine Hände im Spiel hat. Ehe sie in Ohnmacht fällt, berichtet die Geweihte von Träumen über düstere Pläne mit Allerich von Falkenwind, dem Erbe der Baronie, zu der Wulfhardt gerade reist. Letzter überredet die beiden Gaukler, ihm zu helfen, die Hintergründe zu klären, da sie nun durch das Schicksal verbunden seien.

Auf der Burg der Falkenwinds machen sie einige beunruhigende Entdeckungen. Doch als sie Allerich schließlich schützen wollen, während dieser eine Jagd als Feierlichkeit veranstaltet, müssen sie feststellen, dass ihr Widersacher schon viel weiter vorgedrungen ist, als sie dachten. Und erst das Aufdecken uralter elfischer Geheimnisse kann ihnen den Weg weisen.

Zeitgleich wird die thorwalische Skaldin Eyvin weit im Norden von einem totgelaubten Begleiter ihres berühmten Vaters Beorn dem Blender aufgesucht. Dieser berichtet ihr, dass auch ihr Vater, der bekannte Kapitän, noch lebt und von einer mächtigen elfischen Zauberin gefangen gehalten wird. Um seinen Aufenthaltsort zu ermitteln, begeben sich die beiden in die mittelreichische Hafenstadt Havena, um dort Hinweisen auf ein sogenanntes „Schwarzes Auge“ nachzugehen, mit welchem man Schicksale und Aufenthaltsorte von Personen sehen kann. Doch sie werden in Geschehnisse verwickelt, die ihr Leben auf eine viel schlimmere Art bedrohen, als sie gedacht hatten.

Bewertung

Wenn man den Band in der Hand hält, weist einen zunächst nichts darauf hin, dass es sich um einen Roman zu „Das Schwarze Auge“ handelt – sofern man nichts mit dem Begriff „Simyala“ anfangen kann. Der Verlag stellt weder auf dem Vorder- noch Rückeinband eine Verbindung zum Rollenspiel „Das Schwarze Auge“ her. Dies nimmt einerseits potenzielle Käufer aus dem Rollenspielbereich, sofern diese nicht über das Erscheinen informiert sind. Andererseits vertreibt es vielleicht auch nicht neue Leser, die dadurch abgeschreckt werden.

Dabei ist die Geschichte beider Handlungsstränge durchaus so geschrieben, dass Unkundige des Rollenspiels dieser trotzdem gut folgen können. Die profunde Kenntnis beider Autoren der Spielwelt Aventurien hilft natürlich, eine unglaubliche Tiefe zu vermitteln, die Kenner von „DSA“ und Aventurien sehr zu schätzen werden wissen. Aber auch dem neuen Leser in dieser Welt geht von der Erzählung wenig verloren.

Zudem bemühen sich die Autoren immer wieder, aventurisches Hintergrundwissen, etwa über die Historie oder die Götter, durch Gedanken der Charaktere oder über Erklärungen der Figuren untereinander zu vermitteln. Dies gelingt vor allem zu Beginn allerdings nicht immer so gut wie erhofft. An manchen Stellen wirken die Protagonisten, vor allem Wulfhardt, recht allwissend, was einfach zu übertrieben wirkt. Dass er beim Kennenlernen der beiden Gaukler zudem Sherlock Holmes’sche Deduktionskenntnisse anwendet, wirkt ebenso übertrieben. Beides bessert sich im Laufe des Romans allerdings deutlich und wirkt weniger aufdringlich. Man hat fast den Eindruck, dass auch die Autoren erst ein wenig beim Schreiben ankommen müssen. Hier wäre es Aufgabe des Lektorats gewesen, in Zusammenarbeit mit den Autoren eine bessere Lösung zu finden.

Die Handlung selbst braucht trotz jeweils früher Höhepunkte in beiden Strängen etwas, um richtig Spannung und Fahrt aufzunehmen. Gerade bei Eyvin plätschert es zunächst etwas dahin, aber auch der Teil um Wulfhardt und die Gaukler trägt die Handlung erst mal mit einer gelassenen Geschwindigkeit. Die Passagen um Wulfhardt orientieren sich dabei sehr stark an der Handlung des originalen Abenteuers und weicht kaum davon ab. Das ist grundsätzlich gar nicht schlimm, da sich ehemalige Spieler gut darin wieder finden. Und da man vorab ja nicht weiß, wie sich die Handlung genau weiterentwickelt, wird einem trotzdem die Spannung nicht genommen. Es ist sogar erfrischend, dies aus der Perspektive der Figuren noch einmal „zu erleben“. Dazu ist das Geschehen um Eyvin komplett neu, sodass man nicht weiß, wohin es führt und was noch passieren wird. Rollenspieler, die die Stadt Havena kennen, werden sich oft genug aber wie zu Hause fühlen und Personen oder Orte wiedererkennen, was durchaus seinen Charme hat.

Mit zunehmender Dauer und Handlung zieht in beiden Perspektiven die Geschwindigkeit und Spannung aber deutlich an, sodass man das Buch ungern beiseite legt, weil man vielleicht ins Bett muss oder einen Termin hat. Beide steuern auf einen Höhepunkt zu, der aber unterschiedlich ausgeprägt ist. Die Enden sind dabei in sich für die Handlung ein guter Abschluss, ohne dass zu viele Fragen offen bleiben. Gleichzeitig lassen beide aber die Möglichkeit für die Fortführung erkennen.

Die handelnden Personen sind gut getroffen und lassen den Leser schnell ein Bild vor Augen entstehen. Die gefühlte Allwissenheit Wulfhardt wirkt allerdings ein wenig aufgedrängt, auch wenn eine Erklärung durch eine geheime Tätigkeit angeführt wird. Trotzdem wirken die anderen Figuren, vor allem Franya und Eyvin sympathischer und realistischer. Und beim Antagonisten in der Falkenwind-Handlung bemühen sich die Autoren, den Leser zunächst auf eine falsche Fährte zu locken, was bei manchen Lesern sogar gelingen mag.

Fazit: Den Erwartungen an die beiden bekannten Autoren wurden diese bereits im Großen und Ganzen gerecht. Die Handlung ist spannend und steigert sich immer mehr. Auch die Umsetzung des Abenteuers ist gelungen, die trotz Werktreue auch einen Leser mit Hintergrundwissen mitfiebern lässt. Und es ist noch Potenzial für Steigerung da. Für „DSA“-Leser und -Spieler auf jeden Fall eine Empfehlung, aber auch Leser außerhalb des Rollenspiels bekommen eine spannende Geschichte, deren Hintergründe sich vollends aber erst im zweiten Band offenbaren. Auf jeden Fall eine Kaufempfehlung!

Im Schatten Simyalas 1 – Ruinen der Elfen
Rollenspiel-Roman
Lena Falkenhagen, Thomas Finn
Piper 2025
ISBN: 978-3-492-70961-3
512 S., Paperback, deutsch
Preis: 17,00 EUR

bei amazon.de bestellen (Partnerlink)