Heredium 1: Neue Ufer

Stellt euch vor, ihr wacht eines Tages auf und bemerkt, dass ihr zehn Jahre im Koma gelegen habt. Als wenn das nicht schon ein ziemlicher Schlag wäre, müsst ihr außerdem erfahren, dass die Zivilisation auf der Erde fast völlig vernichtet wurde und sich überall eine mutierte Umwelt ausbreitet. Lennard passiert genau das und der erste Roman zum Rollenspiel „„Heredium““ erzählt, was geschieht, nachdem er erwacht …

von Andreas Loos

Der Roman ist in zweierlei Hinsicht ein Debüt. Zum einen ist er der Debütroman von Andreas Schnell, dem Autor des Rollenspiels „Heredium“, zum anderen ist dies der erste Roman, den der 13Mann-Verlag, welcher bislang Rollenspiele – namentlich „Rolemaster“, „Traveller“ und auch „Heredium“ – herausgegeben hat, veröffentlicht. Autor und Verlag begeben sich dem Titel gleich zu neuen Ufern.

Jetzt aber kurz zum Inhalt. Lennard schlägt die Augen auf, und muss erkennen, dass er zehn Jahre seines Lebens im Koma verbracht hat. Als wenn das allein nicht schon schlimm genug wäre, muss er außerdem feststellen, dass jemand nach seinem Leben trachtet. Und ganz nebenbei muss er erfahren, dass die Zivilisation außerhalb Kuppelstadt Hiroitho City fast völlig zerstört wurde, als der Mond in einer großen Katastrophe zum Teil zerbarst und im Vorübergehen dafür sorgte, dass die menschliche Zivilisation den Weg des Dodos nahm.

Die Welt des Jahres 2200 hat sich grundlegend verändert, und Lennard, der fast sein ganzes Leben in der Kuppelstadt verbracht hat, sieht sich gezwungen, den Großstadtdschungel, in dem Verbrecherfamilien herrschen, gegen die postapokalyptische Wildnis zu tauschen. In dieser Öde tummelt sich neben mutierten Tieren auch allerlei menschliches Strandgut, wie zum Beispiel Raubnomaden. In diesem lebensfeindlichen Umfeld versucht der Protagonist nun seinen Weg zu finden. Lennard geht allerdings nicht ohne gewisse hilfreiche mentale Talente in die Wildnis, und auch nicht ohne ein paar Freunde, die sich ihm auf der Reise anschließen.

Was folgt ist ein typisches „Roadmovie“ quer durch die Einöde, das ein wenig an „Mad Max“ erinnert. Das hier Gebotene ist in der Gangart eine kleine Ecke härter, und der Autor schenkt den Protagonisten nichts. Ständig müssen Lennard und seine Freunde um ihr Leben kämpfen, und auch draußen in der Wildnis zeigt sich, dass der Arm der Familien sehr lang sein kann.

Die Geschichte um Lennard ist allerdings nur der Motor für eine Entdeckungsreise in den Hintergrund des Rollenspiels „Heredium“. Wer das Rollenspiel kennt, entdeckt hier nur wenig neue Informationen, denn die meisten hier genannten Fakten sind schon im Grundregelwerk verarbeitet worden. Als mit dem Hintergrund Vertrauter habe ich mir dann auch Zeit genommen, um die Nuancen unter die Lupe zu nehmen und nach Informationen Ausschau zu halten, die man im Rollenspiel nicht finden kann.

Genau diese fallen aber dann recht spärlich aus. Der Roman verleiht dem Hintergrund dennoch etwas mehr Tiefe und Lebendigkeit. Alles in allem kann man sich einen recht groben Überblick zur Welt von „Heredium“ machen. Allerdings hat der Autor einige nicht unwesentliche Gruppierungen ausgelassen oder nur ganz kurz angeschnitten. Da hätte ich mir mehr erwartet. Die Kuppelstadt mit ihren Intrigen kommt recht plastisch daher, anderes bleibt äußerst vage, sodass ich, wenn ich mich nicht vorher damit befasst hätte, kaum nützliche Informationen aus der Lektüre hätte gewinnen können.

Auf der anderen Seite ist es natürlich ziemlich schwierig, die verarbeiteten Hintergrundinformationen unter einen Hut zu bekommen, da das Rollenspiel sehr vielschichtig konzipiert ist. Alles in die Handlung mit aufzunehmen wäre auf 300 Seiten nicht möglich gewesen. Tatsächlich geht der Roman in der Hauptsache auf den Konflikt zwischen Debellatoren – das sind Menschen mit besonderen mentalen Fähigkeiten – und normalen Menschen ein. Daneben steht als eigenständige Handlungseinheit der Kampf der verbliebenen Menschen gegen die mutierte Natur.

Der Autor hat viel Arbeit in die Ausgestaltung der Personen gesteckt, und das zahlt sich aus. Selbst die Schurken, für die Sympathie zu entwickeln schwer fällt, sind mehr als bloße Stereotypen.

Fazit: Wer keine Ahnung vom Rollenspiel „Heredium“ hat und/oder den Hintergrund näher kennen lernen will, gewinnt bei der Lektüre von „Neue Ufer“ ein paar erste Eindrücke. Vor allem in der Hinsicht, was es bedeutet in der postapokalyptischen Umwelt zu überleben. Der Handlung rund um Lennart, der sich in seiner neuen Umgebung zurechtfinden muss, mangelt es am Ende an dem von mir erwarteten Knalleffekt, ist aber bis dahin gut zu lesen und erzeugt auch Spannung. Am Ende bleiben für meinen Geschmack aber zu viele Fragen offen.


Neue Ufer (Heredium-Roman Nr. 1)
Rollenspiel-Roman
Andreas Schnell
13Mann-Verlag 2009
ISBN: 978-3941420816
300 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 9,99

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