von Simon Ofenloch
„Goetia“ heißt der zweite Band der geplanten „Hellgate London“-Romantrilogie, und nur die wenigsten werden auf Anhieb etwas mit diesem Titel anfangen können. Das ist nicht weiter schlimm, denn im Verlauf der Handlung liefert Mel Odom nähere Informationen. Wer mit dem rätselhaften, selbsternannten Magier Aleister Crowley vertraut ist, ist klar im Vorteil. Denn Crowley war es, der einst eine überarbeitete englische Ausgabe der „Ars Goetia“ veröffentlichte und ihre Lehren für seine Rituale gebrauchte. Mel Odom wandelt also auf okkultistischem Terrain.
Die „Ars Goetia“, so der vermeintlich vollständige Titel einer magischen Schrift, die verkürzt nur „Goetia“ genannt wird, geht angeblich auf den biblischen König Salomon zurück. Man spricht daher auch von ihr als „Kleiner Schlüssel Salomons“. Sie enthält Beschreibungen der 72 Dämonen, die König Salomon angeblich einst beschworen und in einem bronzenen Gefäß eingeschlossen hat. Das mystische Schriftstück enthält ganz offensichtlich Informationen, die für den Umgang mit Dämonen hilfreich sein können. Interessant ist es daher sowohl für die Kabbalisten, welche die Dämonen beherrschen und kontrollieren wollen, als auch für die Templer, welche die Ungeheuer vernichten wollen. Und auch die dritte Partei der Soldaten ist aus eigenen Interessen an der Jagd nach dem besonderen Buch beteiligt. Ein Umstand, der den Protagonisten des Romans, Simon Cross, wiederholt mit Leah Creasey zusammenführt, der jungen Frau, die ihn einst aus Südafrika zurück nach London begleitet hat.
Das alles findet vier Jahre nach den Erlebnissen statt, die Mel Odom im ersten Band „Exodus“ beschrieben hat. Damals hatte der zeitweise abtrünnige Templer Simon Cross Überlebende aus der von Dämonen überrannten Metropole London herausgeführt, und sich den besessenen Kabbalisten Warren Schimmer in einer finalen Schlacht zum Feind gemacht. Die Rettung einiger weniger Menschen war Simon Cross nicht genug. Er kehrte zurück in die verwüstete Großstadt, um den Kampf gegen die höllischen Invasoren bis zuletzt auszufechten. Da hat er sich was vorgenommen! Denn längst geht es nicht mehr nur allein um die Hauptstadt der Briten. Auch in anderen Teilen der Welt haben sich Höllentore geöffnet. Das Schicksal des ganzen Planeten steht auf dem Spiel! Verborgen in den Schächten des Londoner U-Bahn-Systems, formiert Cross eine eigene Armee williger Krieger, mutige Ex-Templer, die sich wie Simon Cross vom Orden getrennt haben, weil dieser in ihren Augen den Kampf gegen die Dämonen zu defensiv und zurückhaltend führt. Die Rivalität zwischen den beiden Gruppen aus demselben Lager gestaltet die Rettung der Welt vor den Ausgeburten der Hölle nicht leichter.
Der Kabbalist Warren Schimmer hat es auch nicht besser getroffen. Auch er ist auf der Suche nach dem mystischen Schriftstück, im Auftrag eines mächtigen Dämonen, der von ihm Besitz ergriffen hat – und in Zwiesprache mit einem geheimen Wesen, das in Gedanken mit ihm kommuniziert. Ein Wissenschaftler namens Archibald Xavier Macomber bringt die Suchenden auf die Spur des magischen Buches, das schließlich weniger und gleichzeitig mehr ist, als alle erwartet haben. Denn in einem in den Seiten des Folianten versteckten Text in einer künstlichen Sprache liegt möglicherweise tatsächlich der Schlüssel zur Wiederherstellung einer Balance zwischen dem Licht und der Dunkelheit, zwischen Gut und Böse verborgen. Doch davon wird man erst im dritten Roman erfahren. In jenem Band, in dem Waren Schimmer im Dienste eines neuen Dämonen stehen wird, eines weiblichen Wesens, dessen mythologischer Hintergrund Spannendes verspricht.
Mel Odom ist ein effektiv, aber durchaus auch mit grobem Werkzeug arbeitender Handwerker. Ganz sicher kein filigran tätiger Künstler – Gott behüte! Ihm scheint es in erster Linie um Quantität zu gehen, nicht so sehr um Qualität. Da wird munter mythologisch argumentiert, „Name-dropping“ betrieben (König Salomon, Aleister Crowley, H. P. Lovecraft, Lilith) – ohne weiter in die Tiefe zu gehen! Manche Kampfhandlungen werden etwas drastisch, unnötig brutal und explizit beschrieben. Nichtsdestotrotz ist das Buch unterhaltend und niemals langweilig. Der deutsche Übersetzer hat gewechselt. Ein bisschen schadet dieser Umstand dem Buch. Wirklich ärgerlich sind häufige Rechtschreib- beziehungsweise Druckfehler im Text. So etwas kann schnell als ein Schlag ins Gesicht der Leser gedeutet werden, als Zeichen dafür, wie wenig ernst der Verlag die einzelne Sache und sein zugehöriges Publikum nimmt. Mehr Sorgfalt im Lektorat oder in der Endkontrolle wäre da wohl angebracht.
Fazit: Der erste Band hat nahezu uneingeschränkt Spaß gemacht. Beim zweiten Teil scheint man etwas nachlässig geworden zu sein, sowohl auf Seiten des Autors wie auch des Verlags. Das ist schade, denn es trübt die Freude am Sujet. Was bleibt, ist die Hoffnung auf einen würdigen Abschluss im dritten Band.
Hellgate London, Band 2: Goetia
Science-Fiction-Roman
Mel Odom
Panini Books 2008
ISBN: 978-3-8332-1746-3
512 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 12,00
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